EVS plant deutlich höhere Gebühren fürs Müllverwiegen

Merzig · Kritiker werfen dem Entsorgungsverband vor, sein neues Gebührenmodell belaste einseitig die Müllverwiegung. Dabei werde dieses Verfahren in viel mehr saarländischen Kommunen praktiziert, als der EVS angibt.

 Die Gebühren für die Müllabfuhr werden neu geregelt. Foto: owa

Die Gebühren für die Müllabfuhr werden neu geregelt. Foto: owa

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Für viele Haushalte im Saarland könnten die Müllgebühren ab 2017 leicht sinken - für andere hingegen spürbar teurer werden. So sieht es das neue Gebührenmodell vor, das der Entsorgungsverband Saar EVS seinen Mitgliedskommunen (44 von 52 saarländischen Kommunen lassen ihre Abfälle über den EVS entsorgen) vorgeschlagen hat. Bis Ende Juli sollen die betreffenden Kommunen entscheiden, nach welchem Modell sie ihren Restmüll (also die "schwarze" Tonne) entsorgen und die Gebühren dafür berechnen lassen. Innerhalb des EVS gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten: Die Mehrzahl aller Verbandskommunen (42 von 44) berechnet die Gebühren nach dem Ident- oder Leerungszähl-System. Hierbei wird erfasst, wie oft im Jahr ein Haushalt seine Restmülltonne abfahren lässt. Die Anzahl der Leerung entscheidet über die Höhe der Gebühr.

In St. Ingbert und der Gemeinde Losheim am See hat man sich für ein anderes Modell entschieden, das Verwiegesystem. Hier ist nicht die Anzahl der Leerungen entscheidend, sondern das Gewicht, das der Restabfall in der Tonne aufweist. Bei jeder Leerung wird diese gewogen, aus der Gesamtmasse an Müll übers Jahr errechnen sich dann die Gebühren für den einzelnen Haushalt.

Im Jahr 2017 steht dem Entsorgungsverband eine weitreichende Neuausrichtung bevor: Ab dann lässt der EVS den Hausmüll nicht mehr in zwei Müllverbrennungsanlagen (Velsen und Neunkirchen) entsorgen, sondern nur noch in der von ihm selbst betriebenen Anlage in Velsen. Der kostspielige Vertrag mit dem Neunkircher Müllofen läuft Ende 2016 aus. Der EVS nimmt diesen Ausstieg zum Anlass, eine Neustrukturierung seiner Gebühren vorzunehmen. Nach Angaben des Verbandes sollen dabei die Kosten, die im gesamten System der Abfallwirtschaft anfallen, sachgerechter verteilt werden. Im Frühsommer hat der Verband seine neue Gebührentabelle auf vier Regionalforen (eines davon in Merzig ) den Kommunen vorgestellt. Bis Ende Juli sollen deren politischen Entscheidungsgremien sich festlegen, ob sie an ihrem bisherigen Entsorgungsmodell festhalten oder in ein anderes wechseln wollen. Wie hoch die Gebühren sein werden, hängt davon ab, wie viele Kommunen sich für einen Wechsel in ein neues System entscheiden werden beziehungsweise wie viele am bisherigen festhalten.

Die Modellrechnung für den Fall, dass alle EVS-Kommunen ihr bisheriges System beibehalten (also 42 Mal Ident- und zwei Mal Verwiegesystem), sieht so aus: Im Leerungszählsystem soll dann die Gebühr je Leerung für die (kleinen) 120-Liter-Mülltonnen sinken, von jetzt 7,30 Euro auf 7,02 Euro . Etwas teurer würde die Leerungsgebühr bei den 240-Liter-Tonnen, sie würde von 13,48 Euro auf 14,04 Euro steigen. Die jeweiligen Grundgebühren bleiben unverändert.

Deutlich teurer würden Großbehälter, wie sie bei Mehrfamilien-Wohnanlagen und Mietshäusern oft im Einsatz sind. Die hierfür übliche Jahresgebühr würde bei Containern mit einem Volumen von 770 Litern von 1797,72 auf 2217,12 Euro steigen (bei wöchentlicher Leerung). Werden die Gefäße nur alle zwei Wochen abgeholt, steigt die Gebühr von 898,80 Euro auf 1108,56 Euro . Die 1100-Liter-Container steigen in der Jahresgebühr von 2568,24 Euro auf 3167,40 Euro (wöchentliche Leerung) respektive von 1284,12 Euro auf 1583,64 Euro (14-tägliche Leerung).

Deutlich teurer würde nach dem EVS-Konzept die Kilogebühr im Verwiegesystem: Bisher sind dort je Kilo Müll 31 Cent fällig. Dieser Betrag soll ab 2017 auf 48 Cent steigen - um mehr als 50 Prozent! Nach den Berechnungen des Verbandes würde dies ab 2017 für einen Zwei-Personen-Haushalt einen Anstieg der jährlichen Kosten für die Müllabfuhr von 182,49 Euro auf 220,60 Euro bedeuten, wenn die Restabfallmenge gleich bliebe.

