Fachgeschäfte befürchten Umsatzverluste

Merzig · Die Stadt Merzig will die geplante Ansiedlung von Fach- und Discountmärkten auf einer Fläche in der Merziger Rieffstraße weiter vorantreiben. Allerdings weicht die Stadt von dem bisher eingeschlagenen Planungsweg ab: Statt weiter den konkreten Antrag der Projektentwicklungs-Gesellschaft UBG Immobilien Consulting aus Leonberg in den Gremien diskutieren zu lassen, will die Stadt nun einen Bebauungsplan für das entsprechende Areal erstellen und erst im Zuge dieses Planungsverfahrens festlegen, welche Waren-Sortimente auf dem Gebiet zulässig sind. Der Stadtrat folgte in seiner jüngsten Sitzung einem entsprechenden Antrag der Verwaltung bei drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung mit großer Mehrheit (die SZ berichtete kurz).

 Auf diesem Gelände sollen die Fach- und Discountmärkte entstehen. Fotos: Ruppenthal/SZ

Auf diesem Gelände sollen die Fach- und Discountmärkte entstehen. Fotos: Ruppenthal/SZ

Genau die Frage der zulässigen Warensortimente hatte seit Bekanntwerden der Ansiedlungspläne durch die UBG Ende 2015 für viele Diskussionen und Kritik gesorgt, insbesondere unter den Gewerbetreibenden aus der Innenstadt. Die UBG hatte in ihrem ursprünglichen Bauantrag unter anderem ein Schuhgeschäft, eine Apotheke sowie einen Drogeriemarkt der Marke Müller vorgesehen. Das sehr breite Warensortiment der Müller-Märkte enthält unter anderem auch Spielzeug. Insbesondere gegen die Warengruppen Schuhe , Lederwaren und Spielzeug hatte der Merziger Verein für Handel und Gewerbe (VHG) mobil gemacht. Dies seien innenstadtrelevante Sortimente. Sollten diese künftig in der Rieffstraße zusätzlich angeboten werden, könnte das bei den Fachgeschäften in der Innenstadt Umsatzverluste hervorrufen, die manch einen Geschäfts-Inhaber in eine existenzbedrohende Situation bringen könnten.

In der Stadtratssitzung ging Bürgermeister Marcus Hoffeld (CDU ) nochmals auf die Chronologie der Rieffstraßen-Ansiedlung ein. Hoffeld wies darauf hin, dass der VHG frühzeitig gegenüber der Stadt seine ablehnende Haltung bezüglich bestimmter Sortimentsgruppen (Schuhe , Lederwaren, Spielwaren ) deutlich gemacht hatte. Daraufhin habe die Stadt mit dem Antragssteller UBG erneut verhandelt und auch eine Einigung erzielt: Die UBG änderte ihren Antrag dahingehend ab, dass keine der kritisierten Warensortimente mehr in den neuen Märkten angeboten werden sollen. Doch dann habe der VHG plötzlich kund getan, dass jetzt die Ansiedlung als Ganzes abgelehnt werde. Hoffeld: "Hätten wir das von Anfang an gewusst, hätten wir die Verhandlungen anders geführt."

Die Stadt habe sich daher dazu entschlossen, das Planungsverfahren anders aufzuziehen: Nun soll ein Bebauungsplan ohne jedwede Vorgabe von irgendwelchen Warensortimenten erarbeitet werden. Im Zuge dieses Planungsverfahrens soll dann erst, unter Einbindung aller relevanten Stellen und lokaler Interessengruppen, festgelegt werden, welche Warensortimente in den neuen Märkten verkauft werden. Der Investor UBG sei mit diesem Vorgehen einverstanden und habe seinen Antrag aus dem November 2015 vor wenigen Wochen entsprechend überarbeitet. Bei der Erstellung des neuen bebauungsplanes sollen unter anderem der VHG und auch die Landesplanung mit eingebunden werden. Neben der Fläche, auf denen UBG neue Läden errichten will, soll zudem ein Geamtkonzept für die Rieffstraße erstellt werden, denn dort gebe es weitere unbebaute Flächen, auf denen Gewerbeansiedlungen möglich seien. Erst nach Festlegung der Entwicklungsstrategie soll das Bebauungsplanverfahren für das Fachmarkt-Zentrum weitergeführt werden. Ziel sei es, das Verfahren Ende 2016 abzuschließen.

