Urteil im Amtsgericht Nach Hetzjagd auf Schwule im Merziger Kaufland verhängen Richter Freiheitsstrafen

Merzig · Vorbestrafte Gewalttäter haben in Merzig zwei Männer beleidigt, verfolgt und angegriffen. Für die mittlerweile vier Jahre zurückliegende Tat sollen die Angreifer jetzt zahlen.

 Die beiden verurteilten Angreifer während eines Aufmarsches der rechtsextremen Kameradschaft Sturmdivision Saar: rechts der Haupttäter aus Merzig, neben ihm der aus Saarlouis stammende Mittäter.

Die beiden verurteilten Angreifer während eines Aufmarsches der rechtsextremen Kameradschaft Sturmdivision Saar: rechts der Haupttäter aus Merzig, neben ihm der aus Saarlouis stammende Mittäter.

Foto: Kai Schwerdt

Sie wollten nur mal eben ein paar Besorgungen machen, brauchten Lebensmittel für daheim. Nichts Besonderes. Doch aus dem eigentlich unspektakulären Einkauf wurde eine mehr als bedrohliche Situation. Und das nur deswegen, weil die zwei Männer ein Paar sind.

Staatsanwältin und Richter sprechen von Hetzjagd

So sprach am Dienstag (19. März) nicht nur die Staatsanwältin während ihres Plädoyers am Merziger Amtsgericht von Hetzjagd auf die Opfer. Der Richter wiederholte dies in seiner Urteilsbegründung. Für ihn steht am Ende der Verhandlung fest: Die beiden vorbestraften Männer sind schuldig. Das Urteil: Freiheitsstrafen, Schmerzensgeld sowie soziale Arbeitsstunden für die beiden 32 Jahre alten Täter.

Bekennender Neonazi

Was war an jenem Februartag 2015 nach Darstellung der Betroffenen sowie nach Überzeugung des Gerichts passiert? Das schwule Paar war gegen 17.30 Uhr im Merziger Kaufland unterwegs und packte seinen Einkaufswagen. Nahe der Kühltheken traf einer der Provokateure auf die beiden. Der ihnen Unbekannte trug zu jenem Zeitpunkt eine Bomberjacke mit dem Emblem der im Raum Saarlouis aktiven, rechtsextremen Kameradschaft Sturmdivision Saar. Ihm fiel auf, dass die Kunden homosexuell sind. Das war ihm zuwider und sprach einen von ihnen derb auf dessen sexuelle Orientierung an. Dieser leugnete aus reinem Selbstschutz, während sein Partner den Einkaufswagen zur Sicherheit weiterschob.

Haupttäter: Vergasen und Genitalien abschneiden

Der jetzt Verurteilte ließ sich davon nicht beirren, beleidigte sie im Geschäft lautstark als „Schwuchteln“. Ihr Lebensstil sei „eklig“. „Euch müsste man vergasen“, schrie er hinterher. Und: Am liebsten würde er ihnen die Genitalien abschneiden. Andere Kunden bekamen das aggressive Verhalten mit – schritten jedoch nicht ein.

Opfer ergreifen in Panik die Flucht

Als das Männerpaar bezahlt hatte, trafen sie am Ausgang auf den jetzt mitangeklagten Komplizen. Die Beiden verfolgten ihre Opfer bis zu deren Auto, beleidigten sie weiter. Zu guter Letzt stieß der Mann aus dem Geschäft einen der beiden Schwulen gegen dessen Fahrzeug. Die Attackierten wussten sich vor lauter Panik keinen anderen Rat, als sich sofort in den Wagen zu setzen, den Einkaufswagen einfach stehen zu lassen und zu flüchten.

Angeklagte entschuldigen sich

Vier Jahre später mussten sich jetzt die Täter vor dem Amtsgericht verantworten. Der Hauptangeklagte, der dem Paar im Laden aufgelauert hatte, ist vorbestraft. Wegen Körperverletzung stand bereits sein gleichaltriger, aus Saarlouis stammender Kompagnon vor dem Kadi. Vor dem Richterspruch entschuldigten sich beide bei ihren Opfern.

Jede Menge auf dem Kerbholz

Die Urteile wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung im Einzelnen: Der Merziger Haupttäter, ein auch mit Tätowierungen bekennender Neonazi, erhielt eine achtmonatige Bewährungsstrafe. An die heute mittlerweile 29 Jahre alten Opfer muss er 400 Euro Schmerzensgeld zahlen. Außerdem wurden ihm 100 gemeinnützige Arbeitsstunden aufgebrummt. Er war zudem wegen Fahrens ohne Führerschein und Schwarzfahrens verurteilt worden. Er akzeptierte noch im Gericht das Urteil.

Berufung angekündigt

Sein Mittäter kam etwas milder davon: wegen Beihilfe sechs Monate Freiheitsstrafe. Auch diese werden auf Bewährung ausgesetzt. Beim Schmerzensgeld blieb es beim selben Strafmaß. Zudem soll er 80 unentgeltliche Arbeitsstunden soll er leisten. Sein Anwalt kündigte mittlerweile Berufung an, wie ein Gerichtssprecher auf Nachfrage mitteilt.

Prozess jahrelang immer wieder verschoben

Immer wieder war der Prozess in den vergangenen Jahren verschoben worden. Entweder sollte zuerst ein psychiatrisches Gutachten zum Zustand des Hauptangeklagten erstellt werden. Davon war aber jetzt keine Rede mehr. Oder Zeugen erschienen nicht.

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