Kunstprojekt in Merzig Der Garten wird zum Maler-Atelier

Merzig · Mitarbeiter der Werkstätten der Lebenshilfe tauchten bei der Künstlerin Marlene Thiesen in die Welt der Farben ein.

 Die Künstlerin Marlene Thiesen stand ihren Gästen mit Rat und Tat zur Seite.

Die Künstlerin Marlene Thiesen stand ihren Gästen mit Rat und Tat zur Seite.

Foto: Rosi Gruhn

Das Kalenderblatt für den Januar ziert eine Glockenblume in den Farben Blau und Grün. Dem Februar hat Marianne ein freundlich lächelndes Paar spendiert, Markus hat dem Wonnemonat Mai eine schwarze Katze gewidmet, die um ein buntes Haus streift. Mit ihrem Kalender, den die Verantwortlichen der Wohnstätten Rehlingen-Siersburg herausgegeben haben, gewähren  24 Bewohner, allesamt behindert, einen phantasievollen Einblick in die Natur. Und bei der Entscheidung, welche  der Arbeit den Kalender ziert, hatten Rosi Gruhn, Heimleiterin der Wohnstätten Rehlingen-Siersburg, und die Merziger Künstlerin Marlene Thiesen die Qual der Wahl. „Wir haben den Teilnehmern erläutert, dass nicht alle Bilder Platz in dem Kalender finden können“, berichten beide. „Niemand war sauer. Zur Erinnerung an die Nachmittage im Sommer vergangenen Jahres haben viele ihre Bilder eingerahmt und in ihr Zimmer gehängt“, erzählt Rosi Gruhn.

„Normalerweise starten wir mit unseren Leuten in den Ferien zu einem Sommerurlaub, den wir gemeinsam planen“, verrät sie lieb gewordene Gewohnheiten der Gruppe aus den Wohnstätten, die seit 2015 eigenständig mit der  Geschäftsführerin Susanne Gross bestehen und mehr als 40 Jahre das Wohnheim des Tiefkühlherstellers Paulus waren.   Doch im vergangenen Jahr hatte Corona  der Gruppe   einen Strich durch die Rechnung gemacht.   Um der Gruppe, die nach der Insolvenz des Tiefkühlkost-Herstellers in der Werkstätte für Menschen mit Behinderung, das die  Lebenshilfe übernommen hatte,   trotz der eingeschränkten Freizeitangeboten ein paar schöne Stunden zu gewähren, bat Rosi Gruhn nach ihren Worten die Malerin aus der Kreisstadt um Unterstützung.

Kreativ sollte das Angebot sein, abwechslungsreich und in der Natur. „Zum Glück hat Marlene meine Bitte sofort zugestimmt“, sagt die Leiterin der Wohnstätten. Ihre Leute habe sie nicht groß überreden müssen, viele hätten sich sofort zu einer Teilnahme entschlossen – zum „Malen mit Marlene“, wie beide die Veranstaltung überschrieben. Und so hielt der Bus eine Woche lang Tag für die Tag vor dem Haus in der Merchinger Straße 26, in dem die Künstlerin lebt und arbeitet.

Bei schönem Wetter wurde im Garten gemalt. An einer langen Tischreihe im Schatten von Bäumen vertieften sich die Teilnehmer in ihre Arbeiten, Blätter, Pinsel, Farben und Farbstifte in Reichnähe. „Die fertigen Arbeiten wurden an einem Seil aufgehängt, das ich zwischen den Bäumen gespannt hatte“, berichtet sie. Bei Regen und Kälte habe sie „die Werkstatt“ ins Haus verlegt. Statt unter den Bäumen seien die Blätter in den Flur gehängt worden. Einzelne seien am Anfang etwas scheu gewesen.

„Ob es die fremde Umgebung war oder ich, die ihnen als Anleiterin fremd war, vermag ich nicht zu sagen. Doch das Eis war ganz schnell gebrochen“, verrät sie. „Vielleicht war es auch die kleine Aufmerksamkeit, mit denen ich die Leute begrüßt habe.“ Jeder Teilnehmer habe eine Blüte erhalten.

Über die Hilfsbereitschaft der Teilnehmer gerät sie ins Schwärmen. „Die etwas Ängstlichen wurden von ihren Nachbarn dazu animiert, es erneut zu probieren. Es gab gute Tipps, wie was zu verbessern ist“, so wie Leonid. Damit sein Bruder Klaus trotz all seiner Handycapes etwas Bunt-Phantasievolles zu Papier bringen konnte, leistete Leonid ihm beim Entstehen eines Papageis Unterstützung.

Niemand habe sich hervorgetan, niemand habe sich als Bester profilieren wollen. „Es ist eine Gemeinschaft entstanden“, sagt Marlene Thiesen, die als Kunsttherapeutin in der Saarländischen Klinik für Forensische Psychiatrie in Merzig und beim SOS-Kinderdorf in Hilbringen gearbeitet hat. „Sie hat es verstanden, Fähigkeiten aus den Leute herauszukitzeln“, sagt Rosi Gruhn – etwa bei Mateusz. Das Problem des 24-Jährigen: Er könne sich nicht konzentrieren und sei sehr sprunghaft. „Es war mir wichtig, ihn in die Gruppe einzubeziehen und ihm die Chance zu geben, sich zu entfalten“ – ein Angebot, das der junge Mann dankbar angenommen habe. „Ich beobachtete immer wieder das intensive Miteinander der Gruppe, das vielleicht eher Menschen mit Behinderung auszeichnet“, sagt sie.

Rosi Gruhn und Marlene Thiesen charakterisieren die Freizeitgestaltung als „Stunden voller Freude und Lebendigkeit“. Auch die Gruppe habe dies so wahrgenommen. „Eine wiederholung wird geplant“, sagen beide unisono.

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