Wie auf dem Regionalforum des EVS in Merzig zu erfahren war, rechnet der Verband auch nach dem Auslaufen des Vertrages mit der Müllverbrennungsanlage Neunkirchen damit, dass jährlich rund 53 Millionen Euro an Gebühren von den Haushalten erhoben werden müssen.

EVS-Geschäftsführer Karl-Heinz Ecker räumte ein, dass der Ausstieg in Neunkirchen zu Einsparungen in Höhe von rund 25,7 Millionen Euro führen werde. Auf der anderen Seite entfallen jedoch auch Einnahmen, der Verband ist zudem zu Ausgleichszahlungen an die Kommunen verpflichtet, die ihre Müllabfuhr in Eigenregie organisieren (wie etwa die Stadt Merzig ). Unterm Strich werde ein jährlicher Überschuss von rund 12,7 Millionen Euro verbleiben. Diese Überschüsse werden 2017 und 2018 verwendet, um ein bis dahin aufgelaufenes Defizit im Bereich Abfallentsorgung zu decken. Eigentlich hätte der Verband die Müllgebühren bereits erhöhen müssen, da die Müllmenge seit 2011 viel stärker zurückgegangen sei als erwartet. Dadurch waren die Einnahmen aus der Abfallgebühr niedriger als angenommen - während die Kosten auf gleichem Niveau blieben. Allerdings hatte der EVS beschlossen, die Gebühren bis 2017 unverändert zu belassen und die jährlichen Defizite über einen Verlustvortrag fortzuschreiben, um sie dann ab 2017 zu tilgen. Allerdings dürfte dieses Minus schon 2018 ausgeglichen sein. Ecker: "Nach 2018 kann die Verbandsversammlung über den EVS-Wirtschaftsplan entscheiden, was mit dem überschüssigen Geld passieren soll." Es gebe die Möglichkeit, Gebühren zu senken oder eine Rücklage zu bilden. Die EVS-Spitze befürworte Letzteres, betonte Eckers Geschäftsführer-Kollege Georg Jungmann : "Wir werden vorschlagen, dass wir eine Rücklage aufbauen, um mit erwartbaren zukünftigen Kostensteigerungen klar zu kommen."

Seit Werner Schmitt ein Verwaltungsgerichts-Verfahren gegen den EVS gewonnen hat, das den Verband seinerzeit dazu zwang, die Zahl seiner Mindestleerungen zu reduzieren, gilt der Völklinger als profilierter Kritiker des Verbandes. Schmitt kann den neuen Gebührensätzen des Verbandes wenig Positives abgewinnen. Er kritisiert insbesondere die deutliche Anhebung der Kilogebühr beim Verwiegesystem. Die Restmüllmengen seien in den Kommunen, die das Verwiegen praktizieren, deutlich niedriger als bei Kommunen mit Leerungssystem.

Schmitt weist zudem die Darstellung des Verbandes zurück, wonach die überwiegende Mehrheit der Kommunen im Land das Leerungssystem bevorzuge. Diese Auflistung unterschlage jene Kommunen, die ihre Müllabfuhr in Eigenregie organisieren und dafür aus dem EVS ausgestiegen sind. "Dort gibt es überall das Verwiegesystem", unterstreicht Schmitt. Das sind Saarbrücken, St. Wendel, Merzig , Lebach, Mettlach und Eppelborn. Zusammen mit den beiden im EVS verbliebenen Verwiegekommunen Losheim am See und St. Ingbert umfasse dies eine Bevölkerungsanzahl von rund 334 000 Einwohnern und damit rund ein Drittel aller Saarländer. In diesen Kommunen sei die Pro-Kopf-Müllmenge (Saarbrücken ausgenommen) deutlich niedriger als in den Städten und Gemeinden mit Ident-System.

