„Man fängt alle drei Jahre wieder neu an“

Merzig · Das Kreisjugendsinfonieorchester Merzig-Wadern feiert am Samstag mit einem Festkonzert 25-jähriges Bestehen. Gleichzeitig bedeutet das Jubiläum den Abschied der Leiterin des Orchesters, Inge Beducker, die sich nach einem Vierteljahrhundert in den Ruhestand verabschiedet. Im Gespräch mit SZ-Redaktionsmitglied Lars Reusch lässt sie die Zeit Revue passieren und formuliert gleich die Erwartungen an ihren Nachfolger.

 Inge Beducker mit dem Jugendsinfonieorchester des Kreises. Nach 25 Jahren wird sie in den Ruhestand verabschiedet. Foto: Musikschule

Inge Beducker mit dem Jugendsinfonieorchester des Kreises. Nach 25 Jahren wird sie in den Ruhestand verabschiedet. Foto: Musikschule

Foto: Musikschule
 Lang ist's her: Inge Beducker mit jungen Musikerinnen ihres Orchesters im Jahr 1995. Foto: Traudl Brenner

Lang ist's her: Inge Beducker mit jungen Musikerinnen ihres Orchesters im Jahr 1995. Foto: Traudl Brenner

Foto: Traudl Brenner

Sie haben das Kreisjugendsinfonieorchester von Beginn an geleitet. Wie hat das Ganze angefangen?

Inge Beducker: Ich hatte ursprünglich das Schulorchester am Gymnasium am Stefansberg geleitet. 1989 kam dort aber ein neuer Chef, und das klappte nicht mehr. Ein Leben, ohne mit Jugendlichen musikalisch praktisch zu arbeiten, war für mich aber gar nicht vorstellbar. Also ging ich mit der Idee eines Kreisjugendsinfonieorchesters zum damaligen Landrat, der verwies mich an die Musikschule, und dann ging das Ganze los.

Wie wurde das Orchester zu Beginn angenommen?

Beducker: Ich wurde damals gefragt: Haben Sie nicht Angst, dass da keiner kommt? Aber das musste ich eben wagen. Und die Kinder und Jugendlichen kamen in Scharen.

Ist das heute immer noch so?

Beducker: Es ist heute schwieriger. Jetzt haben ja schon die Kinder ab Klasse 7 bis mittags um 15 Uhr Unterricht. Dann kommen sie nach Hause und müssen ihre Aufgaben machen, und dann bleibt für so etwas wie das Orchester natürlich nicht mehr viel Zeit. Zu Hochzeiten hatten wir 50 Mitglieder, jetzt sind es zwischen 25 und 30.

Liegt das vielleicht auch daran, dass sich die Kinder heute weniger für klassische Musik interessieren?

Beducker: Der Teil der Kinder, der ein Interesse an klassischer Musik hat, war ja immer schon relativ klein. Da hat sich nichts geändert, denke ich. Und das ist ja auch immer ein eingefahrener Haufen. Es ist erstaunlich, wie sich etwa die Älteren automatisch um die Jüngeren kümmern. Das fiel mir schon zu Schulzeiten auf. Da standen in den Pausen auf dem Schulhof die Orchestermitglieder zusammen, von Klasse 5 bis 13, und machten ihre Witzchen.

In einem Jugendorchester herrscht altersbedingt ja ein reges Kommen und Gehen.

Beducker: Man kann sagen, dass man mit so einem Jugendorchester alle drei Jahre wieder neu anfängt. Wenn man die Leute so weit hat, wie man möchte, sind sie weg. Man kann also nicht sagen: Wir haben dieses und jenes Programm einstudiert und dann greifen wir uns eines daraus. Nein, dann geht die ganze Arbeit wieder von vorne los.

Ist das nicht frustrierend?

Beducker: Nein, es macht ja auf der anderen Seite Spaß, wenn man sieht, wie die Kinder im Orchester musikalisch heranreifen. Mit Musikern hat man auch immer irgendwie einen anderen Kontakt. Ein Musik-Leistungskurs von mir zum Beispiel, der vor 30 Jahren Abitur gemacht hat, veranstaltet jetzt bald ein Treffen. Da vergeht kein Weihnachten, keine großen Ferien, in denen die nicht anrufen: Hallo, wir sind im Land, wir kommen. Die Musiker, das ist ein besonderer Haufen, eine Familie.

Sie behalten ihre Schützlinge also auch später im Auge?

