Wälder im Kreis Merzig-Wadern Der alte Konflikt: Wald vor Wild?

Merzig · Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald setzt auf gezielten Abschuss von Wild, um von ihr betreute Wälder vor Verbiss zu schützen.

 Ein idyllischer Anblick: Rotwild in Weiskirchen, fotografiert im Wild- und Wanderpark. Aber die Rotwild-Population bereitet Waldbesitzern Sorge, sie beklagen starke Wildschäden durch Verbiss und fordern unter anderem vermehrten Abschuss durch die Jägerschaft.

Ein idyllischer Anblick: Rotwild in Weiskirchen, fotografiert im Wild- und Wanderpark. Aber die Rotwild-Population bereitet Waldbesitzern Sorge, sie beklagen starke Wildschäden durch Verbiss und fordern unter anderem vermehrten Abschuss durch die Jägerschaft.

Foto: Dieter Ackermann

Wenn der Vorsitzende der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Saar-Hochwald, Klaus Borger, über Ziele und Aufgaben seiner Gemeinschaft referiert, dann kommt über kurz oder lang ein Konfliktfeld zur Sprache, das ihm seit Jahren den massiven Widerspruch der Vereinigung der Jäger des Saarlandes (VJS) als Vertretung der mit Abstand meisten Jäger an der Saar einbringt.

Mit Begriffen wie „Waldschutzjagd“ oder der Prämisse, bei den Schalenwild-Abschüssen im Forst größeres Interesse auf die Zahl als auf die Auswahl des Wildes (jung oder alt – männlich oder weiblich) zu legen, konnte und kann er sich des daraus resultierenden Widerspruchs nicht nur der VJS sicher sein. Bei der Rundfahrt durch einige von der FBG betreute Waldgebiete konnte sich Borger auf solche Vorhaltungen ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. „Man muss ja manchmal Dinge etwas zuspitzen, überzeichnen, wenn man in der Sache etwas erreichen will!“, findet der Mann, der sich auch politisch bei den Grünen engagiert. Immerhin teilte der FBG-Vorsitzende die Überzeugung, dass ein gesunder Wald ohne Wild nicht dem Ideal entspricht, für das sich früher die alten Förster mit ihren Forsten als intakte Lebensräume für Fauna und Flora eingesetzt hatten. Borger: „Aber die Zeiten haben sich geändert!“

Immer wieder verwies er bei unserer Revierfahrt auf Verbiss- und Fegestellen, mit denen im Saarland nach seiner Darstellung insbesondere Reh- und Rotwild Bäume schädigen: „Rotwild kann mit dem Schälen von Rinde Bäume zum Absterben verurteilen, und Rehwild erreicht dasselbe durch das Abbeißen von Terminaltrieben junger Bäume.“ Frage an Borger: „Muss es nicht das Ziel eines Försters oder Jägers sein, mit einem wohl durchdachten Schalenwildabschuss für einen dem jeweiligen Forst angepassten Wildbestand zu sorgen, der solche Schäden auf ein verträgliches Minimum reduziert?“ „Eigentlich ja“, räumte der FBG-Vorsitzende ein, „aber nach meiner Erfahrung interessieren sich die meisten Jäger praktisch nur für ihr Wild – viel Rehwild verspricht starke Bocktrophäen, und bei viel Rotwild winken mächtige Hirschgeweihe – die Waldschäden fallen dann entsprechend aus.“

