Schon früh regte sich Widerstand gegen den Saar-Staat

Merzig-Wadern · Vor 60 Jahren – im Oktober 1955 – wurde nach einem heftig geführten Abstimmungskampf eine Volksbefragung über die Zukunft des Landes durchgeführt, wobei 67,7 Prozent der Saarländer mit „Nein“ stimmten und sich damit gegen das Saarstatut entschieden. Dieses war die Vision des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, der das Saarland zum ersten europäischen Territorium machen wollte. Mit einer Serie erinnert die Saarbrücker Zeitung daran, was sich rund um diese Abstimmung im Landkreis zugetragen hat.

 Das Plakat der Europa-Bewegung, das an die Opfer des Krieges erinnerte und die Gemüter erhitzte. Foto: Archiv Volkmar Schommer

Das Plakat der Europa-Bewegung, das an die Opfer des Krieges erinnerte und die Gemüter erhitzte. Foto: Archiv Volkmar Schommer

Foto: Archiv Volkmar Schommer

Mit der Verabschiedung der Landesverfassung mit ihrer Präambel waren die Grundlagen des saarländischen Sonderweges im Zeichen der blau-weiß-roten Landesflagge geschaffen. In der Folgezeit mussten sich alle, die sich im autonomen "Saar-Staat" politisch, gewerkschaftlich oder publizistisch betätigen wollten, an dieser umstrittenen Verfassungspräambel messen lassen.

Widerstände gegen diese Politik ließen nicht lange auf sich warten. Doch CVP und SPS scheuten die faire Konkurrenz mit prodeutschen Saarparteien. Die Konsequenz daraus war, dass Parteien, Gewerkschaften oder Zeitungen, die für die Eingliederung des Industriereviers an der Saar in die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland eintraten, verboten oder gar nicht erst zugelassen wurden. Für die CVP des Ministerpräsidenten Hoffmann und die SPS Richard Kirns waren die prodeutschen Oppositionskräfte "Störenfriede" der deutsch-französischen Verständigung und der "übergeordneten europäischen Notwendigkeiten", so wie sie sie verstanden.

Bereits seit 1950 hatte sich die Opposition organisiert. Die Demokratische Partei Saar (DPS) war allerdings schon im Mai 1951 als verfassungswidrig erklärt worden. Sie hatte in zwei Entschließungen die volle Verwirklichung der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" und die Ausweitung der einseitigen Beziehungen der Saar zu Frankreich auf die Bundesrepublik und die übrigen Mitgliedstaaten des Europarates zu ihren Programmpunkten erhoben. Unter der Leitung des Saarbrücker Großkaufmanns Richard Becker und des Rechtsanwalts Heinrich Schneider wurde die DPS zunächst das Sammelbecken aller oppositionellen Kräfte an der Saar.

In den Gewerkschaften wuchs ebenfalls der Widerstand, je mehr sich berufsständische Interessen mit nationaler Opposition verbanden. Auch in der SPS nahm die Opposition zu. Am 14. März 1952 reichten sieben ehemalige Mitglieder den Antrag auf Zulassung der Deutschen Sozialdemokratischen Partei ein; ihren Vorsitz übernahm Kurt Conrad. Dann fanden sich auch Unzufriedene in der CVP mit alten Zentrumsmitgliedern, die die einseitige wirtschaftliche Ausrichtung auf Frankreich ablehnten, zur Gründung einer zweiten christlichen Partei, der CDU-Saar, zusammen, geführt von Hubert Ney. Die Regierung genehmigte die Zulassungsanträge beider Parteien nicht. Die sogenannten "prodeutschen Parteien" waren in die Illegalität verwiesen.

Erst das deutsch-französische Saarabkommen, auf das sich Bundeskanzler Adenauer und der französische Ministerpräsident Mendès-France am 23. Oktober 1954 in Paris geeinigt hatten, schuf die Voraussetzungen für die Herstellung der uneingeschränkten Parteien-, Presse- und Meinungsfreiheit an der Saar. Wegen des französischen Junktims ("Erst Saarlösung - dann deutsche Souveränität") hatte Adenauer bei den Pariser Konferenzen in dieses im Blitztempo zusammengebastelte Saarabkommen eingewilligt. Das Saarstatut sollte bis zu einem künftigen Friedensvertrag gelten, vorausgesetzt, dass auch die Bevölkerung dem Statut ihren Segen geben würde. Die Kernpunkte des Saarabkommens:

Fortdauer der französisch-saarländischen Wirtschafts- und Währungsunion;

fortschreitende Erweiterung der saarländisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen;

Leitung der Außen- und Verteidigungspolitik der Saar durch einen neutralen europäischen Kommissar;

Aufhebung des Zulassungszwanges für politische Parteien;

endgültige Entscheidung über das Schicksal des Saarlandes durch eine Volksbefragung.

< Wird fortgesetzt.

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