„Man möchte vielseitig bleiben“

Merzig · Friedrich von Thun ist Vollblutschauspieler. Aber auch mit Lesungen ist er viel unterwegs. Am Mittwoch, 9. Dezember, 20 Uhr, gastiert er in der Stadthalle Merzig. Mit SZ-Redaktionsmitglied Michael Aubert hat er sich vor der Veranstaltung unterhalten.

 Von Thun gehört zu den bekanntesten Schauspielern. Foto: VA

Von Thun gehört zu den bekanntesten Schauspielern. Foto: VA

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Was machen Sie denn gerade? Sind Sie Zuhause?

Friedrich von Thun: Ja, ich bin Zuhause. Ich habe in zwei Stunden nochmal ein Interview zu meinem neuen Film, der am 22. Dezember läuft, "Das beste aller Leben". Ein bisschen Klappern gehört dazu. Heute Abend bin ich in der Abendschau, wegen einer anderen Lesung, die ich hier mache. Das gehört auch zum Beruf, dass man über die Dinge spricht.

Drehen Sie im Moment noch?

Von Thun: Nein, ich bin abgedreht. Ich mache gerade sehr viel Lesungen. Ich war gerade in Düsseldorf auf einer Lesung mit meiner Jazz-Band, mache viele Weihnachtslesungen und eben die Buddenbrooks.

Ich habe das 750-Seiten-schwere Buch nicht gelesen, wie machen Sie mich neugierig?

Von Thun: Ja, viele Menschen haben wahnsinnig Respekt vor Thomas Mann . Was ich versuche ist, diesen Ausschnitt her zu nehmen und mit Musik so zu gestalten, dass man ihn zu einem weihnachtlichen Ritual macht. Weihnachten ist ja immer das Gleiche. Man kauft Geschenke, bastelt etwas, und wenn man Kinder hat, sitzt man vor einer Tür bis die Glocke ertönt und die Tür aufgeht. Genau das passiert da auch, auf eine ganz wunderbare und überhaupt nicht beängstigende Thomas-Mann-Respekt-Weise. Das ist eine wunderbare, weihnachtliche Einstimmung auf einem guten, literarischen Niveau. Aber nicht anstrengend oder so, dass man Angst davor haben muss.

Warum macht Herr von Thun das? Neben seinen ganzen Fernsehproduktionen und Filmen?

Von Thun: Ich habe ja früher viel Theater gespielt. Dann hab ich neben meinen Dokumentationen und Filme immer viel vor der Kamera gestanden. Die Lesungen sind für mich ein kleiner Schritt zurück auf die Bühne, mit direktem Kontakt zum Publikum. Das ist ein sehr schönes, unmittelbares Erlebnis. Das möchte ich wieder erleben.

Hat Ihnen das gefehlt?

Von Thun: Na ja, was heißt gefehlt, vielleicht ein bisschen, man hat immer eine Sehnsucht nach etwas, was anders ist, als das was man gerade macht. Man möchte vielseitig bleiben. Mit der Musik gelingt uns das sehr schön.

Welche Rolle spielt die Musik bei der Lesung?

Von Thun: Für mich spielt die Musik in Lesungen immer eine wichtige Rolle. Sie soll aber nicht Abwechslung sein, sondern Ergänzung. Sie muss das Gefühl weitertragen. So, dass die Musik unter dem Text geht, ihn quasi unterstützt und dasselbe erzählt. Das macht mir Spaß. Wenn das musikalisch, textlich und inhaltlich stimmt, bekomme ich Gänsehaut.

Sie spielen selbst Saxofon. Haben Sie schon einmal über einen Rollentausch nachgedacht, vielleicht selbst eine Lesung musikalisch zu begleiten?

Von Thun: Also ich bin wirklich ein Dilettant. Beim 30-Jährigen Fest der Jazz-Schule in München haben sie mich gefragt, ob ich moderiere und mir angeboten danach noch zu spielen. Das war ein so tolles Gefühl, weil in meinem Kopf natürlich die Sehnsucht da ist, mit einer super Big Band zu spielen. Aber ich habe schweißnasse Finger gehabt und panische Angst, dass da etwas daneben geht, weil ich ja eigentlich ahnungslos bin - aber begeistert. Nein, dazu langt es nicht.

Was fasziniert Sie am Weihnachtsfest der Buddenbrooks?

Von Thun: Es ist nicht so sehr das Weihnachtsfest der Buddenbrooks, das mich begeistert. Wenn ich diese Geschichte lese, kommen alle meine Weihnachten irgendwie in meine Erinnerung. Für mich klingt sie wie eine Glocke an und stimmt mich auf Weihnachten ein. Damit assoziier ich alle Weihnachten , die ich erlebt habe. Es wird zwar ein großbürgerliches Weihnachten beschrieben, das viele heute nicht mehr so feiern können. Aber im Grunde ist es ja immer dasselbe. Die Erwartungen, die Freude, die Sehnsucht nach Harmonie nach Frieden, nach "einmal bitte nicht streiten", sich eine Freude machen. Das ist eine Ur-Sehnsucht im Menschen. Und diese Geschichte löst das für mich auf eine wunderbare Weise aus.

