Neujahrsspringen Ein „Fliegender Holländer“ im Zeltpalast

Merzig · Neue Bedingungen, ein erneutes Spektakel und ein Überraschungssieger – das 4. Neujahrsspringen in Merzig bot den 1000 Zuschauern am Samstag beste Unterhaltung. Favorit Holzdeppe pokerte – und verlor.

 Menno Vloon aus den Niederlanden schraubte sich über 5,61 Meter – und siegte damit bei seinem Premieren-Auftritt im Merziger Zeltpalast.

Menno Vloon aus den Niederlanden schraubte sich über 5,61 Meter – und siegte damit bei seinem Premieren-Auftritt im Merziger Zeltpalast.

Foto: Ruppenthal

Samstag, 16.23 Uhr: Die Ränge im Merziger Zeltpalast sind noch spärlich besetzt. Im Bereich der Stabhochsprung-Anlage herrscht gut eine Stunde vor Beginn des Neujahrsspringens dagegen reges Treiben. Im Sekundentakt sprintet einer der 14 internationalen Top-Springer mit dem Stab in der Hand über den schmalen Anlaufsteg. Das Einspringen zur vierten Auflage ist in vollem Gang. Und es ist dieses Mal wichtiger als in den vergangenen Jahren. Denn die Voraussetzungen sind für Raphael Holzdeppe, Piotr Lisek und Co. diesmal leicht verändert. „Wir haben den Anlaufsteg 15 Zentimeter tiefer gelegt und mit einem anderen Belag versehen. So können die Sportler den Stab steiler tragen“, erläutert Werner Klein. Dem Organisationsleiter des Springens ist die Anspannung anzumerken.

16.36 Uhr: Im beheizten und belüfteten Sportler-Pavillon geht es dagegen locker zu. Von hier aus starten die Springer, gelangen dann mit wenigen Schritten Anlauf durch ein Tor in den Haupttrakt, wo sie später beim Höhenflug von einem Menschenmeer lautstark begleitet werden. Bis der Wettkampf losgeht, versuchen sich die Athleten mit Probesprüngen auf die Besonderheiten vor Ort einzustellen – laut Deutschlands Stabhochsprung-Ass Holzdeppe ist das elementar. „Hier ist alles sehr viel enger, eine einzigartige Kulisse. Man braucht das Einspringen einfach, um sich an alles zu gewöhnen“, sagt der Weltmeister von 2013, der den tiefer gelegten Anlaufsteg als deutlich angenehmer lobt.

Eine Stunde vor Beginn des Wettkampfes geben sich die meisten Springer äußerlich gelassen und entspannt. Ob das nur gespielt ist, um die Nerven zu beruhigen und sich abzulenken? Die Jungs von Bayer Leverkusen frotzeln untereinander. Der WM-Zweite Lisek und Ex-Weltmeister Pawel Wojciechowski tauschen auf Polnisch letzte Tipps aus. Und Valentin Lavillenie, der jüngere Bruder von London-Olympiasieger Renaud Lavillenie, überbrückt mit Musik die Wartezeit, ebenso der deutsche Meister Bo Lita Baehre. Dessen Teamkollege aus Leverkusen, Karsten Dilla, hat den geänderten Anlauf derweil gerade erst bemerkt: „Ach, die Bahn ist jetzt tiefer. Ich dachte doch, dass da was anders ist“, meint der Premierensieger des Neujahrsspringens. Das war 2015. Danach gab 2016 und 2017 Holzdeppe den Ton an. „Wart ihr schon beim DJ wegen der Wünsche für den Einlauf?“, fragt Holzdeppe in die Runde. Der 28-Jährige hat das Einspringen recht früh beendet und sich eben noch mit Müsli-Riegel und Energy-Drink gestärkt. Lokalmatador Pascal Koehl vom Leichtathletik-Team Saar probt dagegen bis zuletzt den Ernstfall – bringen wird es ihm aber am Ende nichts, er scheidet mit „Salto nullo“ frühzeitig aus. Etwas was Holzdeppe im vergangenen Jahr bei der WM in London auch passiert ist.

17.33 Uhr: Die Ränge im Zeltpalast sind inzwischen voll besetzt. 1000 Zuschauer wollen sich das Spektakel in luftiger Höhe nicht entgehen lassen. Die Veranstaltung war wochenlang vorher bereits ausverkauft. Unmittelbar nach der lautstarken Begrüßung und Vorstellung der Athleten fällt erstmals die Latte – aus dem Nichts, denn niemand war zuvor gesprungen. Eine Minute später ist das Warten aber endlich vorüber: Die Höhenjagd beginnt.

19.07 Uhr: Für sieben der 14 Springer ist der Wettkampf zu diesem Zeitpunkt nach drei Fehlversuchen schon zu Ende. Für Holzdeppe fängt er jetzt erst an. Im ersten Versuch meistert er seine „Einstiegshöhe“ von 5,51 Meter souverän – und geht in Führung. Der Niederländer Menno Vloon schraubt sich wenig später allerdings über 5,61 Meter. Nun ist Holzdeppe angestachelt. Nachdem er die 5,51 Meter so locker genommen hat, lässt er 5,71 Meter auflegen. Ein Raunen geht durchs Zelt. Denn damit würde er den bisherigen Meetings-Rekord knacken. Der steht bei 5,70 Meter – aufgestellt 2016 von Holzdeppe selbst. „Ich habe mich super gefühlt. Für das, was ich mir vorgenommen habe, war das eine normale Steigerung“, erklärte der Zweibrücker. Doch der Höhenflug misslingt. Drei Mal reißt der Weltmeister von 2013, beim zweiten Versuch ganz knapp.

Damit belegt Holzdeppe am Ende hinter dem „fliegenden Holländer“ Vloon Platz zwei. Der Traum vom dritten Sieg in Folge ist geplatzt. Aber vielleicht ist das ja auch ein gutes Omen. Schließlich folgte im Vorjahr nach dem Sieg in Merzig ein Seuchenjahr. Vielleicht läuft es nun anders herum. Holzdeppe jedenfalls ist optimistisch: „Der erste Wettkampf im Jahr ist immer schwer, weil man seinen Rhythmus finden muss. Heute hat das Timing nicht gepasst. Aber es geht definitiv hoch hinaus dieses Jahr“, sagt Holzdeppe.

 Raphael Holzdeppe verabschiedete sich vom Publikum als Zweitplatzierter. Drei Mal war er an der neuen Rekordhöhe von 5,71 Meter gescheitert.

Raphael Holzdeppe verabschiedete sich vom Publikum als Zweitplatzierter. Drei Mal war er an der neuen Rekordhöhe von 5,71 Meter gescheitert.

Foto: Ruppenthal

Ohnehin geht es in Merzig nicht nur ums Ergebnis. Der Fünftplatzierte Karsten Dilla etwa schwärmte. „Das war von der Stimmung her einfach wieder ein geiler Wettkampf.“

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