Trotz der öffentlichen Kontroverse um die Ansiedlung betonte Hoffeld das "gute und vertrauensvolle Verhältnis" der Stadt zum VHG. "Wir werden uns in Zukunft mit dem VHG bemühen, die Stadt, insbesondere die Innenstadt, positiv zu entwickeln", so der Verwaltungschef. Für das Fraktionsbündnis aus Grünen, Piraten und Freien Bürgern ging Sprecher Klaus Borger hart mit der Verwaltung ins Gericht. Diese habe nicht zugelassen, dass der Verein für Handel und Gewerbe vor einem für die Stadt Merzig so wichtigen Beschluss noch einmal die Möglichkeit zu einer offiziellen Stellungnahme in einer öffentlichen Sitzung bekommen hat. Borger erklärte weiter: "Wir unterstützen ausdrücklich, dass in der Rieffstraße Angebote hinkommen. Uns ist jedoch wichtig, welche Angebote dies sind."

Auch unterstütze das Fraktionsbündnis das Vorhaben der Stadt, zunächst ein Gesamtentwicklungskonzept für die Rieffstraße zu entwickeln. Daraus ergeben sich aus Borgers Sicht jedoch einige wichtige Schritte als "logische Konsequenz", die er für seine Fraktion zum Antrag erhob. Konsequenz Nummer eins: "Der Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Fachmarktzentrum Rieffstraße ist auszusetzen, bis die Gesamtstrategie vorliegt." Konsequenz Nummer zwei: "Dem Antragsteller UBG ist mitzuteilen, dass das beantragte Vorhaben hinsichtlich des Warenangebotes bis auf Tierfutter und Möbel dem Beschluss des Stadtrates vom 17. Dezember 2015 (Warensortiment im einstimmig beschlossenen Einzelhandelskonzept) widerspricht und so nicht genehmigungsfähig ist." Das Fraktionsbündnis wollte also dem ursprünglichen Antrag der Projektentwickler eine dezidierte Absage erteilen.

Weiterhin solle die Stadt eine Planung für neue Branchen und zeitlich befristetes kostenloses Parken für die Innenstadt entwickeln. Doch der Antrag des Bündnisses fand keine Zustimmung, der Rat folgte mehrheitlich dem Vorschlag der Verwaltung. Borger warf der Ratsmehrheit jedoch vor, sie demonstriere damit "schlechte handwerkliche Qualität und mangelnde Fachkenntnis im Bauplanungsrecht ". Denn ein vorhabenbezogener Bebauungsplan bedarf nach seiner Darstellung einer präzisen Projektbeschreibung. Diese fehle in dem jetzt beschlossenen Verfahrensweg jedoch gänzlich.

Planungsprozess starten

Bernd Seiwert, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion, unterstrich, dass es "gute gemeinsame Diskussionen" mit dem VHG zum Thema Rieffstraße gegeben habe. "Wichtig ist, dass der Planungsprozess in Gang kommt." Die jüngsten vorliegenden Gutachten zur Handelsstruktur in Merzig hätten festgehalten, dass die Kreisstadt einen Kaufkraft-Abfluss zu verzeichnen habe. Darum sei es wichtig, neue, zusätzliche Angebote zu schaffen, um ein Abwandern von Kunden in umliegende Gemeinden zu verhindern.

Nichts den Investoren überlassen

"Wir können den Menschen nicht vorschreiben, wo sie einkaufen", bekundete Seiwert. Die CDU-Fraktion sei froh, dass die Stadt nun diesen Planungsansatz gewählt habe: "Wir wollen die Inhalte bestimmen und das nicht den Investoren überlassen", sagte Seiwert. Alle Betroffenen könnten während des Planungsprozesses ihre Interessen vorbringen. Seiwert: "Dass dort etwas entsteht, werden und wollen wir nicht verhindern. Wir werden zu einem Plan kommen, hinter dem wir möglichst alle stehen."

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Manfred Klein betonte, seine Fraktion lege neben einer sorgfältigen und ausgewogenen inhaltlichen Definition des zulässigen Branchenmixes in der Rieffstraße auch Wert auf eine optisch ansprechende Gestaltung der Gebäude und der Außenbereiche auf dem künftigen Fachmarkt-Standort. Auch dies solle als konkrete Vorgabe im späteren Bebauungsplan festgehalten werden. Klaus Borger versuche mit dem Fraktionsbündnis, einen Keil zwischen den VHG und die Ratsfraktionen sowie die Verwaltung zu treiben. "Das ist nicht ganz fair." Klein räumte aber auch ein: "Die Landesplanung hat in der Vergangenheit in diesem bereich seltsame Entscheidungen gefällt und Dinge zugelassen, die nicht jedem gefallen." Darum sei es richtig, nun ein Geamtkonzept für die Rieffstraße zu erarbeiten. deren langfristige und struktrurierte Entwicklung müsse das Ziel von Rat und Veraltung sein.

