Immer mehr Menschen kommen: Derzeit versorgen die Helfer der Merziger Tafel rund 650 Bedürftige

Merzig · Rund 65 Ehrenamtliche helfen derzeit bei der Merziger Tafel mit, sie holen Lebensmittel ab, sortieren und lagern sie und helfen bei der Ausgabe. Jede Woche kommen mehr Kunden hinzu, darunter auch viele Flüchtlinge.

 Montags und freitags hat die Merziger Tafel geöffnet. Hier ein Teil der Helfer, die regelmäßig im Einsatz sind. Foto: Ruth fehr

Montags und freitags hat die Merziger Tafel geöffnet. Hier ein Teil der Helfer, die regelmäßig im Einsatz sind. Foto: Ruth fehr

Foto: Ruth fehr

Zig Laibe Brot, ein Berg von Bananen , Schokoküsse. In den Regalen stapeln sich die Lebensmittel, säuberlich sortiert. Der gesamte Raum ist mit Leckereien gefüllt. Es mutet an wie ein kleines Schlaraffenland. Dabei sind alle diese Lebensmittel streng genommen Müll. Knapp eine Stunde zuvor. In der Merziger Tafel herrscht Hochbetrieb. Am späten Freitagvormittag laden die Fahrer die Wagen aus, in denen sie Waren von Geschäften und Spendern abgeholt haben. Mitarbeiter vor Ort sortieren die Lebensmittel und stapeln sie in den Regalen, die den Raum ausfüllen. Es ist eine bunte Mischung von Menschen, die hier zusammenkommen, um zu helfen. Ein junger Kerl mit Irokesenschnitt arbeitet Hand in Hand mit betagten Damen, syrische Flüchtlinge packen ebenso an wie der SR3-Wetterfrosch Wolfgang Daeges.

65 Ehrenamtliche helfen montags und freitags aus, erklärt Frank Paqué, Leiter der Merziger Tafel. Gemeinsam versorgen sie etwa 375 Haushalte, das entspricht 650 Personen. Tendenz steigend. Bei jeder Ausgabe kämen neue Kunden hinzu, derzeit auch viele Flüchtlinge , sagt Paqué. Der 53-Jährige betont: "Wir können keine Strukturen ändern." Die Armut der Menschen wird durch die Tafeln nicht gelindert. "Aber wir versuchen, die Lebensumstände der Menschen punktuell zu verbessern und kleine Freuden zu verbreiten."

Aus der kleinen Küche dringt Gelächter. Hier, im sogenannten Sozialraum, kommen alle Helfer zu kleinen Pausen und nach getaner Arbeit beisammen. Manche bringen Kuchen mit, die Ehrenamtlichen können sich Brötchen schmieren und Kaffee trinken. Einige ältere Damen sitzen am Tisch, vor sich Tassen mit dampfendem Kaffee . "Hier gibt es viele Gespräche, auch über Probleme", erklärt Paqué. Die Uhr zeigt halb zwei. Bald kommen die ersten Menschen, um ein paar Lebensmittel zu bekommen. "Die Kunden haben feste Nummern und werden danach aufgerufen. Wer zu spät kommt, muss bis zum Schluss warten", erklärt Paqué. Die Tafel hat an zwei Tagen in der Woche geöffnet, montags und freitags. An einem Tag bekommen die Menschen mit einer geraden Nummer Lebensmittel, am anderen diejenigen mit einer ungeraden Nummer. "So können wir die Menschen zumindest ein Mal in der Woche bedienen", sagt Paqué und spricht die Hoffnung aus, dass seine Kunden dadurch entlastet werden. "Wenn eine Mutter ihrem Kind dann auch mal eine Kugel Eis in der Eisdiele kaufen kann, so wie alle anderen Mütter auch, dann haben wir alles richtig gemacht."

Die Helfer, die die Lebensmittel verteilen, nehmen ihre Plätze vor den Regalen ein. Wie viel Essen die Menschen bekommen, hängt von der Anzahl der zu versorgenden Personen ab. Paqué erklärt: Ein-Personen-Haushalte bekommen eine Portion, Zwei-Personen-Haushalte zwei Portionen und bei drei und mehr Personen gibt es drei Portionen. Pro Portion bezahlen die Kunden 1,50 Euro. Wie groß eine Portion ist, hängt von dem ab, was die Tafel anbieten kann. Gibt es beispielsweise an diesem Tag sehr viele Bananen , kommen auch mehr Bananen auf eine Portion.

