„Es gibt genug Publikum für alle“

Merzig · Auf über 300 Bühnen Europas – darunter auch mehrfach in der Stadthalle Merzig – ist „Das Phantom der Oper“ des Autorenteams Deborah Sasson und Jochen Sautter seit 2010 zu sehen gewesen. Damit ist diese deutschsprachige Inszenierung eine der erfolgreichsten Tournee-Produktionen Europas. Vor dem nächsten Gastspiel des erneut etwas überarbeiteten Stücks am Mittwoch, 17. Februar, 20 Uhr, in Merzig sprach die SZ mit der Autorin und Hauptdarstellerin Deborah Sasson.

 Deborah Sasson ist ein internationaler Star. Foto: Manfred Esser

Deborah Sasson ist ein internationaler Star. Foto: Manfred Esser

Foto: Manfred Esser

Sie waren schon einige Male mit dem "Phantom" in Merzig zu Gast. Erinnern Sie sich an diese Auftritte oder zumindest an die Stadt?

Deborah Sasson: Aber sicher. Vielleicht nicht gerade an den Backstage-Bereich aber sonst ja. Wir haben in Merzig immer ein sehr gutes Publikum gehabt. Deswegen kommen wir ja auch zurück.

Sie sind jetzt mit einer neuen Fassung des "Phantoms" unterwegs. Worin unterscheidet sich diese Fassung von der vorhergehenden?

Sasson: Wir haben ein neues Bühnenbild, und auch technisch haben wir einiges verbessert. Wir hatten das letzte Mal ja schon die 3-D-Technik mit Projektionen. Jetzt sind wir da auch weiter und zeigen Filme. Das wirkt sehr viel echter. Und wir haben eine weitgehend neue Besetzung. So wird diese Produktion immer verfeinert und verbessert - zum Beispiel auch durch neue Kostüme.

Sie kommen auch mit einem eigenen kleinen Orchester.

Sasson: Klein? Es sind immerhin 20 Leute. Das ist zwar kein Sinfonieorchester, für eine Tourneeproduktion ist das aber schon recht ordentlich. So sind wir insgesamt mit 60 Leuten unterwegs. Andere Produktionen gehen dagegen nur mit einer dreiköpfigen Band auf Tour. Ich weiß. Aber ich hasse das, denn es stört mich, mit Playback zu arbeiten. Das ist ein sehr armes Ergebnis. Ich bin Live-Musiker, deshalb ist bei uns auch alles live.

Die Bühne der Stadthalle ist zwar groß, aber es ist vorstellbar, dass Sie auch auf größeren Bühnen spielen. Ist da das Bühnenbild entsprechend wandelbar?

Sasson: Wir haben das "Phantom" ja von Anfang an als Tourneeproduktion konzipiert. So besteht das Bühnenbild aus einzelnen Bausteinen, die alle zusammenpassen. Man kann Elemente auslassen, ohne dass das Bühnenbild an Wirkung verliert. Das ist wirklich super. Und natürlich kann man auf kleinen Bühnen die Elemente auch enger zusammenstellen. Im Interesse des Publikums wollen wir so viel wie möglich auf die Bühne bringen. Deshalb haben wir immer alles dabei.

Muss man da nicht jedes Mal umdenken, schließlich sind dann auch die Laufwege ganz anders?

Sasson: Oh ja, das Timing ist bei Tourneeproduktionen immer wieder anders. Für mich war das am Anfang schon gewöhnungsbedürftig, zum Beispiel nicht zu wissen,wie viel Zeit ich habe, um auf die andere Seite der Bühne zu kommen. Aber inzwischen spielt das keine Rolle mehr.

Was hat Sie damals eigentlich bewogen, dieses Musical zu schreiben?

Sasson: Es gab ja schon das sehr erfolgreiche Musical mit dem gleichen Titel von Andrew Lloyd Webber . Hätte es mich einschüchtern sollen, nur weil Webber ein "Phantom" geschrieben hat? Es gibt schließlich außer seiner auch noch andere Fassungen - und das ist kein Wunder, denn die Geschichte ist ein Super-Bühnenstoff. Wenn man das Buch liest, kann man sich schon sehr gut vorstellen, wie es auf der Bühne wirkt. Als ich als Kind das Buch, das wirklich toll geschrieben ist, gelesen habe, hatte ich die Pariser Oper wie einen Film vor meinen Augen. Vor Andrew Lloyd Webber gab es das "Phantom" schon von Ken Hill. Seine Produktion war schon sehr erfolgreich im Londoner Westend, bevor Webbers "Phantom" herausgekommen ist. Zeitweise war dann Ken Hills Produktion auf der einen Seite der Straße im Londoner Westend zu sehen, Webbers auf der anderen Seite. Aber weil es ein so guter Stoff ist, eine so faszinierende Geschichte , gab und gibt es genug Publikum für alle. Dabei ist es eigentlich unvorstellbar, dass es die gleiche Geschichte in zwei ganz unterschiedlichen Versionen zur gleichen Zeit in einer Stadt im Theater zu sehen gibt. Aber das zeigt doch, dass ein großes Interesse für diesen Stoff vorhanden ist.

