Jesus als Medienphänomen

Seit 10 Jahren beschäftigen Sie sich mit der Inszenierung von Musicals. Warum nicht Schauspiel oder Gesang gesondert? Kaspar-Hort: Das Faszinierende am Musical ist für mich gerade diese Kombination. Gerade Gesang und Tanz können Ausdruck extremer Emotionen sein. Und darauf bei einem Stoff wie diesem zu verzichten, fände ich schade

Seit 10 Jahren beschäftigen Sie sich mit der Inszenierung von Musicals. Warum nicht Schauspiel oder Gesang gesondert? Kaspar-Hort: Das Faszinierende am Musical ist für mich gerade diese Kombination. Gerade Gesang und Tanz können Ausdruck extremer Emotionen sein. Und darauf bei einem Stoff wie diesem zu verzichten, fände ich schade.Der Stoff: Jesus Christ Superstar, die Jesus-Geschichte aus einem anderen Blickwinkel wahrgenommen. Was macht den Reiz bei diesem Stück aus? Kaspar-Hort: Das ist eine gute Frage, die ich schon oft beantworten musste. Viele halten das Stück für eine Art Hippie-Sandalen-Stück, und Lieder daraus kennen sie eigentlich auch nicht. Klar ist natürlich, dass es vor einem gesellschaftlichen Hintergrund entstanden ist, in denen es größere, oder zumindest andere, kulturelle Spannungen gab als heute. Heute gibt es zum Beispiel keine Jugendbewegung mehr, die gegen bestehende Ordnungen aufbegehrt, dafür umso mehr eine junge Generation, die nach Vorbildern und Orientierung sucht. Ein Aspekt, der allerdings heute noch stärker ausgeprägt ist als 1973 und der genau für diese Vorbildsuche eine Rolle spielt, ist der der Medienkultur.Wie meinen Sie das? Kaspar-Hort: Das beste Beispiel ist gerade aktuell Michael Jackson. Sein Leben und sein Tod waren tragisch genug, trotzdem wird jetzt alles öffentlich auseinandergenommen. So ein Star hat keine ruhige Minute und muss für jede Bewegung Rechenschaft ablegen. Alles wird beobachtet. Das zeigt, dass es in dieser Maschinerie nicht um Personen, sondern um deren Vermarktung geht und dass Massen gezielt mitgezogen und manipuliert werden können. Ist jemand gerade angesagt oder fällt er in Ungnade, das wird doch zum großen Teil von den Medien gesteuert. Und das ist das erschreckende Phänomen, das auch in Jesus Christ Superstar eine große Rolle spielt. In unserer Inszenierung sind Kameras, Handyreporter und Live-Interviews im Theatersaal keine Seltenheit. Aber ich möchte nicht zu viel verraten.Dann machen die neuen Medien einen großen Teil ihrer Inszenierung aus. Woher nehmen Sie die Ideen dafür? Kaspar-Hort: Eigentlich muss man nur mit offenen Augen durch die Welt gehen. Man braucht ein Auge für die aktuelle Jugendkultur, für die Wechselwirkung im Umgang mit den Medien, für Ängste und Nöte in der Gesellschaft. Eine artifizielle Welt steht im Stück im Gegensatz zu den Idealen der Hauptfiguren. Diese Diskrepanz verarbeiten wir an verschiedenen Stellen, zum Beispiel auch in den Kostümen. Im letzten Jahr haben Sie bei der Deutschlandpremiere eines Musicals Regie geführt. Ist es kein großer Unterschied, einen Klassiker wie Jesus Christ Superstar auf die Bühne zu bringen? Kaspar-Hort: Eine gewisse Ehrfurcht hatte ich natürlich schon. Natürlich kann man sich auch an vorangegangenen Inszenierungen orientieren. Aber wie gesagt, ist es auch eine Herausforderung, das Stück wieder etwas aufzuarbeiten und den Bezug zur heutigen Zeit herzustellen. So wird bei Kulissen und Kostümen das Element Graffiti eine Rolle spielen, andererseits wird es auch einen langhaarigen Jesus im Leibchen geben.Im Musical wird die "Liebe" von Maria Magdalena zu Jesus dargestellt. Historisch ist diese Art von Beziehung nicht belegt. Wie stehen Sie dazu? Kaspar-Hort: Ohne jetzt zu religionswissenschaftlich zu werden, kann man sagen, dass die Rolle der Maria Magdalena eigentlich als eine Art Mosaik aus verschiedenen Frauenfiguren im Neuen Testament gesehen werden kann. Da wäre einerseits Maria von Magdala. Sie ist in den Evangelien eine namentlich erwähnte Frau im Gefolge Jesu. Dann gibt es noch die Sünderin aus dem Lukasevangelium, die aber keinen konkreten Namen hat, also auch nicht Maria Magdalena ist. Und außerdem die Ehebrecherin bei Johannes. Während über Maria Magdalena selbst nichts, sagen wir mal, moralisch Anstößiges erwähnt wird, werden die Eigenschaften der letzen beiden wohl auf sie übertragen. Spekulieren, warum das so ist, möchte und kann ich nicht. Fest steht, dass es sich zumindest um eine weit zurückreichende Tradition der Darstellung von Maria Magdalena handelt. Vielleicht wollten die Leute schon immer eine kleine Love-Story in solchen Geschichten sehen. (lacht) Im Stück Jesus Christ Superstar übernimmt Maria Magdalena zusätzlich noch die Rolle einer Art Mutter für Jesus, die sich in den Kopf gesetzt hat, ihn zu beschützen.Das ist ein recht komplexes Bild. Setzen Sie auch besondere Akzente in der Darstellung Jesu oder anderer Personen? Kaspar-Hort: Im Mittelpunkt steht ganz klar Jesus. Das gibt allein die Handlung schon vor. Eine wichtige Rolle kommt gerade in dieser Interpretation des Stoffes auch der Rolle des Judas zu. Während Judas ursprünglich als Verräter gehandelt wird, ist er in Jesus Christ Superstar ein Idealist. Hinter dem Star-Rummel um Jesus, wenn man es so nennen will, sieht er die eigentlichen, die sozialen Ziele der Gruppe verschwinden. An der Verantwortung die er übernehmen muss, scheitert er letztendlich. Komplexe Rollen wie diese und auch die der Maria Magdalena zu spielen, erfordert auch für die Darsteller eine intensive Beschäftigung mit ihrer Rolle. Das ist nicht ganz ohne. Generell kann man sagen, dass alle Figuren sich in einer unglaublichen Massendynamik bewegen, der sie sich nicht entziehen können. Und da wären wir wieder beim Thema. Karten bei allen bekannten Vorverkaufsstellen und unter Telefon (06861) 93 670.

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