„Jeder Euro wäre falsch investiert“

Merzig · Hart ins Gericht geht der Chef des SPD-Stadtverbands Merzig, Manfred Klein, mit dem Grünen-Politiker und Ex-Staatssekretär Klaus Borger (wir berichteten) in Zusammenhang mit dem Aus für die Nordumfahrung.

Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger hatte am Freitag bestätigt, dass die Landesregierung den Neubau der rund drei Kilometer langen Umfahrung für Merzig nicht weiter verfolgen werde (wir berichteten).

"Mit großer Erleichterung" hat der BUND Saar auf diese Entscheidung der Landesregierung reagiert. "Der BUND hatte in der Vergangenheit dieses Verkehrsprojekt mit seinen verschiedenen Trassenvarianten strikt abgelehnt und hätte auch gegen die Nordumfahrung juristische Schritte eingeleitet", stellt der Landesvorsitzende Christoph Hassel gegenüber der SZ klar.

Hassel weiter: "Die Nordumfahrung Merzig wäre ein immenser Eingriff in die Natur und hätte nur eine geringe verkehrliche Entlastung für Merzig bedeutet, die in keinem Verhältnis gestanden hätte zu den Kosten und auch den ökologischen Schäden, die durch den Bau der Straße angerichtet worden wären." So hätte die neue Straße eine breite Schneise in einen für die Wildkatze wichtigen Lebensraum geschlagen. Der BUND habe gerade für dieses Gebiet im Rahmen eines deutschlandweiten Projektes zum Wildkatzenschutz eine hohe Dichte dieser streng geschützten Tierart nachgewiesen, "für die wir im Saarland eine hohe Verantwortung haben", sagt Hassel.

Der BUND-Vorsitzende ist überzeugt: "Jeder Euro aus Landesmitteln für dieses Straßenprojekt wäre eine Fehlinvestition und würde an anderer Stelle auch für verkehrliche Maßnahmen fehlen, die einen weit größeren Nutzen hätten. Wir sind daher sehr erleichtert darüber, dass das Verkehrsministerium unsere ökologisch schwerwiegenden Bedenken gegen die Nordumfahrung teilt und das Projekt nun für beendet erklärt hat." Für den BUND Saar hängen auch die Entwicklungschancen einer Region nicht primär von der Verkehrsanbindung ab. Damit reagiert Hassel auf Kritik aus den betroffenen Kommunen im Kreis Merzig-Wadern, die sich durch den Bau der Nordumfahrung eine bessere Anbindung an den Wirtschaftsraum Luxemburg versprochen hatten.

"Manche Politiker haben gerade so getan, als wäre das Nordsaarland völlig abgeschnitten vom Rest der Welt, was ja nicht so ist", stellt Hassel klar. Das Aus für die Nordumfahrung Merzig öffne "vielleicht jetzt den Blick, wie man die Region wirklich und nachhaltig entwickeln kann, ohne auf neue Straßen zu setzen". Angesichts der Nichtrealisierung der Nordumfahrung fordert die SPD Merzig jetzt eine zügige Umsetzung der geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsflusses im Bereich der Merziger Innenstadt bis zu den Autobahn-Zu- und Abfahrten auf der linken Saarseite. Dabei will der Merziger Stadtverbandsvorsitzende Manfred Klein jetzt "eine umgehende, intensive Prüfung des derzeitigen Bauzeitenplans der Maßnahmen zur Verkehrsertüchtigung in Merzig ".

Die derzeitigen Fertigstellungstermine sowohl der einzelnen Bauabschnitte als auch der Gesamtmaßnahme müssten nochmals auf den Prüfstand und entsprechend vorgezogen werden.

Den ernsten Willen zur Realisierung der Nordumfahrung Merzig will der SPD-Politiker auch der Großen Koalition in Saarbrücken nicht absprechen.

Wenn die Machbarkeit aller Vorschläge und Varianten der geplanten Merziger Nordumfahrung nun geprüft und umfassend bewertet ist, ist nach Meinung der Merziger Sozialdemokraten jetzt ein mutiges "Nein, es geht nicht" ehrlicher und besser als ein Wegducken vor der harten Realität oder ein Hinausschieben der Entscheidung bis nach der nächsten Landtagswahl 2017.

Klein: "Die Karten liegen jetzt auf dem Tisch." Der SPD Stadtverband erwartet von der Landesregierung gerade jetzt für Merzig und die gesamte Region gezielte Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen, die auch intelligente Lösungen für kleinere und abgestimmte Maßnahmen vor Ort beinhalten und in der Summe auch die Verkehrsinfrastruktur der Region nachhaltig verbessern. Die Linksfraktion im Saarländischen Landtag wird das von der Landesregierung verkündete Aus für die Nordsaarlandstraße zum Thema im Verkehrsausschuss machen. Die aus Beckingen stammende verkehrspolitische Sprecherin Dagmar Ensch-Engel erklärt: "Wir wollen jetzt genau wissen, welche Varianten mit welchen Mitteln von wem tatsächlich geprüft worden sind und ob es wirklich keine Chance für eine Strecke mit anderer Trassenführung gibt." Ensch-Engel kritisiert, "dass CDU und SPD den Bürgern seit Jahren die Umsetzung dieser Straße versprechen und nun hilflos zurückrudern". Sowohl SPD als auch CDU hätten in ihren Parteiprogrammen zur Landtagswahl 2012 den Bau der Straße für unverzichtbar erklärt und sich dazu bekannt.

