Neues Projekt von Henriette Nashville nennt sie ihre musikalische Heimat

„Dream Boy“ heißt das erste Album der Musicaldarstellerin, das die gebürtige Merzigerin in den USA aufgenommen hat.

 Mit Hingabe singt die gebürtige Merzigerin ihre Lieder ein.

Mit Hingabe singt die gebürtige Merzigerin ihre Lieder ein.

Foto: Allen Clark

Haben Sie Ihren Besuch in Nashville genossen?

HENRIETTE Oh ja, sehr! Die Menschen in Nashville sind sehr aufgeschlossen, man kommt direkt ins Gespräch, fühlt sich angenommen, wird zu einer Hausparty oder zu einem Gig (Konzert) eingeladen, das ist toll, gerade, wenn man alleine unterwegs ist. Die Stadt ist gar nicht so groß, wie man denkt, innerhalb von zwei Wochen hat man einen guten Überblick. Musik gibt es an jeder Ecke – und das ist tatsächlich kein Klischee. Live-Musik in den Bars und Cafés (teilweise sogar schon morgens ab 10 Uhr bis spät in die Nacht, vor allem downtown), jeder Zweite spielt ein Instrument, singt und schreibt Songs, geht man etwas essen oder trinken, ist garantiert am Nachbartisch ein Gespräch übers Tonstudio oder über das neue Album zu hören. Es ist wie ein unsichtbares, kreatives Netzwerk, das über der Stadt liegt und in das man sich „einloggen“ kann. Das ist sehr besonders!

Was war Ihr schönstes Erlebnis in den USA?

 Henriette posiert vor einem  Schild von Nashville. Hier tauchte die gebürtige Merzigerin ganz in die Welt der Musik ein.

Henriette posiert vor einem  Schild von Nashville. Hier tauchte die gebürtige Merzigerin ganz in die Welt der Musik ein.

Foto: Allen Clark

HENRIETTE Puh, das ist schwer zu sagen. Eines meiner Highlights war sicherlich, als ich das Angebot bekommen habe, mein Album dort aufzunehmen. Das war ein bisschen wie ein Ritterschlag und es hat eine Zeitlang gedauert, bis ich es überhaupt begriffen hatte. Genauso toll war es, mit meiner eigenen Musik in Nashville aufzutreten oder auch vor Ort neue Songs zu schreiben. In Nashville ist es gang und gäbe, dass man sich zu Zweit/Dritt/Viert zu einer so genannten Songwriting Session trifft und schreibt. Natürlich schreibt man auch alleine, ganz oft aber im Paar oder in der Gruppe. Das war eine Wahnsinnserfahrung, sehr inspirierend und lehrreich. Generell hatte ich das Gefühl, in Nashville eine Art Auslandssemester zu machen, ohne zur Uni zu gehen.

Welche Erlebnisse bleiben ebenfalls unvergessen?

HENRIETTE Ich konnte sehr, sehr viel lernen, egal, wen man dort trifft oder sieht – jeder ist talentiert, jeder singt und spielt gut, jedes Konzert ist der Hammer, egal, ob im Wohnzimmer oder in der Grand Ole Opry – jeder sitzt auf dem gleichen Pferd, versucht kreativ zu sein und etwas in die Welt zu geben. Fast ein bisschen Angst einflößend, wenn nicht alle so offen und locker wären, dass man das alles nach den ersten paar Tönen vergisst. Etwas Magisches sind auch die Glühwürmchen, die in der Dämmerung im Juni/Juli auftauchen. Da hat man abends das Gefühl, man befände sich in einem Märchen.

Werden Sie dem Musical jetzt „untreu“?

HENRIETTE Was mich an dem Theater reizt, ist, dass man in andere Rollen schlüpfen kann. Mit meiner eigenen Musik geht es genau um die andere Seite der Medaille. Keine Rolle, nur ich, Henriette pur, mit den Dingen, die mich beschäftigen oder die ich in die Welt hinausgeben möchte. Songs geschrieben habe ich schon immer, den ersten Song über die Titanic, als ich neun war. Ich würde daher nicht sagen, dass ich dem Theater untreu werde, sondern eher, dass ich anderen, kreativen Flüssen treu werde.

Wie hat sich die Chance eröffnet?

HENRIETTE Ganz ehrlich – ich habe keinen blassen Schimmer, das war pures Glück. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich bin letztes Jahr nach Nashville geflogen, weil ich für eine Weile in das Herz der Country Music eintauchen wollte. Der Plan war, danach hier in Deutschland ein Album aufzunehmen, die Jahre zuvor hatte ich viele Songs geschrieben und mich intensiv mit dieser Musik beschäftigt.

Kam die Chance durch die Songwriting Session, bei der man auf Sie aufmerksam wurde?

