Grundbildungszentrum steht vor dem Aus

Merzig · Das Grundbildungszentrum der VHS Merzig-Wadern soll denen helfen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen haben. Erst im Herbst 2014 eröffnet, steht es jetzt vor dem Aus. Die SZ hat nachgefragt.

Das Grundbildungszentrum der VHS Merzig-Wadern steht nach eigenen Angaben kurz vor der Schließung. Erst im Herbst 2014 wurde das Zentrum eröffnet. Es ist mit seinen Offenen Lerntreffs eine Anlauf- und Beratungsstelle für alle, die Probleme mit dem Lesen , Schreiben und auch dem alltäglichen Rechnen haben.

Jetzt hat das Saar-Bildungsministerium nur rund 8600 Euro für das laufende Jahr zugesagt. "Viel zu wenig", meint VHS-Geschäftsführerin Ulrike Heidenreich. Bisher habe die VHS bis Juli diesen Jahres bereits 44 000 Euro in die elf Offenen Lerntreffs im Landkreis Merzig-Wadern investiert. Hierbei handle es sich um die angefallenen Dozenten-Honorare und die damit verbundenen Fahrtkosten. Organisation und Verwaltung der Kurse leiste die VHS "komplett ehrenamtlich", sagt Heidenreich. Insgesamt gehe man von 4400 Unterrichtsstunden in diesem Jahr aus. Jede Kurseinheit wird durch das Bildungsministerium mit 20 Euro gefördert. Nach Hochrechnungen der VHS entspricht das einem Förderbetrag von 88 000 Euro .

Kosten, die das Ministerium nicht zahlen will. Die diesjährige Fördersumme orientiere sich an den finanzierten Unterrichtsstunden des vergangenen Jahres, heißt es vom Ministerium auf SZ-Anfrage: "2014 hatte die VHS lediglich 77 Unterrichtsstunden im Bereich Alphabetisierung nachgewiesen." Maximal werde eine Verdreifachung der Vorjahresunterrichtsstunden finanziert, das habe das Ministerium bereits im März den Grundbildungszentren im Saarland mitgeteilt. Die gewünschte Fördersumme des VHS-Grundbildungszentrum Merzig-Wadern würde eine Erhöhung um das 62-Fache bedeuten. Heidenreich spricht hingegen von 677 Alphabetisierungsstunden - die Zahl umfasse neben den Offenen Lerntreffs auch die normalen Alphabetisierungskurse, an denen verpflichtend teilgenommen werden muss - sowie Ausgaben von 17 540 Euro .

Die neuen Entwicklungen sind für sie eine eher "unschöne Überraschung": "Wir haben dem Bildungsministerium schon frühzeitig erklärt, dass die Offenen Lerntreffs gut ankommen und die Kosten deutlich steigen werden", sagt Heidenreich. Das Ministerium habe abgewunken und meist mit "Das wird schon passen" Hoffnung gemacht. "Wir wären bereit, einen Teil der Kosten auch selbst zu tragen, aber alleine ohne ausreichend finanzielle Unterstützung können wir das nicht stemmen", sagt die VHS-Geschäftsführerin. Es sei schade, dass das Grundbildungszentrum unter diesen Umständen schließen müsse.

Das Publikum der Offenen Lerntreffs sei bunt gemischt. Vor allem Flüchtlinge und Migranten, die schon länger in Deutschland leben und noch nicht der deutschen Sprache mächtig seien, würden die unverbindlichen Kursen nutzen, um Deutsch zu lernen, aber auch deutsche Erwachsene, die Probleme mit dem Schreiben und Lesen haben, nehmen teil. "Der Unterricht stellt vor allem eine Chance für Flüchtlinge dar, da sie so schnell wie möglich die Sprache erlernen und mit Menschen in Kontakt kommen können", erläutert Heidenreich. Denn bevor Flüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, bleibt ihnen der Zutritt zu anerkannten Deutschkursen verwehrt. Auch ein schulisches Projekt für Flüchtlingskinder habe die VHS an der Gemeinschaftsschule in Beckingen geschaffen. In der Bevölkerung komme das Angebot gut an, so Heidenreich.

Mehr als ein halbes Jahr nach Projektstart seien die Förderkritierien nachträglich verändert worden. "Flüchtlinge und Zuwanderer, die die deutsche Sprache lernen möchten, werden jetzt von der Förderung ausgeschlossen", sagt Heidenreich. Auch der VHS-Vorsitzende Dirk Dillschneider bedauert die aktuelle Situation: "Das niederschwellige und für alle buchstäblich ,offene' Angebot der Lerntreffs ist so nicht mehr aufrechtzuhalten." Die Landrätin des Landkreises Merzig-Wadern, Daniela Schlegel-Friedrich, hat auch ihre Unterstützung zugesagt. Sie stehe bereits "in einem intensiven Dialog mit der Landesregierung."

Mit den anderen neun saarländischen Grundbildungszentren gebe es keine Probleme in Sachen Förderung, teilt das Ministerium der SZ mit. "Die VHS Merzig-Wadern hat ganz offensichtlich die Flüchtlingshilfe mit der Förderung von Analphabeten in Deutschland verwechselt." Für die Erst-Integration von Flüchtlingen sei das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig.

Meinung:
Eine faire Chance

Von SZ-RedaktionsmitgliedSarah Umla

Das VHS-Grundbildungszentrum Merzig-Wadern ist mit seinen Offenen Lerntreffs ein Paradebeispiel dafür, wie Integration im Saarland aussehen kann. Doch jetzt steht die Zukunft dieser Einrichtung auf der Kippe. Knapp ein Jahr nach der Eröffnung ist kein Geld mehr da. Eine Überlebenschance hat das Bildungszentrum nicht mehr, nachdem das Land die finanzielle Unterstützung zusammengestrichen hat. Aus eigener Kraft wird die VHS die Kosten nicht tragen können. Zumindest die Hälfte der Auslagen sollte das Saar-Bildungsministerium decken, damit das Zentrum überleben kann. Statt dies zu erkennen, versteckt sich das Ministerium hinter Belehrungen und Kritiken. Plötzlich hat das einst hochgelobte Bildungszentrum seine Aufgabe verfehlt, weil es sich mehr auf Integration als auf Alphabetisierung konzentriert hat. Flüchtlinge und Migranten werden so ausgeschlossen. Das Wort "offen" hat im Bildungsministerium scheinbar eine andere Bedeutung.

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