Welchen Rat hat die FBG in dieser Situation parat? Borger sieht eine Chance, die Bäume vor dem Wild zu schützen, im durchdachten, aber kostspieligen Zaunbau. Bei Weiskirchen zeigte er eine geteilte Waldfläche: Rechts ein alter Fichtenbestand, weitgehend ohne buschigen Unterwuchs. Links ebenfalls hohe Fichten, darunter aber junge Weißtannen und viele Laubgehölze – alle um die zwei Meter groß. Borger verwies hier auf die stehengeblieben Pfosten eines alten Zaunes, mit dem zuvor rund zehn Jahre lang der Baumnachwuchs vor den Äsern des Wildes geschützt worden war. Der FBG-Vorsitzende: „Sobald die jungen Bäume groß genug sind, kann auf den Zaun verzichtet werden.“ Aber der Zaunbau zum Schutz des Waldes sei teuer. Der jeweilige Waldbesitzer müsse mit Kosten von rund 6000 Euro pro Hektar rechnen. Borger: „Und mit solchen Kosten werden unsere Waldbesitzer weitgehend allein gelassen, auch in Zeiten, wenn wie aktuell die Holzernte kaum noch Ertrag bringt.“

Eine andere Chance, die Bäume des Waldes vor dem Wild zu schützen, präsentierte Borger im Waldgut Jungenwald bei Brotdorf. Auf dieser rund 143 Hektar großen Fläche, die der FBG-Vorsitzende für den heutigen Besitzer jagdlich betreut, habe er auf einen anderen Lösungsansatz gesetzt. „Hier haben mein Vater und ich erst mal die Keule ausgepackt. Wir haben das vorhandene Rehwild, das von den vorherigen Jagd-Pächtern nicht zuletzt mit großen Fütterungen verwöhnt worden war, radikal bejagt. Und ich meine, wir haben diesen Wildbestand nach dem Grundsatz ‚Zahl vor Wahl’ wirklich konsequent reduziert. Das Ergebnis können die Waldbesucher heute Tag für Tag bestaunen.“ Dieser massive Abschuss habe dem Waldbesitzer bisher jeglichen Zaunbau erspart.

Borger weiter: „Wir bejagen unser Wild hier jährlich nur zwischen dem 1. Mai und dem 1. Juni sowie zwischen dem 1. September und dem 30. November – und das ausschließlich in verbissgefährdeten Bereichen, wo bei zu viel Wild die natürliche Waldverjüngung bedroht wäre.“ Stolz verwies er wiederholt darauf, dass im Jungenwald tatsächlich keine Zäune zum Schutz der Bäume stehen. Und gelegentlich bewiesen Rehfährten im Schnee, dass es in dem Jungenwald tatsächlich noch Wild gibt. Im Durchschnitt würden hier pro Jahr 15 bis 20 Rehe erlegt – „ich genieße meine Rehbraten über die Maßen“. Gleichzeitig interpretiert Borger seinen Umgang mit verbissverursachenden Wildtieren als wichtigen Beitrag zur Erreichung der waldbaulichen Ziele.

 Die Forstbetriebsgemeinschaft setzt nach den Worten ihres Vorsitzenden Borger auf die Schaffung naturnaher Mischwälder, um die Zukunft der Wälder in ihrer Zuständigkeit zu sichern.

Die Forstbetriebsgemeinschaft setzt nach den Worten ihres Vorsitzenden Borger auf die Schaffung naturnaher Mischwälder, um die Zukunft der Wälder in ihrer Zuständigkeit zu sichern.

Foto: Dieter Ackermann
 Beispiel für einen Wildschaden: Wildverbiss an einem Eichenstockausschlag.

Beispiel für einen Wildschaden: Wildverbiss an einem Eichenstockausschlag.

Foto: eb
 Klaus Borger

Klaus Borger

Foto: Klaus Borger

Der FBG-Vorsitzende resümierte zum Schluss der mehrstündigen Rundfahrt: „Eine Entnahme von Wildtieren findet hier nicht aus tradiertem jagdlichen Interesse statt, sie ist dagegen nicht mehr als ein bewährtes Mittel, um unsere waldbaulichen Ziele zu erreichen. Entnommen werden übrigens nur Schalenwildarten. Alle anderen Wildtiere, die als jagdbare Arten gelten wie zum Beispiel Fuchs, Hase, Marder oder Ringeltaube genießen bei uns seit 15 Jahren absoluten Schutz.“

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