Die Merziger Tafel fährt ein Nullgeschäft. Zu den Einnahmen zählen lediglich die Eigenbeiträge der Kunden und Spenden. Davon müssen Miete, Fahrzeuge, Versicherungen, Putzfrauen, Hygieneartikel und die Entsorgung von verdorbenen Lebensmitteln bezahlt werden. "Wir leben von der großen Zahl von Freiwilligen", sagt Frank Paqué. Dazu gehören nicht nur die Ehrenamtlichen vor Ort, sondern auch Vereine, Organisationen und Schulen, die mit ganz unterschiedlichen Atkionen Geld und haltbare Lebensmittel sammeln.

Weitere Hilfe bieten die Landesverbände, zu denen sich die Tafeln innerhalb des Bundesverbandes zusammengeschlossen haben. Seit etwas mehr als einem Jahr gibt es so auch den Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland. Dieser bietet allen Tafeln eine gemeinsame Informations- und Bezugsquelle, sagt Paqué. Wenn sich eine Firma mit einer Großspende an den Verband wendet, können die Produkte von dort aus an die Tafeln verteilt werden. Demnach muss die Firma nur eine Stelle kontaktieren und Waren können nach Bedarf der Tafeln gleichmäßig verteilt werden. Auf diesem Weg kamen kürzlich auch einige Paletten Milchreis nach Merzig . Der Milchreis lagert mit anderen haltbaren Lebensmittel in einem Nebenraum der Ausgabestelle. Auch diese Kisten voller Nudeln, Reis und Frühstücksflocken kommen nach und nach zu den Menschen, die sich Lebensmittel im Geschäft kaum leisten können. Die Beifahrertür des Lieferwagens knallt zu. Julian Roberts stöckelt auf die Merziger Tafel zu. Klack, klack, hallt es über den Hof. Seine Schicht für heute ist beendet. Gemeinsam mit einem weiteren Helfer hat er Lebensmittel bei Geschäften abgeholt, damit diese an bedürftige Menschen verteilt werden können.

Roberts steuert auf eine Gruppe Männer zu, sie unterhalten sich. "Auch wenn anfangs ein paar über Julian gelächelt haben - heute duldet niemand mehr, dass jemand etwas gegen ihn sagt", erzählt Frank Paqué und schaut zu der Gruppe. Julian Roberts fällt auf. Mit seinen hohen Schuhen, aber auch mit seiner kurzen Jeans, unter der er eine dunkelgrüne Leggings trägt. Bereits seit seiner Jugend trage er gerne hohe Schuhe, aus Angst aber lange Zeit nur heimlich. Bis er sich eines Tages fragte, warum er nicht das macht, was ihm Freude bereitet. "Letztes Jahr kurz vor Weihnachten nahm ich all meinen Mut zusammen und ging mit hohen Absätzen in die Stadt. Diese Schritte gaben mir Kraft", erzählt Roberts. Ab und an habe er einen schrägen Spruch zu hören bekommen, aber auch viele positive Worte. Bei der Post, im Schuhladen und bei den Geschäften, an denen er Lebensmittel für die Tafel abholt.

Seit Februar ist er nun Beifahrer für die Einrichtung. "Mit Absatz an den Füßen." Eine Bedingung gibt es: Aus hygienischen Gründen müssen die Schuhe geschlossen sein.

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Hintergrund Lebensmittel bekommt die Merziger Tafel hauptsächlich von Geschäften. "Das ist eine Win-Win-Situation", erklärt Leiter Frank Paqué. Die Geschäfte müssen aussortierte Ware nicht mehr kostenpflichtig entsorgen und die Tafel kann die meist noch guten Lebensmittel an Bedürftige weitergeben. Etwa 45 Geschäfte unterstützen die Tafel und werfen momentan auch genügend Ware ab. Die Geschäfte per Gesetz zu zwingen, verfallene Lebensmittel abzugeben, lehnt Paqué hingegen ab. In Frankreich müssen Supermärkte ein Abkommen mit einer Hilfsorganisation treffen, die aussortierte Lebensmittel an Bedürftige verteilen kann. "Wenn aber die Geschäfte etwas abgeben müssen, werden sie enger kalkulieren", fürchtet Paqué. "Soziales Engagement kann kein Zwang sein", resümiert Paqué. rfe

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