Michael Schettle (Afd) kritisierte: "Was fehlt, ist ein Gesamtkonzept nicht nur für die Rieffstraße, sondern auch für die Innenstadt und insbesondere das Brauereigelände." Die AfD sehe in dem völligen Verzich auf eine irgendeine Vorgabe zu Beginn des B-Plan-Verfahrens die Gefahr einer "Mogelpackung".

Es fehlt an Parkraum

Frank Hackenberger (Linke) bekundete, er sei sehr erleichtert, dass die Verwaltung nun diesen Weg einschlage: "Dazu gehört Mut - Hut ab!" Er verwies darauf, dass es vor allem an einem in Merzig ganz massiv mangele: an ausreichendem, gut gelegenen und günstigen Parkraum. Dies sollte die Stadt in ihre Überlegungen für ein Gesamtkonzept für die Rieffstraße mit einbeziehen.

Zum Thema:

Auf einen blickPeter Schill, der Vorsitzende des Vereins für Handel und Gewerbe (VHG), bestätigte in einer Erklärung gegenüber dem Stadtrat, dass es Ende vergangenen Jahres ein Gespräch des geschäftsführenden VHG-Vorstandes mit Bürgermeister Hoffeld, seinem Stellvertreter und Baudezernenten Dieter Ernst sowie Bauamtsleiter Christian Bies über die Ansiedlungspläne der UBG in der Rieffstraße gegeben habe. "Wir haben damals direkt unsere Ablehnung zum Sortiment Schuhe und Lederwaren deutlich gemacht", sagte Schill. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, als der VHG sich über die Sortimentsbreite der Müller-Märkte kundig gemacht habe, sei den Verantwortlichen deutlich geworden, dass diese Ansiedlung für die gesamte Innenstadt eine Bedrohung darstellen könne. Daraus sei die Ausweitung der ablehnenden Haltung durch den VHG erwachsen. Schill betonte: "Auch wir sehen die Notwendigkeit einer sinnvollen Vermarktung dieser Fläche." Aber die gepalnten Märkte vor den Türen der Stadt mit wenig Personal und Arbeitsplätzen würden die Innenstadt gefährden, befand Schill. Er gab zu bedenken, dass der Einzelhandel in Merzig seit langem "an mehreren Fronten" kämpfe, unter anderem gegen die wachsende Konkurrenz durch den Online-handel. "Dennoch haben die Merziger Gewerbetreibenden sich bislang erfolgreich behauptet, auch dank eines hervorragenden Stadtmarketings", sagte Schill. Der VHG sei erleichtert über den Richtungswechsel der Stadt beim Planungsverfahren. Verwaltung und Rat hätten erkannt, dass am Konzept Rieffstraße noch gearbeitet werden müsse. Schill gab sich versöhnlich: "Ich bin überzeugt, dass wir einen fairen Kompromiss finden werden." cbe

 Diese Unternehmen sind bereits im Gewerbegebiet angesiedelt.

Diese Unternehmen sind bereits im Gewerbegebiet angesiedelt.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie FDP Merzig , die nicht im Stadtrat vertreten ist, hat sich in einer Erklärung grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber Investionen in der Stadt gezeigt. Der stellvertretende Kreisvorsitzende Bernd Altpeter schränkt jedoch ein: "Das heißt. aber nicht, dass wir es nicht kritisch betrachten, wenn hier die Existenz der Innenstadt auf dem Spiel steht." Am Beispiel des derzeit in Renovierung befindlichen Woolworth-Marktes in der Fußgängerzone werde deutlich, "wie schnell die Besucherzahlen einer an sich attraktiven Stadt zurückgehen können". Es gebe genug Gewerbetreibende , "die gerade investieren oder Pläne in der Schublade haben, Geld in die Hand zu nehmen und in nächster Zeit in Ihre Standorte in der Innenstadt zu investieren". Die aktuelle Stadtpolitik denke mit ihren Ansiedlungsplänen für die Rieffstraße "wenig an Bürger, die hier vor Ort tätig sind, hier leben, arbeiten und Steuern zahlen". Altpeter macht sich für alternative Ansiedlungsideen stark: "Letztendlich können in verkehrsgünstiger Lage der Rieffstraße statt austauschbarer Verkaufshallen beispielsweise Hotelneubauten zur Ankurbelung des zarten Pflänzleins Tourismus oder Autohäuser zur Versorgung der Menschen mit Mobilität entstehen." cbe

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