Schwemmland, Telegrafie und Niederlagen

Merzig · Man muss sich vor Augen führen, dass die Saar damals, im Gegensatz zu heute, noch nicht kanalisiert war. Dies bedeutete, dass bei starkem Hochwasser die komplette Flussaue überschwemmt war und ein Überqueren des Flusses ein gar nicht so einfach durchzuführendes Unterfangen darstellte.

 Bewegende deutsch-französische Geschichte: hier ist Napoleon (Mitte) bei der Schlacht von Waterloo zu sehen. FOTO: Georg Bense

Bewegende deutsch-französische Geschichte: hier ist Napoleon (Mitte) bei der Schlacht von Waterloo zu sehen. FOTO: Georg Bense

Obwohl es am 10. Januar einigen Kavallerie- und Artillerieeinheiten noch gelang, durch Furten überzusetzen, blieb dem Gros der Truppen nichts Anderes übrig, als sich fürs Erste in Beckingen und den umliegenden Dörfern zwischen Dillingen und Merzig einzuquartieren und abzuwarten. Auf Befehl wurden zwar alle verfügbaren Ackerwagen herbeigeschafft und in die Saar gefahren, um so Fundamente für eine Bockbrücke zu schaffen. Aber die Strömung riss alle Wagen fort. So entschloss man sich, alle in Flußnähe stehenden hohen Bäume bei Beckingen zu fällen und aus diesen eine Brücke zu bauen. Diese war schließlich am 14. Januar fertiggestellt, und so gab daraufhin Prinz Wilhelm nachmittags um 3 Uhr seinen Truppen den Befehl zum Übergang über die Saar und ließ sie auf St. Avold zumarschieren.

Aus einer Rechnung, die die Gemeinde Beckingen an den Prinzen Wilhelm von Preußen richtete, geht hervor, was der Aufenthalt und die Einquartierung der Truppen allein den Bewohnern Beckingens abverlangt hatte. So hatten sie den Truppen "über 200 Zentner Heu, 200 Quarten Hafer, 1000 Strohbündeln, 30 Paar Schuhe, 20 Ellen Leinwand, 72 Maß Branntwein oder Schnaps, 20 Maß Öl zum Brennen auf den Wachtposten, 33 mittelmäßige, 29 kleinere Bäume und 9 Balken für das Lager der über die Saar errichteten Holzbrücke, 1075 Dillen und Borden für diese Brücke, 2150 Rollen Seil, 180 Pfund Nägel und Eisenbeschläge, 5 Klafter Holz für die Feldwachten, 15 000 Palisaden und Blanken und 19 000 Wingertspfähle, die als Brennholz benutzt wurden", liefern müssen. Hinzu kam weitere Verpflegung: Lebensmittel und Getränke für die vielen Soldaten.

Nebenbei bemerkt hatten die preußischen Truppen auf ihrem Vormarsch vom Rhein her die von Metz nach Mainz führende optische Telegrafenlinie, die am 29. Mai 1813 in Betrieb genommen worden war, zerstört. Die 225 Kilometer lange Strecke, eine Fortsetzung der Linie Paris-Metz, bestand aus 22 Stationen, die mit Signalmasten und Fernrohren ausgerüstet waren und mit denen codierte Informationen innerhalb von zwei bis sechs Minuten übermittelt werden konnten. Diese Linie verlief auch durch unsere Region. Einer der Signalmasten befand sich auf dem bei Düppenweiler gelegenen Litermont, quasi unmittelbar hinter der heutigen Landkreisgrenze, wo vor einigen Jahren die Nachbildung einer solchen Signalstation errichtet worden ist.

Napoleon wurde in den darauffolgenden Monaten in mehreren Schlachten von den europäischen Mächten geschlagen. Nach der am 2. April erfolgten Kapitulation von Paris dankte der Kaiser am 6. April 1814 ab und zog sich auf die Insel Elba zurück.

Das Ende der napoleonischen Herrschaft in Europa sollte nach dem Willen der verbündeten Mächte eine territoriale Neugestaltung zur Folge haben. Diese sollte allerdings nicht nur die linksrheinischen Gebiete, sondern auch die sonstigen von Napoleon annektierten Gebiete oder unter seinem Einfluss stehenden Territorien, wie die auf der rechten Rheinseite gelegenen Rheinbundstaaten, betreffen. Russland, Österreich und Preußen hatten sich bereits im Oktober 1813 über eine vorläufige gemeinsame Verwaltung der nach einer Niederlage Napoleons eroberten rechtsrheinischen Gebiete verständigt. Die Verbündeten richteten daher zunächst eine Zentralverwaltung für die eroberten Gebiete unter der Leitung des Freiherrn vom Stein ein. Nach dem Rheinübergang beschlossen die Verbündeten dann, die Zuständigkeit der Zentralverwaltung Steins auch auf die neu besetzten französischen Provinzen links des Rheins auszudehnen. Schließlich gliederten sie das Gebiet in sechs Generalgouvernements, wobei das Saardepartement dem Generalgouvernement "Mittelrhein" zugeordnet wurde.

Im Ersten Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 wurden die Verwaltungszuständigkeiten zwischen den Verbündeten dann neu geregelt. Nördlich der Mosel verwaltete nun Preußen die eroberten Gebiete, während südlich der Mosel eine Österreichisch-Bayerische Landesadministrationskommission am 16. Juni 1814 die Verwaltung übernahm. Damit schieden diese Gebiete aus der Zentralverwaltung des Freiherrn vom Stein aus.

