Ausstellung „Mit dem Farbkasten auf der Lauer“

Merzig · Wer kennt nicht den Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse, der zu den weltweit meist gelesenen Autoren des 20. Jahrhunderts zählt. Aber Maler? Davon wissen nur wenige. Jetzt sind 83 seiner Aquarelle zusammen mit 56 seines Sohnes Bruno im Merziger Museum Schloss Fellenberg zu sehen.

 Hermann Hesse malte in seinem Aquarell am 18. August 1925 Sträucher, Bäume, See und Dorf.

Hermann Hesse malte in seinem Aquarell am 18. August 1925 Sträucher, Bäume, See und Dorf.

Foto: Simon Hesse

Die Farben der Tessiner Landschaft haben nicht nur Hermann Hesse fasziniert. Er hatte den italienischsprachigen Kanton – auf der Alpensüdseite in der „Sonnenstube“ der Schweiz – 1919 zu seiner Wahlheimat gemacht. Auch Bruno, der älteste seiner drei Söhne, die er mit seiner ersten Frau, der Fotografin Maria Bernoulli, hatte, kam so oft wie möglich zum Vater nach Montagnola. Auch, um mit ihm auf Malausflüge zu gehen. Häufig lenkten sie ihr Augenmerk auf das gleiche Motiv. Davon zeugen die insgesamt 139 Bilder, die Simon Hesse, Enkel von Hermann und Sohn von Bruno Hesse, aus dem Familienbesitz ausgesucht und dem Merziger Museum Schloss Fellenberg als Leihgabe zur Verfügung gestellt hat. Es ist das erste Mal, dass beide in einer Ausstellung zu sehen sind. Dass Hermann Hesse einen großen Teil seiner Schaffenskraft auf das Malen verwendet hat, zeigt der Nachlass mit mehr als 3000 Aquarellen aus der Zeit von 1917 bis 1962, dem Jahr seines Todes in Montagnola.

Während es Hermann Hesse sehr auf die Strahlkraft der Farben und ihr Zusammenspiel ankommt, auf expressionistische Farbintensität und Abstraktion, ist sein Sohn detailverliebt. Er legt Wert auf eine naturalistische Wiedergabe. Bruno lernte das Handwerk bei seinem Pflegevater Cuno Amiet, dem sehr bekannten expressionistischen Schweizer Kunstmaler, studierte danach Malerei an der École des Beaux Arts in Genf und an der Académie Julian in Paris. 1941 wuchs der Zuspruch. Vor allem in der Region des Oberaargaus machte er die Landbevölkerung auf seine stimmungsvollen und unverwechselbaren Bilder von Wäldern, Landschaften, Häusern, Gärten, Blumen und Bächen aufmerksam. Sie schätzten seine Treue zum Gegenständlichen, die Behutsamkeit der Farbgebung sowie die Harmonie ausgewogener Proportionen. Im Gegensatz zu seinem Vater beherrschte Bruno viele Darstellungstechniken. Gerne hängen seine Anhänger sich seine Bilder in ihre Häuser.

Hermann Hesse fing erst im Alter von 40 Jahren unter starkem Leidensdruck und auf Anraten seines Psychotherapeuten an zu malen. Der Weg war das Ziel. Mit welchem Fleiß er sich die handwerklichen Fähigkeiten erarbeitete, zeigen aufgefundene Schachteln mit unzähligen Postkarten für Kriegsgefangene, auf deren unbeschriebenen Seiten er die Techniken des Bildaufbaus, der Perspektive und Farbkontrastierung übte. Im Gegensatz zum erlernten Geigenspiel mit zwölf Jahren war Hesse in der Malerei Autodidakt. „Doch angelegt war die Neigung zum bildnerischen Ausdruck schon immer“, sagt Volker Michels, Herausgeber Hesses sämtlicher Werke und seiner Briefe. Noch im Alter von 80 Jahren soll er einem Liverpooler Leser geschrieben haben: „Für mich sind die beiden schönsten Dinge, die ein Mensch tun kann, das Musizieren und das Malen. Ich habe beides nur als Spiel und Dilettant betreiben können, aber es hat mir sehr bei der schwierigen Aufgabe geholfen, das Leben zu bestehen.“ Das Malen war ihm eine „Art von aktiver Kontemplation, von produktivem Ausruhen“, so Michels. Wie in der Literatur suchte Hermann Hesse auch in Malerei und Musik die „poetische Wahrheit“.

 Bruno Hesse hat sein Aquarell vom Oktober 1961 Casa Rossa gennannt.

Bruno Hesse hat sein Aquarell vom Oktober 1961 Casa Rossa gennannt.

Foto: Simon Hesse

Bis 17. November, geöffnet ist dienstags bis sonntags und feiertags von 14 bis 17 Uhr sowie nach vorheriger Anmeldung.

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