Worin unterscheidet sich Ihr "Phantom" von den anderen?

Sasson: Ich habe auch die Webber-Fassung gesungen - sie entspricht durch und durch dem Musical-Genre. Ich habe mich damals gewundert, dass das Stück in einer Oper spielt, man bei Webber aber keinerlei musikalische Zitate von Opern findet. Zumal gerade die Zeit, zu der das "Phantom" spielt, eine sehr fruchtbare Zeit für die Oper an sich war. Und gerade an der Pariser Oper gab es damals sehr viele Premieren. Es war eine sehr aufregende Zeit. Ich hatte die Idee, wenn ich die Möglichkeit hätte, das "Phantom" zu machen, ich gerne etwas von diesen Opern , die damals gerade gespielt wurden, als Farbtupfer einarbeiten würde. Und das haben wir gemacht. Eigentlich orientiert sich die Webber-Fassung überhaupt nicht an dem Buch. Die Namen der Charaktere sind zwar gleich, aber Webber hat eine ganz andere Geschichte daraus gemacht. Ken Hills Produktion habe ich nicht gesehen, aber ich habe gehört, dass er sich strenger an das Buch gehalten hat. Wir halten uns an das Buch, denn es ist so toll und die Geschichte so spannend. Das andere Problem an der Webber-Fassung ist, dass man sie als Tourneeproduktion gar nicht auf die Bühne bringen kann, denn Webber hat ein Copyright, nach dem alles genau so präsentiert werden muss, wie am ersten Abend. Man kann die Regie nicht ändern, man kann die Kostüme nicht ändern und das Bühnenbild auch nicht - absolut nichts. Man muss dafür eigentlich ein eigenes Theater bauen. Außerdem finde ich, dass das Theater von verschiedenen Interpretationen lebt. Wie viele verschiedene Interpretationen gibt es allein von Mozarts "Zauberflöte". Und das ist hoch interessant. Aber bei Webber darf man nichts ändern - ist das nicht schrecklich? Das ist doch der Tod des Theaters. Wer will schon immer das Gleiche sehen - da muss man doch neue Ideen einfließen lassen können.

Sind Sie eigentlich mit dem"Phantom" auch mal in Paris selbst in der Oper aufgetreten?

Sasson: Ja. Einmal waren mein verstorbener Mann Peter Hofmann und ich sogar mit zwei verschiedenen Produktionen da und haben dann sechs Wochen in Paris gelebt. Das war ganz toll. Die Pariser Oper ist sehr imposant. Und unter ihr gibt es tatsächlich diese Katakomben und unterirdische Wege. Da kann man es dann durchaus vorstellen, dass ein musikalischen Genie unter der Pariser Oper lebt und arbeitet und das ganze Leben im Opernhaus beeinflusst.

Sie singen jetzt schon so lange Musical , bekommen sie da noch Anfragen, in Opern zu spielen?

Sasson: Ich bin jetzt 56 Jahre alt und bleibe gerne ein bisschen länger daheim. Zurzeit mache ich sehr viele eigene Produktionen - ich habe mit "Der kleine Prinz" wieder ein neues Musical geschrieben, das übrigens im kommenden Jahr auch in Merzig zu sehen sein wird. Das alles macht mir sehr viel Freude. Musik zu schreiben, ist jetzt meine zweite Karriere. Außerdem gebe ich ja noch klassische Konzerte.

Werden Sie auch im "Kleinen Prinz" mitwirken?

Sasson: Nein. Nur im "Phantom der Oper " bin ich dabei. Ich bin die Autorin vom "Kleinen Prinz", aber ich stehe dabei nicht auf der Bühne.

Karten sind im Vorverkauf ab 48 Euro in Merzig bei Kultopolis, Schankstraße 42, im Wochenspiegel-Pressebüro am Seffersbach erhältlich sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen. Im Internet unter www.kultopolis.com oder Telefon (0 68 61) 93 99 80.

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Zur PersonDeborah Sasson wurde 1959 in Boston geboren. Sie studierte Gesang am renommierten Oberlin Konservatorium. Ihr erstes Engagement führte sie an die Metropolitan Opera in New York. Am Broadway debütierte sie in "Showboat", wo sie Leonard Bernstein begegnete. Der vermittelte sie zur "West Side Story" an die Hamburgische Staatsoper . Dies war der Beginn ihrer Karriere in Deutschland. Ihr Dank an Bernstein war das Album"Bernstein on Broadway", das sie mit ihrem, 2010 verstorbenen Mann Peter Hofmann und dem"Los Angeles Philharmonic Orchestra " einspielte. Es folgten Engagements an zahlreichen Opernhäusern wie etwa San Francisco, Venedig, London,Wien, Berlin oder Paris. Ihre künstlerische Arbeit ist stilübergreifend, von der Oper über das Musical bis Crossover und Pop. Eine der der ersten Ausflüge Sassons in die Pop-Musik war "Danger In Her Eyes". Ihre Duettversion von "Scarborough Fair" mit Peter Hofmann wurde mit Dreifach-Platin ausgezeichnet. red

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