Nachbarschaftsstreit endet mit Abriss "Immer alles schriftlich fixieren"

Merzig-Wadern. An den Abriss vor wenigen Tagen will die Familie (Name der Redaktion bekannt) gar nicht mehr erinnert werden - zu traurig ist für sie der Anlass. Der Termin, an dem ein Abrisskommando anrollte, um die neue Treppe zu entfernen, wurde zum Trauertag

Merzig-Wadern. An den Abriss vor wenigen Tagen will die Familie (Name der Redaktion bekannt) gar nicht mehr erinnert werden - zu traurig ist für sie der Anlass. Der Termin, an dem ein Abrisskommando anrollte, um die neue Treppe zu entfernen, wurde zum Trauertag. Dem Anlieger, vor ein paar Jahren ins Nachbarhaus eingezogen, war diese Treppe, nahe der Grundstücksgrenze errichtet, ein Dorn im Auge. Seine Forderung: Die Konstruktion muss weg. "Bauen Sie mal, ich guck' mir das an", soll er zu den Bauherren gesagt haben, als sie informiert hatten, die in die Jahre gekommene Holztreppe durch eine Steintreppe zu ersetzen. Seine Antwort sei als Zusage gewertet worden, zumal die Bauherren an gute Nachbarschaft über 30 Jahre gewöhnt gewesen seien, wie sie erzählen. Nur zu gerne habe der Vorbesitzer des Nachbarhauses der Familie erlaubt, eine Holztreppe hochzuziehen. Und - damit die Nachbarn für einen Plausch schneller von einem Grundstück auf das andere huschen konnten - sei noch eine Tür in die Holzwand gebrochen worden. Schriftlich habe man nichts - nur eine mündliche Zusage, die Holztreppe zu bauen. Und auf diese habe man sich verlassen können - drei Jahrzehnte lang. Doch dann wurde das Haus verkauft, der alte Nachbar zog weg. Dessen Nachfolger aber fühlte sich durch die Treppe gestört, rief die Untere Bauaufsicht beim Landratsamt an und beschritten sogar den juristischen Weg. Die Bauherren dagegen fühlen sich gemobbt. "Wir wollten doch nur die hässliche Treppe durch eine neue, schöne ersetzen", sagen sie. Und sie berufen sich auf "Gewohnheitsrecht". Schließlich nutzten sie seit gut 30 Jahren die Treppe zum Garten. Doch das Recht steht auf Seiten der Nachbarn, wie die Richter des Verwaltungsgerichts befanden. Die Herren in der schwarzen Robe urteilten: Die Treppe muss weg. Und das muss die Familie akzeptieren. "Das Recht ist auf Seiten der Leute, die einen Abriss der Treppe fordern", sagt Gerhard Mertes, Abteilungsleiter der Unteren Bauaufsicht. Daher habe seine Behörde tätig werden und den Abriss anordnen müssen. Ohne deren Zustimmung laufe in diesem Fall nichts, da zu nahe an der Grenze. Auf Gewohnheitsrecht könne sich die Familie nicht berufen, da die Treppe neu sei. Anders eine Sanierung, etwa der Austausch maroder Stufen oder ein neuer Farbanstrich. Dagegen hätte niemand etwas einwenden können, da die Holztreppe seit 30 Jahren bestehe. Ein Manko sei auch, dass die Familie nichts schriftlich in Händen habe. Sein Rat: Bei Bauvorhaben den Nachbarn immer unterschreiben lassen. Dabei soll diese schriftliche Fixierung so exakt wie möglich sein. "Wir empfehlen Bauwilligen, sich von uns beraten zu lassen." Was gibt es im Nachbarschaftsrecht zu beachten? Peter Nilles: Vorab eine klarstellende Bemerkung. Die rechtlichen Verhältnisse beurteilen sich nach Baurecht. Baurecht ist Verwaltungsrecht. Es gibt zwar auch ein Baunachbarrecht. Diese Materie darf aber nicht mit dem privatrechtlichen Nachbarrecht verwechselt werden. Beim Nachbarrecht geht es nur um die privatrechtlichen Verhältnisse zwischen Nachbarn. Beim Baurecht geht es zuvorderst um die Einhaltung baupolizeilicher Vorgaben, die im öffentlichen Interesse, heißt Allgemeinwohlinteresse, vom Gesetz aufgestellt werden.Warum gilt nicht das Wort des Nachbarn? Nilles: Im konkreten Fall ging es um die Neuerrichtung der Betontreppe. Dazu gab es nach dem geschilderten Sachverhalt keine eindeutige Aussage des Nachbarn. Dieser hatte sich vielmehr sinngemäß vorbehalten, das Ergebnis zu prüfen. Damit gab es keine Aussage des Nachbarn, die einen Vertrauenstatbestand hätte erzeugen können. Vor Baubeginn wäre es also unerlässlich gewesen, eine schriftliche Zustimmung des Nachbarn einzuholen. An einer solchen schriftlichen Zustimmung hätte sich der Nachbar festhalten lassen müssen.Warum kann man sich nicht auf Gewohnheitsrecht berufen? Nilles: Die Figur des Gewohnheitsrechtes ist im Einzelfall ohne Bedeutung, da es bei rechtlicher Betrachtung nicht um die Frage der Zulässigkeit der alten Holztreppe, sondern um die Frage der Zulassung der neuen Betontreppe ging. Gewohnheitsrecht verlangt immer das ein bestimmter Zustand bereits über lange Jahre existiert. Die Betontreppe ist aber erst vor kurzem errichtet worden.Warum muss die Treppe abgerissen werden, da diese doch auf dem Grundstück der Familie steht, wenn auch nahe der Grundstücksgrenze?Nilles: Die Treppe stand nach dem geschilderten Sachverhalt innerhalb des so genannten Bauwiches. Das heißt innerhalb der grundsätzlich freizuhaltenden Abstandsfläche. In dieser Fläche darf eine bauliche Anlage, wozu auch die Treppe zählt, grundsätzlich nicht errichtet werden. Ausnahmen können im Einzelfall von der Unteren Bauaufsicht unter eng beschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen zugelassen werden.Also kein Ausnahmefall? Nilles: Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalles lagen im Einzelfall nicht vor, ansonsten wäre das Verwaltungsgericht nicht zu dem Schluss gekommen, dass die Treppe beseitigt werden muss. Hier hätte vor allem eine schriftliche Zustimmung des Nachbarn weitergeholfen.Wie weit muss - in diesem Fall eine Treppe - vom Nachbargrundstück entfernt sein, um den Nachbarn nicht um Erlaubnis bitten zu müssen? Nilles: Die Frage lässt sich, so gestellt, nicht beantworten. Die einzuhaltende Abstandsfläche muss einzelfallbezogen errechnet werden und richtet sich, vereinfacht dargestellt, insbesondere nach der Wandhöhe des Gebäudes des Bauherrn. Wenn gebaut werden soll, kommt der Bauherr im Zweifelsfall nicht daran vorbei, die Frage des einzuhaltenden Grenzabstandes von fachmännischer Seite beantworten zu lassen. Dafür ist die Untere Bauaufsichtsbehörde sicherlich eine kompetente Anlaufstelle für den Bauherrn.

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