Beducker: Sicher, ich weiß das alles ganz genau. Viele aus dem Orchester haben den gleichen Werdegang wie ich und sind Schulmusiker geworden. Und es gibt auch ein paar Berufsmusiker . Da habe ich sie aber nicht beeinflusst, heute ein Musikstudium , das ist eine unsichere Sache. Ich rate aber auch nicht ab, ich sage: Die Entscheidung müsst ihr selbst treffen.

Ist es sinnvoll für Kinder, in einem Orchester zu spielen?

Beducker: Auf jeden Fall. Das wird völlig unterschätzt. Das Zusammenspielen vor allem, dass der eine auf den anderen reagieren muss, damit das Ganze zu einer Einheit wird; das ist meiner Ansicht nach sehr wichtig.

Die soziale Komponente ist also entscheidend?

Beducker: Nehmen Sie das Landes-Jugend-Symphonieorchester in Saarbrücken. So gut es sein mag, ich mag es nicht. Bevor das entstand, war allen piepegal, wer wo sitzt. Dann erschien das LJO auf der Bühne und es ging auf einmal los: Wieso sitzt der am ersten Pult und nicht ich? Auch die Eltern kamen: Warum sitzt die denn ein Pult vor meiner Tochter? Das ist nicht Sinn eines Jugendorchesters, dieses Konkurrenzdenken. So eine Atmosphäre möchte ich unter keinen Umständen. Mir geht es ums Musizieren.

Steht das Orchester allen Kindern im Landkreis offen?

Beducker: Es steht allen offen. Drei Jahre Instrumentalunterricht sollten als Voraussetzung gegeben sein. Am Anfang schwimmen die Kinder natürlich, ich werfe die wirklich immer ins kalte Wasser. Ich sage immer: Die ersten drei Monate haben sie sowieso einen Freifahrtsschein, wenn dann der Strich nicht stimmt oder Ähnliches, ist das kein Problem. Und dann wachsen die langsam da rein. Man sitzt auf einmal in so einem Haufen, man hört seinen eigenen Ton nicht mehr, und dann muss man sich irgendwie durchbeißen. Und das gelingt.

Ihr Nachfolger wird Kiril Tsanevski, Geigenlehrer an der Musikschule. Was geben Sie ihm mit auf den Weg?

Beducker: Ich wünsche ihm alles Glück der Welt und viel Erfolg. Und ich wünsche mir, dass es in 25 Jahren heißt: 50 Jahre Kreisjugendsinfonieorchester Merzig . Es wäre für mich natürlich traurig, wenn dieses Orchester irgendwann nicht mehr weiterbesteht. Das ist mein Werk und das sollte gut weiterentwickelt werden. Aus Anlass seines 25- jährigen Bestehens lädt das Kreisjugendsinfonieorchester zu einem Konzertabend für Samstag, 18. Oktober, um 19 Uhr in die Stadthalle in Merzig ein. Unter der Leitung von Inge Beducker, die den Anstoß zur Gründung des Orchesters gab, werden den Gästen Werke von Händel, Haydn und Britten geboten.

Die Geschichte des Orchesters reicht zurück bis Dezember 1989, ein Freitag, an dem sich 40 junge Musiker getroffen haben. Ziel war es, den musikalischen Nachwuchs des Grünen Kreises zu fördern und ihn aus seinem stillen Kämmerlein zu locken.

Die Statistik der vergangenen 25 Jahre belegt eine rege Konzerttätigkeit mit mindestens zwei Konzerten pro Jahr, nebst diversen Kammerauftritten. Erfreulich ist, dass die Leistungen des Orchesters gewachsen sind. Dies ist unter anderem Inge Beducker zu verdanken, die es verstanden hat, trotz der hohen Fluktuation, die ein Jugendorchester naturgemäß mit sich bringt, auch die "Ehemaligen" immer wieder zur Unterstützung zu motivieren.

Das anspruchsvolle Programm des Orchesters zur Feier des 25-jährigen Bestehens kann durch das Mitwirken der "Ehemaligen" umgesetzt werden, welche wieder die vielen Nachwuchstalente unterstützen.

Inge Beducker verabschiedet sich mit diesem Konzert von ihrer ehrenamtlichen Orchestertätigkeit. Mit Kiril Tsanevski, Geigenlehrer der Kreismusikschule Merzig , ist bereits ein Nachfolger gefunden.

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