Ein Kleinkind pflügt das Wahllokal um

Merzig · Wem der Papa in der Wahlkabine seine Stimme gibt, bleibt ein Geheimnis zwischen ihm und Sohnemann Mick. Auf dem Arm seines Vaters beobachtet der quirlige Knirps, wie Stefan Enzweiler den Stift zückt und ein Kreuzchen macht. Den Rest des Wahlganges übernimmt der dreieinhalbjährige Pfiffikus: Freudestrahlend stürmt er zur Wahlurne, um den gefalteten Stimmzettel einzuwerfen. Derweil wartet Mama Katja vor der Tür der Hargarten Weidentalhalle. "Wir wechseln uns beim Wählen ab", sagt die sympathische Frau, die mit einer Hand den Kinderwagen hält, in dem Töchterchen Ella (zweieinhalb Monate) schläft, mit der anderen die Leine, an der Labradormischling Django ungeduldig wird.

 Der Umschlag geht in die Wahlurne.

Der Umschlag geht in die Wahlurne.

Die Warterei scheint den munteren Vierbeiner zu nerven. Er miefert. Es geht auf elf Uhr zu. Rund drei Stunden Dienst liegen hinter den Wahlhelfern Mathilde Hellbrück, Franz Müller, Manuela Musial, Joachim Wagern und Robert Schommers - der erste große Ansturm. Verzeichneten die Helfer kurz nach zehn Uhr eine Wahbeteiligung von 23,44 Prozent, so schnellt sie durch den Zulauf knapp eine Stunde später auf 28,17 Prozent in die Höhe, wie Schommers mit seinem Handy blitzschnell ausrechnet. "Wir haben freiwillige Wahlhelfer genug", verrät er über den Wahlbezirk 35, mit 464 Wählern der kleinste in der Gemeinde.

"Bei der Stichwahl haben wir drei Wähler mehr als am 11. September", verrät er. "Drei junge Leute dürfen das erste Mal wählen." Für das Wahlteam die spannende Frage: Wie werden sich die Wähler , die sich bei der ersten Bürgermeister-Wahl für den unabhängigen Kandidaten Michael Petto entscheiden haben, bei der Stichwahl verhalten. Stimmen sie für Thomas Collmann (SPD ), Daniel Minas (CDU ), oder werden sie zu Hause bleiben? "In Hargarten hatte er mit knapp 20 Prozent das prozentual höchste Ergebnis eingefahren", sagen sie.

Urgestein Herbert Dewes schwenkt seine Wahlkarte, begrüßt mit einem strahlenden Lächeln das Team. 45 Jahre lang hat der Mann, der bis zu seiner Rente im Beckinger Rathaus arbeitete, sich als Wahlhelfer engagiert. "Nach all diesen Jahren habe ich zu dem Jubiläum eine Flasche Sekt und einen Essensgutschein als Präsent erhalten", verrät der ehemalige Mitarbeiter des Ordnungsamtes. "Als ich das im Rathaus erzählt habe, haben meine Kollegen das kommentiert mit typisch Hargarten."

Er erinnert sich an die 60er und 70er Jahre, als die Wahlbeteiligung noch bei 96 bis 97 Prozent lag. "Damals blieb man nicht bis mittags im Bett liegen, sondern ist wählen gegangen" - eine Pflicht, die nach seiner Vermutung Bürger in kleine Orten wie Hargarten immer noch zur Wahlurne treibt. "Die Wahlhelfer könnten ja mitbekommen, wer nicht wählt", nennt er einen möglichen Grund.

Dass er Manuela Musial dazu bewogen hat, seinen Dienst als Wahlhelfer in Hargarten zu übernehmen, erfüllt ihn mit Stolz. "Ich habe ihr gesagt, geh' nach Hargarten. Da gehst Du bis zu deiner Pensionierung nicht mehr weg" - ein Tipp, für den die Frau dem rührigen Hargarter dankbar ist. "Hier haben wir nicht nur ein tolles Team, wir haben auch ein schönes Wahllokal", meint Musial mit Blick auf die Halle, die Versorgung mit Essen und Getränken eingeschlossen. In der Kühlung liegen Schnittchen und Kuchen bereit, der Kaffee ist frisch aufgebrüht. Der unermüdliche Hargarter Dewes verabschiedet sich bis zum Abend. An der Auszählung der Stimmen will er nach seinem Bekunden teilnehmen und nimmt dem Team das Versprechen ab, dieses Mal als erstes fertig zu sein. "Am 11. September waren wir nur Zweiter", lacht er. "Wir strengen uns an", sagen die Fünf zu.

Es ist die Entdeckungslust eines Dreijährigen, die für Stimmung sorgt. Während Bruder Konstantin (5 Jahre) den Papa beim Wählen beobachtet, erkundet Benedikt, was sich hinter den Eisenplatten an der Wand der Halle versteckt. Krachbum - der Kleine hat die Platte aus der Verankerung gelöst, sie fällt zu Boden und legt Kabel frei. "Er wird hier Hausmeister", kommentiert Schommers die Arbeit des Blondschopfes. Als die zweite Platte dann auch noch zu Boden geht, meint Manuela Musial schmunzelnd: "Jetzt sind wir alle wach."

 Stefan Enzweiler wählt mit Söhnchen Mick.

Stefan Enzweiler wählt mit Söhnchen Mick.

 Herbert Dewes

Herbert Dewes

 Katja und Benjamin Kirsch von den Magic Artists mit ihrem Nachwuchs. Fotos: Rolf Ruppenthal

Katja und Benjamin Kirsch von den Magic Artists mit ihrem Nachwuchs. Fotos: Rolf Ruppenthal

Unter dem Gelächter des Teams nimmt Mama Susanne Zengerly ihren "kleinen Räuber" auf den Arm, gibt ihm einen Kuss. "Jetzt gehen wir aber besser", meint sie und lässt den Knirps nicht mehr aus den Augen. Derweil schauen sich Emilia (sechs Jahre) und Giulia (acht Jahre) in dem Wahllokal um, während Mama Katja und Papa Benjamin Kirsch in der Wahlkabine ihre Kreuzchen machen. Die Frontfrau der Magic Artists und ihr Ehemann, die mit Akrobatik, Gesang, Menschenpyramiden, Jonglage und vielem mehr ihre Zuschauer in ihren Bann ziehen, wissen, dass ihre Töchter brav warten und nichts anstellen. "Kurz vor dem Mittagessen machen sich viele auf den Weg", weiß Schommers, der den ehemaligen Wahlhelfer Karl Graf und Ehefrau Ursula begrüßt. "Es ist Bürgerpflicht", begründet er sein 30-jähriges Engagement.

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