Intensivstation auf vier Rädern

Merzig · Wenn ein Hubschrauber bei einem Rettungseinsatz dabei ist, muss was ganz Schlimmes passiert sein – so ist meist die Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung. Dass dem jedoch nicht so ist, sagen DRK-Kreisgeschäftsführer Michael Hoffmann und Rettungsdienstleiter Ralf Ehm im Gespräch mit SZ-Redaktionsmitglied Sarah Umla. Sie erklären, wie ein Rettungseinsatz abläuft. SZ-Serie, Teil 1.

 Michael Hoffmann Foto: owa

Michael Hoffmann Foto: owa

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Wie ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Merzig-Wadern aufgestellt? Was sind die Aufgaben des DRK?

Michael Hoffmann: Das Deutsche Rote Kreuz ist ein Wohlfahrtsverband. Im Landkreis Merzig-Wadern gibt es 43 Ortsvereine, insgesamt haben wir 100 Mitarbeiter, die im Rettungsdienst tätig sind. Darunter sind ehrenamtliche und hauptamtliche Arbeiter gefasst. Unser Aufgabenspektrum ist groß. Unter anderem beteiligen wir uns am Katastrophenschutz, der Integrationshilfe, betreuen ältere Menschen mit unserem Angebot "Essen auf Rädern". Und leisten Jugendarbeit im Rahmen des deutschen Jugendrotkreuzes sowie der Nachmittagsbetreuung an Ganztagsschulen.

Ralf Ehm: Ein großer Teil unserer Arbeit ist der Rettungsdienst. Insgesamt gibt es sechs Rettungswachen im Landkreis: Merzig, Wadern, Losheim, Mettlach, Perl und Erbringen. Die Wache in Erbringen ist aber nicht dem DRK, sondern der privaten Firma Frisch unterstellt.

Was muss der Rettungsdienst beim Notfalleinsatz beachten?

Ehm: Der Rettungsdienst muss sich an das saarländischen Rettungsdienstgesetz halten. Auf einem Rettungswagen müssen zwei Personen sitzen. Es muss ein Rettungsassistent sein, bei uns ist die zweite Person ein Rettungssanitäter . Der Rettungsassistent übernimmt, da er höher qualifiziert ist als der Rettungssanitäter , die ärztliche Leitung. Der ärztliche Leiter verbindet zum Beispiel nicht nur die Wunde eines Patienten , sondern darf auch Medikamente verabreichen.

Wie lange darf es dauern, bis die Rettungskräfte am Einsatzort eintreffen?

Ehm: Gesetzlich ist eine Hilfsfrist von zwölf Minuten festgehalten. Diese Hilfsfrist umfasst den Zeitraum vom Eingang der Notfallmeldung bis zum Eintreffen am Einsatzort. Das gilt natürlich nicht, wenn sich dieser irgendwo im Wald befindet. Es muss schon ein öffentlicher Platz oder eine Straße sein. Im Wald wird zum Beispiel mehr Zeit gestattet.

Wie sieht ein typischer Einsatz des DRK aus?

Ehm: Die Alarmierung läuft über SMS. Wir haben zusätzlich im Rettungswagen ein Display, auf dem der Notfall angezeigt wird. Ein Navigationssystem führt unsere Einsatzkräfte direkt zum Unfall- oder Notfallort. Dort wird der Patient dann je nach Krankheitsbild oder Unfallsituation versorgt. Akute Herzinfarkte sowie internistische und neurologische Einsätze machen 75 Prozent der Notfallversorgung aus.

Hoffmann: Man stellt sich zwar unter Rettungsdienst immer Blaulicht und Verkehrsunfälle vor, aber das ist nicht das Gros der Einsätze. Es gibt bestimmte Verhaltensanweisungen und Standards, wie bestimmte Krankheitsbilder zu behandeln sind.

Wie muss ein Rettungsassistent beispielsweise bei einem Herzinfarkt vorgehen?