Das Kapitel beginnt mit den Worten: Die Vorzeichen mehrten sich…

Von Thun: Es geht um den kleinen Hanno. Ein Junge erlebt Weihnachten und beschreibt seine Tanten und Onkeln und was passiert, weil ein Konflikt in der Familie schwelt. Aus der Sicht des Jungen spürt man das alles, ebenso wie die Erwartungen, die Lichter, die Geschenke. Ich finde das wunderbar. Zeitlos.

Was sind denn für Sie die Vorzeichen des Heiligen Abends?

Von Thun: Hier in München scheint heute die Sonne. Man tut sich natürlich leichter wenn es schneit. Aber für mich ist Weihnachten das schönste Fest im Jahr. Ich mag auch nicht das Klagen über den Stress. Das zieh ich mir nicht an. Ich überlege mir gerne was, ich schenke gern. Es erinnert mich auch immer daran, wie es mit meinen Eltern war, in meiner Kindheit, nach der Flucht, das kommt alles hoch.

Jetzt sind Sie selber nicht mehr Kind, sondern Vater und Großvater. Wie hat sich das Weihnachtsfest für Sie verändert?

Von Thun: Gut, früher war das mit meinen Eltern und Geschwistern, heute ist es mit den Kindern und Enkelkindern. Das ist bereichernd und wunderbar. Es ist ein Familienfest geblieben. Nur bin ich eben Großvater. Das ist nicht so unangenehm. Ich schau zu wie die Pakete ausgepackt werden, dann wird etwas zusammengebaut, ich lese Geschichten, dann musizieren wir. Jeder spielt irgendwie halb schrecklich ein Instrument, von quietschenden Blockflöten bis zu Gitarren.

Hat die Musik diesen Abend immer begleitet?

Von Thun: Nein, bei meinen Eltern war das nicht so. Wir haben zwar immer gesungen, "Stille Nacht Heilige Nacht", aber das mit der Musik kam später. Das hat so angefangen, weil wir alle die Musik so mögen. Manchmal ist das eine merkwürdige Situation, aber berührend. Das erfreut die Seele.

Weihnachten mit den Buddenbrooks ist für Sie keine neue Geschichte, Sie lesen schon länger daraus. Was ist Ihre Lieblingsszene?

Von Thun: Dieser Moment, wo sich die Familie an der Hand nimmt und in der Halle, an den Bediensteten vorbei, auf diese große weiße Tür zugeht. Das sind auch meine Kindheitserinnerungen. Wir Kinder mussten auch vor der Tür stehen bis es geläutet hat, der Christbaum hat gestrahlt, sehr klein, sehr bescheiden nach dem Krieg, aber so schön.

Verbindet nicht jeder ähnliche Gedanken und Bilder mit Weihnachten ?

Von Thun: Ja natürlich. Das ist das schöne an diesem Abend. Es ist ja nur ein Anstupsen. In jedem löst es Erinnerungen aus. Das ist ja das Ritual. Man könnte sagen: Mein Gott, man singt jedes Jahr "Stille Nacht, Heilige Nacht", aber diese Wiederholung ist schön. Es ist vertraut und mit Sehnsüchten verbunden, die wir alle in uns tragen.

Steckt hinter diesen zwei Kapiteln eine Botschaft?

Von Thun: Für die Menschen, die einen Glauben haben, steckt da sicher eine Botschaft drin, für die anderen ist es zumindest ein Zusammenrücken. Zusammen sein zu können und dem anderen eine Freude machen. Aber eine Botschaft? Das ist mir zu hoch. Da überlasse ich jedem seine Assoziation.

Haben Sie bei der ganzen Arbeit noch Zeit sich auf Weihnachten einzustimmen?

Von Thun: Das ist immer ein langer Prozess. Was schenke ich wem, wie packe ich es ein und kulminiert in der Frage "Wo sind die Christbaumkugeln?" Jeder ist eifrig bemüht und huscht durchs Haus, alles ist geschäftig und neugierig. Das ist schön.

Wie verbringen Sie den Heiligen Abend?

Von Thun: Mit der Familie, den Kindern und Enkelkindern. Wir kommen alle zusammen. Jeder hat so seine Aufgabe, dann wird der Kamin angezündet, der Baum geschmückt und musiziert. Wir essen an einer langen Tafel, sitzen zusammen, lesen vor oder spielen gemeinsam Spiele. Ich freu mich drauf.

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Zur PersonFriedrich von Thun wurde am 30. Juni 1942 in Kwassitz im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren geboren. Er ist österreichischer Staatsbürger, seine adelige Familie wurde während des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat vertrieben und siedelte nach Österreich über. Seine Film- und Fernsehkarriere begann Anfang der 60er Jahre. Der hochgewachsene Schauspieler hat zahlreiche Rollen in Kino- und Fernsehfilmen sowie Serien besetzt und wurde unter anderem mit dem Bambi sowie dem Bayrischen Fernsehpreis ausgezeichnet. red

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