HENRIETTE In der ersten Woche stand ich in Nashville auf dem Broadway, dehydriert zwischen Junggesellenabschieden bei 35 Grad Hitze und dachte: „So, und was jetzt?“ Ich kannte ja dort niemanden. Der Einzige, der ein paar Kontakte hatte und den ich ein bisschen kannte, war Ian Fisher, ein Singer/Songwriter, den ich mal in Berlin bei einem Casting getroffen hatte. Den fragte ich, ob er jemanden in Nashville kennt, mit dem ich Musik machen kann. Daraufhin empfahl der mir James (einen meiner Produzenten), der zum Glück gerade in der Stadt war. Wir trafen uns, ich zeigte ihm ein paar meiner Songs, wir verstanden uns gut und verabredeten uns daher zu einer Songwriting Session. Die lief so gut, dass er mir Jay, mein anderer Produzent, empfahl und wir uns zu Dritt zu einer erneuten Songwriting Session trafen und direkt auch ein Demoband aufnahmen. Danach bekam ich das Angebot. Natürlich klang das alles so irre und verrückt, dass ich, zurück in Berlin, erstmal zig Leute um Rat bat, die schon viel länger im Business sind als ich und sich 100 Mal besser auskennen. Aber alle sahen das Angebot als gut und fair an und so beschloss ich, diese Chance wahrzunehmen und das Projekt „Nashville“ zu wagen. Sonst würde ich es garantiert mein ganzes Leben bereuen und mich fragen, was wohl passiert wäre. Jetzt weiß ich es!

Welche Stücke nehmen Sie auf, und welchen Titel trägt Ihre erste Single?

HENRIETTE Das Album ist eine EP (extended play) und hat fünf Titel. Die erste Single, die man davon zu hören bekommen wird, ist „Dream Boy“. Es ist ein Song darüber, sich gegenseitig in der Liebe seinen Freiraum und seine Träume zu lassen, Aufwind statt Abwind zu sein - ein Ticket zum Sternegreifen sozusagen. „Dream Boy“ wird im Spätsommer, Anfang bis Mitte September, erscheinen. Wer ihn live erleben möchte: Ich bin vom 15. August bis 27.Oktober im Wintergarten Berlin als Solistin bei der neuen Show „Woodstock“ engagiert und präsentiere im Rahmen dieser Show auch meine erste Single.

Werden Sie jetzt öfter in den USA sein?

HENRIETTE Das hat mich meine Mutter auch schon gefragt! Die schnelle Antwort: Ja, ich glaube schon. Allerdings bleibe ich Berlin natürlich treu und werde weiterhin hier wohnen, Nashville wird aber meine musikalische Heimat sein, zu der ich alle paar Monate für ein paar Tage oder Wochen aufbreche. So der jetzige Plan.

Welches ist Ihr Lieblingssong von Johnny Cash?

HENRIETTE Johnny Cash, I love him! Es gibt in Nashville ein Museum ganz allein über ihn, sehr liebevoll gemacht mit allen möglichen Dingen - seine Instrumente, Original-Liedtexte, Kostüme, sein Angelschein aus Deutschland, Briefe. Ganz am Schluss sieht man seinen Lieblingsstuhl, auf dem er immer gesessen hat, und den Originalkamin aus seinem Haus, das 2007 abgebrannt ist, danach folgt sein letztes Gedicht an Ehefrau June, die vor ihm verstorben ist. Zu all diesen Eindrücken läuft der Song „Hurt“. Das verabreicht einem jede Menge Gänsehaut und ist seither einer meiner Johnny-Cash-Lieblinge.

Wer inspirierte Sie noch?

HENRIETTE Weitere Künstler, die mich inspiriert haben, sind Dolly Parton, die Dixie Chicks, Bob Dylan, Sheryl Crow, The Band Perry, Miranda Lambert, The Civil Wars, Maddie and Tae, Taylor Swift, Cam. Die Liste ist lang und bewegt sich durch alle Bereiche: Folk, Bluegrass, Country, Americana, Pop, Rock, die Verbindung zwischen den einzelnen – oft lässt sich das Genre gar nicht wirklich bestimmen.

Seit wann mögen Sie diese Musikrichtung?

HENRIETTE Mit sechs Jahren hörte ich zum ersten Mal bei einer Freundin Musik von der Kelly Family, die sich wie ein Blitz in meinem Herzen einquartierte. Ich bettelte meine Mutter an, endlich die Kassette zu bekommen. Sie wollte erst nicht, da sie dachte, ich verstehe sowieso nichts, war ja alles englisch. Doch ich gab nicht nach und bekam endlich das Tape. Das war die Geburtsstunde meiner Herzensmusik.

Warum mögen Sie diese Musikrichtung?

HENRIETTE Das Warum ist schwer zu beantworten, es hat mich einfach gepackt. Der Freigeist, die Ehrlichkeit und Purheit – als wenn die ganze Welt ein Lagerfeuer ist, um das man herumsitzt und sich Geschichten erzählt, von Herz zu Herz, eine instinktive Poesie, die jede Emotion in jeder Lebenssituation kennt. Das macht diese Musik für mich einzigartig.

Warum nennen Sie sich jetzt nur noch Henriette?

HENRIETTE Das hat zwei Gründe: Ich trete nicht nur in Deutschland mit meiner Musik auf. Schreiner ist somit für alle Nicht-Deutsch-sprachigen sehr schwer zu behalten und auszusprechen. In den USA war ich zum Beispiel bei Auftritten einfach nur Henriette, das hat mir gut gefallen, (den Amis übrigens auch) und war zudem auch sehr individuell. Da ich von Herz zu Herz singe, wollte ich mir keinen Künstlernamen zulegen, sondern einfach Henriette sein. Pur, echt, simpel, ohne Filter. So haben meine Eltern mich genannt und das bin ich. Wenn die Leute ein Album kaufen, auf dem „Henriette“ drauf steht, ist auch „Henriette“ drin.

Welche Projekt gehen Sie als nächstes an?

HENRIETTE Im Berliner Wintergarten Varieté haben gerade die Proben für die Show „Woodstock“ begonnen. Ich bin als eine von fünf Solistinnen engagiert worden.

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