Statt zur Arbeit zu gehen, wanderte Peter Jakobs heimlich nach Amerika aus

Heusweiler. Der 26. Oktober 1907 war für Peter Jakobs aus Merzig-Menningen ein Schicksalstag: Frühmorgens stand er auf, verabschiedete sich von seiner schwangeren Frau und den fünf Kindern um vorgeblich zur Arbeit zu gehen, wanderte stattdessen aber heimlich in die USA aus. Als er dort Fuß gefasst hatte, wollte er Frau und Kinder nachholen. Doch die kamen nicht

 Das Ehepaar Peter und Lisa Jakobs. Foto: SZ/Faller

Das Ehepaar Peter und Lisa Jakobs. Foto: SZ/Faller

Heusweiler. Der 26. Oktober 1907 war für Peter Jakobs aus Merzig-Menningen ein Schicksalstag: Frühmorgens stand er auf, verabschiedete sich von seiner schwangeren Frau und den fünf Kindern um vorgeblich zur Arbeit zu gehen, wanderte stattdessen aber heimlich in die USA aus. Als er dort Fuß gefasst hatte, wollte er Frau und Kinder nachholen. Doch die kamen nicht. Der Kontakt brach ab, Peter Jakobs blieb verschollen. Bis seine Enkelin Sigrid Faller aus Holz 1991 die Spur aufnahm. Acht Jahre lang recherchierte sie in detektivischer Kleinarbeit, stöberte in Archiven und alten Familienunterlagen, befragte Verwandte. Der Durchbruch kam 1997, als Sigrid Faller sich an Jörg Wontorra von der Fernsehsendung "Bitte melde dich" wandte. Ein Jahr später reiste sie nach Albion im US-Staat Pennsylvania und streute Menninger Heimaterde auf das Grab des Großvaters. "So wollten wir die Trennung des Vaters von seinen Kindern wieder rückgängig machen - wenn auch nur symbolisch", sagte Sigrid Faller. Die Geschichte geht ans Herz: Peter Jakobs wurde 1873 in Menningen geboren, heiratete dort seine Lisa und hatte mit ihr sechs Kinder. Peter Jakobs verdiente gut als Maurermeister und gründete ein eigenes Bauunternehmen. Doch bei einem Großauftrag in Saarburg, wo er sechs Reihenhäuser bauen sollte, wurde er über den Tisch gezogen und musste Konkurs anmelden. Um seine Familie über Wasser zu halten, zog er als "reisender Handwerksbursche" durchs Land, war oft wochenlang unterwegs. Dies mag der Grund gewesen sein, dass er sich mit Auswanderungsgedanken ins "gelobte Land" trug. Allerdings erzählte er seiner Familie nichts davon, sondern verschwand bei Nacht und Nebel. Aus den USA korrespondierte er noch über zwei Jahre lang mit seiner Frau. Er schickte ihr regelmäßig Geld, schrieb, dass er sie und die Kinder nachholen wolle, sparte eisern für die Tickets. 1909 schickte er dann tatsächlich Geld und Tickets nach Menningen, doch seine Familie kam nicht. Angeblich auf Druck der Schwiegereltern blieb sie im Saarland. "Vielleicht hatten sie Angst, dass ihre Tochter drüben noch einmal sitzengelassen wird und dann völlig allein da steht", mutmaßt Sigrid Faller. Peter Jakobs brach daraufhin den Kontakt ab: "Ihr werdet mich nie mehr finden, und ich werde mich nie mehr melden", schrieb er in seinem letzten Brief. Doch Sigrid Faller fand ihn. Er schrieb sich in den USA Peter Jacobs (mit "c"). Er verschwieg seine Ehe in Deutschland und heiratete 1913 die rumänische Auswanderin Sidonia Bienerth. Peter Jakobs verdiente bald gutes Geld, verlor jedoch 1929 beim großen Börsen-Crash in den USA - dem "Schwarzen Freitag" - erneut Haus und Hof. Er fing wieder von vorne an, kaufte sich eine Farm in Albion, und starb dort am 6. April 1957 an den Folgen einer Infektion. "Mit ihrer Liebe zum verstorbenen Großvater zeigt Sigrid Faller, dass Liebe zeitunabhängig ist und auch noch im Nachhinein wirkt", sagte Anne Schäfer, die Leiterin der Volkshochschule Heusweiler. "Endstation Albion - Das zweite Leben meines Großvaters", Digitalverlag Großrosseln, ISBN 3-936983-22-4. 83 Seiten mit vielen historischen Fotos und Dokumenten, 9,90 Euro.

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