Merzig Ein Beruf, bei dem man sich kümmert

Merzig · Alles über das Berufsfeld einer Pflegefachkraft sollten Schüler der Friedrich-Bernhard-Karcher Schule Beckingen und der Eichenlaubschule Weiskirchen an einem Vormittag am Merziger SHG-Klinikum erfahren.

 Ergotherapeutin Karin Schäfer (stehend, grünes Shirt) erzählt den Schülern der Friedrich-Bernhard-Karcher-Schule Beckingen aus dem Arbeitsalltag eines Ergotherapeuten.

Ergotherapeutin Karin Schäfer (stehend, grünes Shirt) erzählt den Schülern der Friedrich-Bernhard-Karcher-Schule Beckingen aus dem Arbeitsalltag eines Ergotherapeuten.

Foto: Martin Trappen

Es sieht auf den ersten Blick wie ein Folterinstrument aus, doch bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es sich lediglich um ein nicht ganz übliches Schneidebrett handelt. Es ist so konstruiert, dass auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen darauf etwa ein Brot schneiden und schmieren oder Gemüse schnippeln können. Dazu sind einige Nägel auf dem Brett angebracht, die verhindern sollen, dass das, was man schneiden möchte, davon rutscht. Unter dem Brett befinden sich zudem Saugnäpfe, sodass das Schneidebrett stets an Ort und Stelle bleibt. Nützlich ist ein solches Utensil etwa für Menschen, die nur eine Hand haben oder anderweitig eingeschränkt sind.

Die Neuntklässler der Friedrich-Bernhard-Karcher-Schule Beckingen haben so etwas noch nicht gesehen, doch eben darum sind sie an diesem Dienstagvormittag hier am SHG-Klinikum in Merzig: um das Berufsfeld Alten- beziehungsweise Krankenpfleger kennenzulernen. Organisiert hatte den Vormittag das Klinikum zusammen mit der Arbeitskammer des Saarlandes. Das Ziel: die Jugendlichen davon zu überzeugen, sich nach ihrem Schulabschluss für einen Beruf in der Pflege zu entscheiden. Neben den Beckinger Schülern waren auch Neuntklässler der Eichenlaubschule Weiskirchen an diesem Vormittag eingeladen.

In der Schule für Ergotherapie stellte Karin Schäfer den Schülern den Beruf des Ergotherapeuten vor. „Ergotherapie hat zum Ziel, Menschen, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind, wieder zu größtmöglicher Selbständigkeit zu verhelfen“, erklärte Schäfer. Um den Schülern einen Eindruck davon zu vermitteln, wie es ist, schon bei ganz einfachen, alltäglichen Handgriffen an seine Grenzen zu stoßen, zeigte sie ihnen Utensilien wie das erwähnte Schneidebrett.

Schäfer führte die Schüler auch durch den Rest der Fachschule. Dabei trafen sie angehende Ergotherapeuten, besichtigten die Küche, die so eingerichtet ist, dass auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen sie ohne Schwierigkeiten benutzen können, und fanden heraus, dass besonders handwerkliches Arbeiten den Patienten oft weiterhelfen kann. So weben manche, andere arbeiten mit Ton oder Holz. Wie man diese Handwerkstechniken in der Ergotherapie richtig einsetzt, auch das wird hier gelehrt.

Den Beruf des Alten- oder Kinderpflegers sowie der Pflegekraft stellte den Schülern an diesem Vormittag Peter Blatt vor. Er leitet die Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe am Merziger SHG-Klinikum. „Die Pflege ist ein kommunikativer Beruf“, machte er den Jugendlichen klar. Pflegearbeit sei außerdem Teamarbeit, nichts für Einzelkämpfer. Aufgabe der Pflege sei es auch, den Patienten dabei zu helfen, mit ihrer Angst umzugehen, erläuterte Blatt. „Pflege ist ein Berührberuf“, erklärte er weiter. „Man muss die Menschen auch dort berühren, wo es einem selbst peinlich ist, und wo es auch den Menschen peinlich sein kann.“

Die Arbeit als Pfleger sei körperlich wie mental sehr anstrengend, mahnt Blatt. Man sei den ganzen Tag auf den Beinen, müsse auch mal mehrere Tage am Stück im Früh- oder Spätdienst arbeiten, habe dafür dann aber auch manchmal mehrere Tage frei. Hinzu komme jedoch, dass Pfleger auch mit schwierigen Situationen umgehen können müssen. So werde man es in dem Beruf immer wieder erleben, das Menschen, zu denen man eine persönliche Beziehung aufgebaut hat, sterben, und man müsse sich dann auch um die trauernden Angehörigen kümmern. Im Gegenzug sei der Beruf gut bezahlt, und Pflegekräfte würden heute wie in Zukunft dringend benötigt. „Ihr werdet nie arbeitslos, dieses Schicksal droht euch nicht“, prophezeite Blatt, der zwar im nächsten Jahr in den Ruhestand geht, aber für den Beruf des Pflegers immer noch brennt, wie er verrät. „Es ist ein Beruf für das Leben, von der Wiege bis zum Grab begleitet man die Menschen.“