Das Müllverwiegen ist für Schmitt "gerechter, ökologischer, nachhaltiger". Auch das Argument des EVS, dass beim Verwiegen die Abholkosten höher seien, weil die Tonnen häufig nicht vollständig gefüllt bereitgestellt würden, lässt Schmitt nicht gelten: Das Problem lasse sich verursachergerecht lösen, indem beim Verwiegen die Restmülltonne regulär alle vier Wochen abgeholt werde. Wer eine häufigere Abholung wünsche, müsse eine zusätzliche Pauschale bezahlen - diese Regelung praktiziert beispielsweise Saarbrücken. Die dadurch erzielten Mehreinnahmen könnten eine "überdimensionierte Gebührenerhöhung" beim Verwiegesystem entbehrlich machen. Schmitt bewertet die Präsentation des EVS auf den Regionalforen als "tendenziös und unvollständig". Es seien wichtige Fakten unterschlagen worden. Er fragt sich auch, warum der Verband trotz auslaufender Verträge mit dem Müllheizkraftwerk Neunkirchen und der daraus folgenden Kosten-Einsparung von rund 18 Millionen Euro im Jahr an einem unveränderten Gebührenbedarf von 53 Millionen Euro per anno festhält - das sei "willkürlich und äußerst fraglich". Ganz und gar nicht einverstanden mit dem neuen Gebührenmodell des Entsorgungsverbandes ist der Bürgermeister der Gemeinde Losheim am See, Lothar Christ. Denn Losheim zählt zu den beiden Kommunen im EVS, die das Verwiegesystem praktizieren - und der Rathauschef sieht seine Gemeinde durch die neue Gebührenkonzeption massiv benachteiligt: "Das würde für uns eine Erhöhung der Müllgebühren um 55 Prozent bedeuten", erklärt Christ unserer Zeitung. Ihn ärgere zudem, dass das Gutachten von Professor Klaus Gellenbeck, auf dem die Gebühren-Neuberechnung beruht, vor den Regionalforen noch gar nicht in der EVS-Verbandsversammlung vorgestellt worden sei. Auch habe der Verband die geplante Verteuerung der Verwiegegebühren vor den Regionalforen mit den betroffenen Kommunen nicht besprochen. Dabei habe das Verwiegesystem eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass es am ehesten geeignet ist, die Restabfallmenge zu verringern: "Wir haben mit 93 Kilo Restmüll pro Haushalt den niedrigsten Wert im Saarland." Die Gemeinde wolle daher auch "auf jeden Fall" am Verwiegesystem festhalten. Christ sieht "noch erheblichen Gesprächsbedarf" und will auch nicht ausschließen, dass Losheim erneut darüber nachdenkt, in Zukunft seine Müllabfuhr in Eigenregie zu organisieren.

Meinung:

Muss solch ein Überschuss sein?

Von SZ-RedakteurChristian Beckinger

Die Stadt- und Gemeinderäte werden sich schwer damit tun, bei der anstehenden Entscheidung über die künftige Müllabfuhr für einen Wechsel ins Verwiegesystem zu plädieren. Zu eindeutig (und einseitig) hat der EVS auf den Regionalforen mit seinem Gebührenkonzept klar gemacht, dass er das eigentlich nicht möchte. Dabei ist das Verwiegen mit Blick auf die Müllvermeidung deutlich effektiver als das Identsystem. Und warum eigentlich muss ein öffentlich-rechtlicher Zweckverband künftig 12,7 Millionen Euro Überschuss pro Jahr erzielen? Das ist mehr als ein Fünftel seiner gesamten Gebühreneinnahmen. Ein gutes Stück weniger täte es auch - und könnte die Gebühren auch beim Verwiegen auf erträglichem Maß halten.

Zum Thema:

Auf einen blickDer EVS hat auf den Regionalforen auch Modellrechnungen vorgestellt, die widerspiegeln, was sich an den Müllgebühren ändern würde, wenn Kommunen auf ein anderes Gebührensystem umsteigen. Eine dieser Modellrechnungen behandelt den Fall, dass alle EVS-Kommunen (also auch Losheim am See und St. Ingbert) ins Ident-System wechseln würden. In diesem Falle würde sich die Abholgebühr beim 120-Liter-Gefäß nicht auf 7,02 Euro , sondern auf exakt 7 Euro reduzieren. Die Gebühr bei der größeren 240-Liter-Tonne würde nicht ganz so stark steigen, statt 14,04 Euro wären exakt 14 Euro fällig. Die Verwiegegebühr würde logischerweise entfallen, da ja alle Kommunen das Leerungssystem praktizieren.Umgekehrt würde nach den Vorstellungen des Verbandes auch ein vermehrter Umstieg von Kommunen aufs Verwiegen nicht zu einer deutlichen Reduzierung des Kilopreises führen. Aus den EVS-Tabellen geht hervor: Wenn ab 2017 die Hälfte der Kommunen das Identsystem und die andere das Verwiegen praktiziert, so würde der Kilopreis beim Restabfall bei 43 Cent liegen (statt der geplanten 48 Cent bei System-Beibehaltung aller Kommunen). Diese 43 Cent würden selbst dann nicht unterschritten, wenn alle Kommunen aufs Verwiegen umsteigen würden. cbe

Zum Thema:

stichwortIn Merzig stellte Professor Klaus Gellenbeck vom Institut für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management in Ahlen vor, was sich bei der Müllmenge im Saarland seit Einführung der mengenabhängigen Gebührenberechnung 2011 getan hat. Vier Jahre nach Umstellung der Gebührenberechnung habe sich gezeigt, dass die Haushalte deutlich mehr an Restmüll eingespart haben als erwartet. So sei die Restmüllmenge innerhalb des Entsorgungsverbandes von rund 144 000 Tonnen im Jahr 2010 schon 2011 auf knapp 109 000 Tonnen gesunken. 2014 lag das Restmüllaufkommen bei rund 94 500 Tonnen. Die Reduzierung des Restmülls sei in den beiden Verwiegekommunen St. Ingbert und Losheim stärker ausgeprägt gewesen als in den EVS-Kommunen mit Leerungssystem. cbe

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