HTW-Professor im Interview „E-Auto nicht mehr mobiles Allheilmittel gegen Klimawandel“

Der Professor der HTW berichtet darüber, dass Fachleute im Saarland mit Wasserstoff-Antrieben neue vielversprechende Lösungen finden wollen.

 Interessiert folgten die Zuhörer den drei Referenten bei ihrer Präsentation innovativer Lösungen in der umweltschonenden Motorentechnologie.

Interessiert folgten die Zuhörer den drei Referenten bei ihrer Präsentation innovativer Lösungen in der umweltschonenden Motorentechnologie.

Foto: a-n

Sind wir im Zusammenhang mit den von Kraftfahrzeugen verursachten Folgen für den Klimawechsel beim bislang fast ausschließlichen Blick auf das CO2, das aus dem Auspuff unserer Autos in die Umwelt verpufft, zu kurz gesprungen?

TIEMANN Diese Einschätzung hört sich zwar etwas plakativ vereinfachend an, sie trifft aber in letzter Konsequenz tatsächlich den Kern der aktuellen Diskussion. Wenn man sich beispielsweise beim Elektroauto darüber freut, dass bei diesen Fahrzeugen aus dem (nicht vorhandenen) Auspuff kein Gramm CO2 entweicht, darf man die Tatsache nicht unberücksichtigt lassen, dass bei der Erzeugung des Stroms für die Ladestationen in Kraftwerken erhebliche CO2-Mengen die Umwelt belasten. Anders sieht es natürlich beim „grünen Strom“ aus Windkraft, Photovoltaik oder Wasserkraft aus. Außerdem sollte man dabei den beim Bau von Batterien zwangsläufig anfallenden Verbrauch von Kupfer, Lithium, Kobald u.s.w. nicht aus den Augen verlieren. Unter dem Strich steht das E-Auto aus meiner Sicht bei Berücksichtigung aller Faktoren inzwischen nicht mehr als mobiles Allheilmittel gegen den Klimawandel da.

Unter dem Druck des Pariser Klimaabkommens mit der darin angestrebten Reduzierung der CO2-Belastung suchen Wissenschaft und Industrie verzweifelt nach Alternativen zum Verbrennungsmotor. Was versprechen uns Autofahrern denn beispielsweise Kfz-Antriebe mit Brennstoffzellen oder Wasserstoff-Lösungen?

 Professor Rüdiger C. Tiemann

Professor Rüdiger C. Tiemann

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TIEMANN Große asiatische Autohersteller wie zum Beispiel Hyundai und Toyota sind bereits mit einer zweiten Generation ihrer Fahrzeuge mit Brennstoffzellen im E-Antrieb auf dem Markt vertreten. Mercedes bietet aktuell auch ein Fahrzeug und Audi sowie BMW folgen 2012/2022. Aber wir im Saarland richten aktuell verstärkt unser Augenmerk darauf, mit Wasserstoff-Antrieben neue vielversprechende Lösungen zu finden. Dazu wurde zum Beispiel im November 1999 die IZES gGmbH als An-Institut der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes gegründet.

Lässt sich die Wirkungsweise eines mit Wasserstoff betriebenen Autos so erklären, dass dies auch einem Nicht-Wissenschaftler gut einleuchtet?

TIEMANN Das will ich gerne versuchen – ist auch gar nicht so schwer. Der Wasserstoffantrieb ist bei uns in Deutschland eigentlich schon fast eine alte Kamelle. Bereits 1860 rollte bei uns das Hippomobil mit einem Vorläufer des Wasserstoffantriebs. Vereinfacht dargestellt wird ein modernes Fahrzeug mit Wasserstoff statt Benzin oder Diesel betankt. Ein sogenannter Elektrolyseur produziert mit Strom den Wasserstoff, so dass sich ein Wasserstoffauto letztlich wie ein E-Auto fast geräuschlos fährt, ohne auf den herkömmlichen Strom aus der Steckdose angewiesen zu sein.

Und wie real ist dieses Bild heute im Saarland?

TIEMANN Das ist sehr real. Ein solches Wasserstoff-Auto kann hier und heute im Veranstaltungsraum besichtigt werden. Und voraussichtlich schon im Sommer dieses Jahres wird im Saarbrücker Innovationscampus die erste solarbetriebene Wasserstofftankstelle ihren Betrieb aufnehmen. Mit einem Durchschnittsverbrauch von etwa fünf Kilogramm Wasserstoff kann so ein Kraftfahrzeug dann rund 500 Kilometer zurücklegen und bezüglich seiner Umweltbilanz die meisten anderen Autos locker in den Schatten stellen.

Gibt es bei uns an der Saar noch weitere automobile Innovationen in Sachen umweltfreundliches Auto?

TIEMANN (lachend) Dazu müssen wir uns nur mal nach draußen in den Regen bewegen. Da steht als Beispiel ein Fahrzeug, das von der Merziger Direct Gas Tec GmbH mit einem bereits zum Patent angemeldeten innovativen Autogassystem ausgerüstet ist, das die CO2-Emissionen im Autogasbetrieb (LPG) um bis zu 15 Prozent reduzieren kann. Nutzern dieser neuen Technologie stehen bereits bundesweit rund 7000 Autogastankstellen zur Verfügung, was wir allerdings von den Wasserstoff-Tankstellen noch lange nicht behaupten können.

Wenn Sie sich demnächst ein Auto anschaffen wollten, auf welche Zukunftstechnologie würden Sie setzen?

TIEMANN Diese Frage habe ich befürchtet. Aber ganz ehrlich – nachdem bei den Chinesen schon ein Schwenk weg von der E-Mobilität zu beobachten ist, und weltweit fieberhaft an der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe für einen umweltschonenden Einsatz von Verbrennungsmotoren gearbeitet wird, würde ich mich aus heutiger Sicht als Normalverdiener und ausgewiesener Vielfahrer wohl nach wie vor für ein Auto mit Diesel- oder Erdgasmotor entscheiden.

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