In diesem ersten Pariser Friedensvertrag war auch die deutsche Westgrenze zunächst festgelegt worden. Als Richtlinie für die Festlegung der Staatsgrenze hatte dabei noch der französische Gebietsstand des Jahres 1792 gedient. Die verbündeten Mächte, allen voran der russische Zar Alexander, wollten zu diesem Zeitpunkt den unterlegenen Kriegsgegner noch schonend behandeln. Aus diesem Grund blieb der Festungsgürtel von Straßburg über Landau bis nach Saarlouis Frankreich zunächst ebenso noch erhalten wie die vormals zu Lothringen gehörenden Teile des heutigen Kreisgebietes.

Merziger Region wird preußisch

Am 18. September 1814 begann der Wiener Kongress, bei dem im Rahmen der Neuordnung Mitteleuropas auch über die linksrheinischen Gebiete verhandelt werden sollte. Preußen wurden die nördlich der Mosel gelegenen Teile der Rheinlande, die es bis dahin schon vorübergehend verwaltet hatte, endgültig zugesprochen. Das Ergebnis hielt ein Vertrag vom 15. April 1815 fest. Darin wurden Preußen aber auch noch Gebietsteile südlich der Mosel, die zuvor unter der Verwaltung der Österreichisch-Bayerischen Landesadministrationskommission gestanden hatten, zugeteilt und am 28. Mai 1815 formell übergeben. Das war das Gebiet zwischen Mosel und Nahe. Von unserem heutigen Kreisgebiet war hiervon der Kanton Wadern betroffen, der dem Kreis Birkenfeld zugeordnet wurde. Damit hatte Preußen erstmals auf dem Gebiet rechts bzw. südlich der Mosel und auf dem Boden des heutigen Saarlandes Fuß gefasst.

Zwischenzeitlich, d.h. am 1. März 1815, war Napoleon von der Insel Elba nach Frankreich zurückgekehrt und hatte erneut die Herrschaft, die allerdings nur 100 Tage dauern sollte, übernommen. Am 18. Juni verlor er schließlich bei Waterloo in Belgien seine letzte Schlacht, dankte am 22. Juni 1815 endgültig ab und schiffte sich am 15. Juli in die endgültige Verbannung nach Sankt Helena ein.

Im Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 wurde daraufhin die französische Ostgrenze neu festgelegt. Saarbrücken und Saarlouis schieden aus dem französischen Staatsgebiet aus, und es wurde eine neue Grenzlinie gezogen. Während sich die Staatsgrenze im südwestlichen und südlichen Saarland an alten Territorien orientieren konnte, musste die Linie im Westen zwischen Creutzwald und Perl künstlich gezogen werden. Die Grenzziehung richtete sich dabei nicht zuletzt nach militärischen Gesichtspunkten und so wurde die Grenzlinie weit auf die Höhen des Saargaus vorgeschoben. Diese Grenze trennte keine unterschiedlichen Kulturräume, denn zu beiden Seiten wurde die gleiche moselfränkische Mundart gesprochen. Von kleineren Änderungen abgesehen, blieb sie so bis auf den heutigen Tag. Was den Kreis Merzig betrifft, erfolgte 1827 lediglich die Abtretung der Dörfer Scheuerwald und Mandern an Frankreich.

Schließlich wurden am 3. November 1815 auch noch strittige Fragen zwischen Preußen und der Österreichisch-Bayerischen Landesadministrationskommission einer vertraglichen Regelung zugeführt. Darin wurden die zuvor den Österreichern und Bayern zugeschlagenen Gebietsteile im Bereich des heutigen Saarlandes Preußen zugeschlagen. Lediglich im Raum St. Ingbert und Homburg behielt Bayern noch Gebietsanteile.

Am 1. Mai 1816 kamen schließlich die Kantone Merzig, Wadern und Saarburg und damit alle Gemeinden des heutigen Landkreises endgültig zu Preußen. Zum gleichen Zeitpunkt stellte die Landesadministrationskommission ihre Verwaltungstätigkeit ein. Schon am 22. April 1816 hatte demgegenüber die preußische Bezirksregierung in Trier ihre Tätigkeit begonnen.

Der neu geschaffene Regierungsbezirk Trier und damit auch die Kreise Merzig und Saarburg waren zunächst Teil der preußischen Provinz "Großherzogtum Niederrhein". Im Jahr 1822 wurde diese Provinz mit der Provinz "Jülich-Kleve-Berg" zu einer einzigen Provinz mit Amtssitz in Koblenz vereinigt. Sie setzte sich aus den fünf Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf, Köln, Koblenz und Trier zusammen. Seit 1830 wurde für diese Provinz die amtliche Bezeichnung "Rheinprovinz" eingeführt.

Die neuen preußischen Gebiete erfuhren jetzt auch eine innere Neustrukturierung. Dabei wurde mit den Kreisen eine für unsere Region völlig neue Organisationsform geschaffen, die sich nicht an die ehemaligen französischen Verwaltungseinheiten, wie Kantone oder Arrondissements, anlehnte. Erstere waren zu klein und letztere zu groß, denn für die Größe der Kreise galt als Vorgabe: Die Einwohnerzahl sollte zwischen 20 000 und 30 000 betragen und die räumliche Ausdehnung so beschaffen sein, dass die Wege zur Kreisverwaltung nicht länger als zwei bis drei preußische Meilen (maximal 23 km) sein sollten. Im Prinzip sollte die Größe eines Kreises so bemessen sein, dass der Landrat zur entferntesten Gemeinde seines Kreises an einem Tag mit der Pferdekutsche hin- und zurückfahren konnte und ihm dort noch genügend Zeit zur Erledigung seiner Amtsgeschäfte blieb. < Wird fortgesetzt.

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