Ehm: Wir müssen Diagnostik und Therapie unterscheiden. Die gesamte Diagnostik läuft am Einsatzort ab. Es wird sich zunächst nach den Beschwerden des Patienten erkundigt und anschließend Puls und Blutdruck gemessen. Der Patient bekommt ein EKG gemacht, und wenn nötig, wird er mit Sauerstoff versorgt. Wenn sich dabei herausstellt, dass der Patient einen Herzinfarkt erlitten hat, muss man auch die zuständige Klinik benachrichtigen. Wenn zum Beispiel ein Herzkatheter gelegt werden muss, wird der Notfallpatient meist in die Elisabeth-Klinik nach Saarlouis gebracht. Generell entscheidet der Rettungsdienst, in welche Klinik der Patient eingeliefert wird. Ein Rettungseinsatz kann auch mal 20 Minuten am Einsatzort dauern, denn der Patient muss stabilisiert werden, bevor er in eine Klinik eingeliefert werden kann. Anwohner wundern sich da häufig, wieso wir so lange da stehen, das ist aber alles nur der Sicherheit des Patienten wegen.

Hoffmann: Es muss trotzdem alles recht schnell ablaufen. Wir haben beim Herzinfarkt ein Zeitfenster von 90 Minuten, denn innerhalb dieser Zeit sind noch kein irreparablen Schäden am Herzen eingetreten.

Ehm: Bei Unfällen soll eine Stunde eingehalten werden - von der Alarmierung bis zur Einlieferung des Patienten in die Klinik. Wenn jemand in ein Fahrzeug eingeklemmt ist, klappt das leider mit unserer so genannten Golden Hour, der einen Stunde, nicht.

Man hört oft von Rettungseinsätzen mit Hubschraubern. Ist der Unfall dann schlimmer als andere Einsätze?

Hoffmann: Nein, in der Wahrnehmung in der Bevölkerung ist es immer so: Wenn es ganz, ganz schlimm ist, kommt der Hubschrauber . Das ist falsch. Die Grundidee des Hubschraubers ist eigentlich die schnelle Zubringung des Notarztes. Der Hubschrauber kann aber nicht überall eingesetzt werden. Das ist vom Wetter und der Tageszeit abhängig.

Wie viele Einsätze fährt das DRK Merzig-Wadern im Jahr? Gibt es Zeiten im Jahr, in denen es besonders viele Vorfälle gibt?

Ehm: Wir haben etwa 24 000 Einsätze im Jahr. Darunter sind neben der Notfallrettung, die rund 12 500 Einsätze umfasst, aber auch etwa 11 000 Krankentransporte gefasst. Man kann grundsätzlich nicht sagen, dass es pro Nacht zum Beispiel zehn Einsätze gibt. Das unterscheidet sich von Tag zu Tag.

Hoffmann: Wenn die ersten drei schönen Sommerwochen im Jahr sind und die Motorradsaison startet, das merken wir schon deutlich. Dann häufen sich die Motorradunfälle.

Was ist der Unterschied zwischen einem Kranken- und einem Rettungswagen?

Hoffmann: Der Krankenwagen ist für alle Nicht-Notfall-Patienten. Da ist zum Beispiel ein älterer Herr, der muss zur Untersuchung zum Hausarzt. Das DRK bringt ihn dann mit einem Krankentransportwagen dorthin. Natürlich sind die Fahrzeuge aber auch so ausgerüstet, dass sie unvermittelt einen Notfall versorgen könnten.

Ehm: Ein Rettungswagen ist hingegen aufgebaut wie eine Intensivstation . Dort können Brustkorbdrainagen gelegt werden und kleinere Eingriffe vorgenommen werden. Das ist in einem Krankentransportwagen nicht möglich. Dort können nur Erste-Hilfe-Maßnahmen erfolgen. Für die medizinische Behandlung braucht man den Rettungswagen oder eben den Notarzt. Das Notarzteinsatzfahrzeug kann jedoch aufgrund der Wagengröße keinen Patienten transportieren.

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Ralf Ehm Foto: Umla

 Ralf Ehm Foto: Umla

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HintergrundWie funktioniert der Rettungsdienst in unserem Landkreis? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Rettungsdienstes? Wie verläuft der Alltag auf einer Rettungswache? Diesen Fragen geht die SZ in einer Kurzserie nach. Zum Auftakt sprechen wir mit den Verantwortlichen beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), das die Mehrzahl der Rettungswachen im Landkreis betreibt, über die Grundlagen des Rettungsdienstwesens. sum

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