B-Werk in Besseringen Vom Westwall-Bunker zum Mahnmal

Merzig · In Besseringen gibt es eine einzigartige Bunkeranlage. Sie gehörte zu den größten Bauten des Westwalls. Und ist als einzige ihres Typs vom Bau her original erhalten. Man kann sie auch besichtigen.

 Diesen Schlafraum im Westwall-Bunker in Besseringen teilten sich zwei Offiziere.

Diesen Schlafraum im Westwall-Bunker in Besseringen teilten sich zwei Offiziere.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Es ist eine gewaltige Bunkeranlage, die unter einer Anhöhe bei Merzig-Besseringen in der Erde liegt. 44 Räume, über drei Geschosse verteilt. Bis zu 90 Soldaten waren dort im Zweiten Weltkrieg im Einsatz. Es ist ein einmaliges Denkmal: „Dieses ‚B-Werk’ des einstigen Westwalls ist das einzige, das in seiner originalen Bausubstanz mit allen Waffenkuppeln bis heute erhalten ist“, sagt der Vorsitzende des Vereins für Heimatkunde Merzig, Egon Scholl. Der Verein ist im Auftrag der Stadt Merzig für das „B-Werk“, das inzwischen ein Museum ist, seit 2002 zuständig.

Die rund 630 Kilometer lange Verteidigungsanlage „Westwall“ war im Auftrag von Adolf Hitler zwischen 1938 und 1940 erbaut worden: Sie erstreckte sich von der niederländischen bis zur Schweizer Grenze. Der Westwall zählte bis zu 18 000 Bunker, davon waren nur 32 „B-Werke“. Sie zeichneten sich neben ihrer Größe durch die Dicke ihren Betonmauern von 1,50 Metern aus, sagt Scholl (82). Und: „B-Werke“ lagen immer an Orten, die die Wehrmacht als „strategisch wichtig“ ansahen.

Von der Bunkerdecke konnte man weit ins Gebiet des einstigen „Erbfeindes“ Frankreich hineinschauen – Luftlinie sieben Kilometer. Den besten Blick hatte man von einer stählernen Beobachtungsglocke aus, die noch original aus der Erde ragt. „Darunter saßen Beobachter mit Fernrohren“, sagt Martin Lang (28), zweiter Vorsitzender des Vereins. Gleich daneben sieht man die zwei Panzertürme, aus denen mit Maschinengewehren gefeuert wurde, und eine Granatwerferkuppel.

„Dies hier ist ein Mahnmal gegen Krieg und Gewalt“, betont Scholl. „Wir wollen an diesen hässlichen Weltkrieg erinnern und mahnen, dass so etwas nicht wieder vorkommt.“ Lang öffnet die schwere 1,10 Meter hohe Tür zum Bunker und weist darauf hin, dass man direkt dahinter eine Falltür überschreitet. Rechts liegt die Entgiftungsnische, in der Soldaten sich nach einem Giftgasangriff reinigen sollten. Die Dusche ist die einzige im gesamten Gebäude, in dem es für die Soldaten nur kaltes Wasser gab.

„Alles hier wurde gemacht, um möglichst viele Menschen zu töten. B-Werke waren Tötungsmaschinen“, sagt Scholl. Seit 1980 steht die Bunkeranlage im Saarland unter Denkmalschutz. Nach und nach richtet der Verein die Räume wieder so her, wie sie einst laut Unterlagen ausgesehen haben: Die Küche mit Vorratsraum, in dem Säcke aus den Beständen der Wehrmacht lagern und Regale voller Dosen stehen. Oder einen Raum für Stabsoffiziere: Hier waren Wände tapetenartig bemalt und es gab ein eigenes Waschbecken – mit warmem Wasser.

Im Sanitätsraum konnten bis zu vier Verletzte versorgt werden. 30 Telefonleitungen verbanden den Bunker mit der Außenwelt. „Theoretisch hätte man von hier direkt mit dem Führerhauptquartier sprechen können“, sagt Scholl. Im Munitionsraum wurden mehrere hunderttausend Schuss Munition in bis unter die Decke gestapelten Kisten gelagert. Es gab auch einen „Festungsflammenwerfer FN“: Dieser konnte 90 Sekunden lang einen Feuerstrahl von 40 Metern ausstoßen, um Angreifer des Bunkers abzuwehren. „Eine ganz besonders grausame Waffe“, meint Scholl.

Den Bunker, heute in der Nähe eines Verkehrskreisels, können Interessierte zwischen April und September immer sonntags und Feiertags besuchen. Zig Tausende Gäste seien bereits gekommen, auch aus dem Ausland bis aus Australien und den USA.

Die noch intakten Anlagen des Westwalls seien im Saarland alle geschützt, sagt Rainer Knauf vom Landesdenkmalamt in Saarbrücken. Im Saarland gebe es „den umfänglichsten Bestand von Westwall-Anlagen überhaupt“: Man gehe von 800 bis 850 Bunkeranlagen aus. Grund dafür: Die Franzosen hätten damals mit Rücksicht auf die Bevölkerung darauf verzichtet, die Anlagen zu sprengen, sagt er. An der Saar gibt es insgesamt rund 5000 Baudenkmäler – vom Bunker über Kirchen bis zum Wegekreuz. Plus zahlreiche Bodendenkmäler.

Das „B-Werk“ sei von Ende 1939 bis nach Hitlers Frankreichfeldzug im März 1940 besetzt gewesen. Auch anschließend blieb die Anlage voll bewaffnet: Ein Wartungstrupp war stets vor Ort. Als die amerikanischen Soldaten im März 1945 anrückten, wurde der Bunker dann kampflos geräumt. Danach wurde der Bunker „komplett leergeräumt“, wie Lang sagt. Besatzer, Bürger, Häuslebauer und Schrotthändler schleppten den größten Teil der Inneneinrichtung fort.

Manche Ausstellungsstücke seien original und nach Irrwegen wieder in den Bunker zurückgekommen, viele andere, vor allem Waffen und Lebensmittel, sind täuschend echte Nachbildungen. Echte Wandmalereien – beispielsweise ein Stahlhelm mit dem Motiv „Schutz und Trutz für Deutschland“ – sind laut Scholl „eine ganz große Seltenheit“.

„Wir sind an dem Punkt, wo aus erlebter Geschichte nur noch erzählte Geschichte wird“, sagt Gymnasiallehrer Lang zu seiner Arbeit am Bunker. „In den nächsten Jahren werden die letzten Zeitzeugen verschwunden sein: Und dann muss man sich auf das verlassen, was bis dahin gesammelt wurde.“

 Martin Lang (links) und Egon Scholl vom Verein für Heimatkunde Merzig kümmern sich um den Erhalt des B-Werks. 

Martin Lang (links) und Egon Scholl vom Verein für Heimatkunde Merzig kümmern sich um den Erhalt des B-Werks. 

Foto: dpa/Oliver Dietze
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