Die Linke fordere weiterhin den Bau der Nordumgehung Merzig im Einklang mit dem Naturschutz , stellt Ensch-Engel klar. Umweltverbände wie BUND und Nabu müssten gehört und es müsse gezielt nach Alternativ-Möglichkeiten gesucht werden. "Die Verkehrsprobleme im Raum Merzig lösen sich nicht von allein", sagte die Abgeordnete. "Eine Verkehrszählung hat ergeben, dass allein zwischen Brotdorf und Hargarten die Zahl der Autos innerhalb von fünf Jahren von 8000 auf 14 000 gestiegen ist. Der Bedarf für die Nordsaarlandstraße ist allein schon deswegen da, weil eine weitere Verlagerung des Verkehrs ins Haustadter Tal nicht hinnehmbar ist." Zu Oppositionszeiten habe die heute zuständige Ministerin dies auch so gesehen, erinnert Ensch-Engel: "2011 hat sie noch voller Inbrunst Äußerungen des (damaligen grünen) Staatssekretärs Grünewald zurückgewiesen, die Nordsaarlandstraße sei nicht finanzierbar und damit nicht zu realisieren." Doch dieses Mal könne sie das Chaos um die Nordumfahrung nicht auf die Jamaika-Koalition schieben. Sie trägt selbst Verantwortung daran." Die Nordsaarlandstraße sei auch von wirtschaftlicher Bedeutung für das Land. Den Kommentar Borgers in der SZ vom Samstag zur Mitteilung der Großen Koalition, dass die seit Jahren versprochene Nordumfahrung Merzig nicht gebaut werde, bezeichnete Klein "schlichtweg eine bodenlose Frechheit". Im Umweltministerium der damaligen Jamaika-Regierung habe Borger als Staatssekretär "mit allen Mittel versucht (auch in der Zeit danach), die Nordumfahrung Merzig zu verhindern".

Dass sich nun "der gleiche Klaus Borger der Bürgerinitiative anbiedert mit ‚gemeinsamen Überlegungen' für Umgestaltungen von Ortsdurchfahrten sowie mit Sprüchen wie ‚Die BI kann einem dann doch leid tun'", bewertet Klein "als eine bodenlose Dreistigkeit".

Der so Gescholtene weist Kleins Äußerung "bodenlose Frechheit" zurück. Seine Äußerungen, schreibt Borger in einer Stellungnahme, "beschreiben exakt die Hintergründe zum Aus für diese Straße, die auch die jetztige Wirtschaftsministerin in ihre Entscheidung einfließen lassen musste". Sie beschrieben aber auch "exakt die Benutzung der BI Nordsaarlandstraße durch exponierte Kommunalpolitiker. Jeder der sich die Zusammensetzung des Vorstandes der BI Nordsaarlandstraße anschaut, erkennt dies sehr schnell." Falsch sei auch Kleins Äußerung, Borgers Darstellungen seien eine bodenlose Frechheit. Borger weiter: "Richtig ist aber, wenn der Merziger Ortsvorsteher ausführt, ich habe während meiner Zeit als Staatssekretär ‚mit allen Mitteln versucht, die Nordumfahrung zu verhindern'. Dies zu tun, war gleich aus mehreren Gründen geradezu zwingend notwendig." Der Grünen-Politiker mit Stadtratsmandat sagt, wieso dies so war: "Ich nahm die Ergebnisse der Untersuchungen der damaligen CDU-Alleinregierung, die sich auch durch Folgeuntersuchungen immer wieder bestätigt haben, sehr ernst. Ich habe meinen Amtseid ernst genommen, denn es ist gerade die Aufgabe eines exponierten Mitgliedes einer Landesregierung, verantwortlich mit Steuergeldern umzugehen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer solchen Straße wäre katastrophal gewesen, und immer wieder sehr teuere Gutachten für ein nicht realisierbares Hirngespinst zu beauftragen, ist nicht verantwortbar."

Borger sagt, er habe die Brotdorfer vor einer Trasse schützen wollen, "die direkt hinter ihren Häusern über den Truppenübungsplatz führen sollte". Im Gegensatz zu Klein seien ihm übergeordnete Naturschutz- und wasserrechtliche Regelungen "nicht nur bekannt, ich versuchte und versuche diese zentralen Aspekte der Daseinsvorsorge in Überlegungen und Entscheidungen mit der entsprechenden Konsequenz einfließen zu lassen." Die Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes bedauert das Aus für die Nordumfahrung Merzig . "Wenn dieser zentrale Abschnitt nicht gebaut wird, steht die Sinnhaftigkeit des gesamten Projektes Nordsaarlandstraße infrage. Das wäre ein schlechtes Signal für die Unternehmen und Bewohner des Hochwaldes, die über die ausgebaute Landstraße besser an die saarländischen Hauptverkehrsachsen A 1 und A 8 angebunden werden", sagte der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen.

Zudem werde die Nicht-Realisierung der Straße auch der weiteren touristischen Entwicklung der Region um den Bostalsee schaden. "Denn gerade überregionale Gäste hätten durch die durchgehende Nordsaarlandstraße eine schnellere und einfachere Anfahrt zum Center Parc."

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