Auf dem Weg des Patienten begleitete schließlich Ulrich Kiefer, am Merziger Klinikum verantwortlich für Qualitätsmanagement, die Schüler. Sollte ein Patient nicht vom Hausarzt ins Krankenhaus überwiesen werden, erklärte Kiefer, fängt sein Weg durch das Krankenhaus in der Notaufnahme an. Sollte es besonders schnell gehen müssen, verfügt das Merziger Klinikum über zwei Landeplätze, auf denen Rettungshubschrauber landen können. Merzig fliegen zwei Hubschrauber an, wie Kiefer verriet, Christoph 16 aus Saarbrücken und ein Helikopter aus Luxemburg. Der Patient werde jedoch meist nicht in dem Hubschrauber transportiert, so Kiefer. Dort drinnen sei schlicht nicht genug Platz, als dass sich der Arzt um den Patienten kümmern könnte. Im Hubschrauber sitzt also meistens der Notarzt, der innerhalb von zwölf Minuten vor Ort sein muss. Auch auf eine andere Einschränkung der fliegenden Lebensretter wies Kiefer hin: Die Hubschrauber dürfen nachts nicht fliegen, zu hoch sei die Gefahr, dass der Helikopter in Stromleitungen fliegt und abstürzt. Komme ein Helikopter kurz vor Einbruch der Dunkelheit, müsse der Pilot unter Umständen die Nacht abwarten und erst im Morgengrauen wieder abheben.

Durch die Notfalleinfahrt, die die Krankenwagen anfahren, führte Kiefer die Schüler in den sogenannten Schockraum. Der Name leitet sich daher ab, dass „Schock“ in der Medizin einen lebensbedrohlichen Zustand bezeichnet. Hier werden schwerstverletzte Patienten behandelt, meist Unfallopfer, die unter Umständen in akuter Lebensgefahr schweben. Den Patienten soweit zu stabilisieren, dass er auf die Intensivstation verlegt oder in den Operationsraum gebracht werden kann, ist die Aufgabe des Schockteams. Dieses muss gut vorbereitet sein und schon bereitstehen, wenn der schwerstverletzte Patient eintrifft, damit keine Sekunde verloren geht. Dass ein Verletzter unterwegs in die Notaufnahme ist, muss daher fünf Minuten vor dem Eintreffen angekündigt werden.

Kommt der Patient in der Liegendeinfahrt an, muss alles sehr schnell gehen, erläuterte Kiefer, jede Sekunde zählt, und manchmal müssen unterschiedliche Maßnahmen gleichzeitig erfolgen. Deswegen ist alles sehr genau getaktet, und Ärzte wie Pfleger müssen die Uhr, die über dem Eingang zum Schockraum hängt, immer genau im Blick haben. Dabei dürfen die Lebensretter nicht zögern. „Daher gibt es immer einen Arzt, der genaue Anweisungen gibt, alle anderen folgen exakt seinen Befehlen“, so Kiefer. Die Vitalfunktionen des Patienten werden überwacht, falls nötig wird er beatmet sowie mit Infusionen und Transfusionen stabilisiert. Im benachbarten CT-Raum kann der Patient einer Ganzkörper-Computertomografie unterzogen werden, um genau festzustellen, wie es um seinen Zustand bestellt ist.

Wer nicht in direkter Lebensgefahr schwebt, der kommt in die Triage. Der Begriff stammt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie „sortieren“ oder „aussuchen“. Bei der Triage geht es darum, zu entscheiden, wer am dringendsten ärztliche Hilfe benötigt. Ein Patient, der etwa mit einer offenen Wunde oder einem gebrochenen Bein ins Krankenhaus kommt, wird vorrangig vor jemandem behandelt, der lediglich über Rückenschmerzen klagt. Das Pflegepersonal wirft einen Blick auf die Patienten und schickt die Ärzte zu denen, die am dringendsten Hilfe benötigen. Dabei kann der Andrang und damit der Druck auf das Klinikpersonal sehr schnell ansteigen und wieder abflauen, erläuterte Kiefer. Die Schüler bekamen das auch gleich zu spüren, als sich von jetzt auf gleich viel mehr Menschen durch den Krankenhausflur drängten. „Und das ist jetzt gerade eine Krisensituation, das ist der ganz normale Alltag“, erläuterte Kiefer. Damit alle wichtigen Räume, von der Notaufnahme über den Schockraum, die Triage, die Endoskopie und das Labor bis hin zur Intensivstation immer schnell zu erreichen sind, sind alle wichtigen Stationen auf einer Ebene angebracht und durch zwei parallele, breite Flure verbunden.

Nach der Intensivstation, wo Stationsleiter Hans-Peter Schumacher den Schülern von der Arbeit auf der Station erzählte, hätte eigentlich ein Besuch des Kreißsaals auf dem Programm gestanden. Da dort jedoch gerade eine Frau ihr Kind zur Welt brachte, musste dieser ausfallen. Zum Schluss, die Zeit wurde schon knapp, durften die Schüler noch einen Blick in die Palliativstation des Klinikums werfen. Dort berichtete Pflegeleiter Florian Collmann von der Arbeit mit alten und sterbenskranken Menschen. „Wir arbeiten hier täglich mit Menschen, die unsere Station womöglich nicht mehr lebend verlassen werden“, so Collmann. Die Patienten sollten sich wie zu Hause fühlen. Nach Worten Collmanns stirbt rund die Hälfte der Patienten, die auf der Palliativstation eingeliefert werden. Wichtigste Aufgabe der Pflege ist es daher, dem Patienten so viel Lebensqualität wie möglich zurückzugeben und ihnen das Leid zu nehmen.

 Eine Therapeutin kümmert sich um eine demenzkranke Frau (Symboldbild).

Eine Therapeutin kümmert sich um eine demenzkranke Frau (Symboldbild).

Foto: picture alliance / dpa/David Hecker

Der Vormittag endete für die Neuntklässler aus Weiskirchen und Beckingen in der alten Kantine des Krankenhauses, die heute vornehmlich für Tagungen und Seminare genutzt wird. Hier aßen die Schüler gemeinsam zu Mittag, bevor es für sie wieder mit dem Bus zurück an die Schule ging.

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