Durchatmen bis das Spiel beginnt

Merzig · Die Uhrzeiger stehen auf 17 Uhr. Nur noch einige Stunden. Dann fällt der Vorhang im Merziger Zeltpalast. Vier Wochen lang hat das Ensemble von "9 to 5" acht bis neun Stunden am Tag geprobt - ein hartes Programm für die Musicaldarsteller.

 Die Hauptdarstellerinnen in einer Szene von „9 to 5“.

Die Hauptdarstellerinnen in einer Szene von „9 to 5“.

Kurz vor der Premiere ist hinter den Kulissen immer noch das Rattern der Nähmaschinen zu hören. "Da muss mal noch schnell ein neuer Rock her, mal ein Kostüm umgenäht werden", berichten die Näherinnen Ulli Göbels und Karin Wagner. Dass kurz vor dem Auftritt noch Änderungen vorgenommen würden, sei völlig normal, sagt Göbels und schmunzelt. Das habe sie eigentlich noch nie anders erlebt. Die beiden Frauen arbeiten gemeinsam an einem Tisch, der sich sozusagen im Flur zwischen Maske und Kostümbereich befindet. Improvisieren, das müssen im Zeltpalast alle. Das schafft aber auch eine lockere Atmosphäre, das schafft einen Ort, zu dem sie alle immer wieder gerne zurückkehren.

Um 17.30 Uhr wird es still auf dem Gelände - Essenszeit. Joachim Arnold, Chef von Musik und Theater Saar , lädt die Darsteller zu "Pulled Pork", stundenlang gegarter Schweineschulter, sowie Lachs aus seinem neuen 1200 Kilo schweren Smoker ein. "Er wurde in deutscher Wertarbeit von einem Schmied im Rheinland hergestellt und steht ab sofort im Außenbereich des Zeltpalastes", berichtet Arnold. Wer Hunger hat, greift zu.

April Hailer, die den Bürodrachen Roz Keith spielt, läuft über das Außengelände und lockert ihre Stimme. Die Australierin Sarah Bowden, die Doralee Rhodes, eine Sekretärin mit viel Sex-Appeal spielt, entspannt im Außenbereich und plaudert mit einem Kollegen. Darsteller David Lake bügelt im Bereich der Ankleiderin Frauke Schillo seine eigenen Hemden. "Im Hotel habe ich dazu keine Möglichkeit", erklärt Lake und schmunzelt. Er spielt die Rolle des Bob Enright. Schillo werkelt noch bis kurz vor der Premiere an den Kostümen herum. 19 Uhr: Regieassistent Matt Huet sitzt konzentriert vor seinem Laptop im Aufenthaltsbereich. Mit Kopfhörern in den Ohren geht er immer wieder die verschiedenen Einsätze durch. Einige Darsteller sitzen ein paar Meter von ihm entfernt auf Sofas, witzeln, unterhalten sich und versuchen sich vor dem großen Auftritt zu sammeln. Fast alle waren mittlerweile bei Maskenbildnerin Tiiu Luht. In Akkordarbeit verwandelt die Norwegerin die Darsteller in ihre Bühnenrollen und bleibt dabei ruhig und gelassen - wie immer.

Um kurz vor acht sind alle hoch konzentriert und fertig kostümiert. Dann ist es soweit: Die Zeiger stehen auf 20 Uhr. Die Zuschauer blicken gebannt auf die Bühne und die Geschichte von den Bürodamen und ihrem despotischen Chef beginnt. "Pulled Pork" haben sich Produzent Joachim Arnold und Koch Andreas Lootz für die Premiere ausgesucht, dazu Lachs , Kohlgemüse , wahlweise auch Burger - eine Auswahl, die ankommt. April Hailer, die grau melierte Perücke der Roz Keith auf dem Kopf und bereits als Bürodrache geschminkt, gerät über das Barbecue ins Schwärmen, ebenso wie Fanny Hoffmann, die die Margret spielt, und noch komplett in Zivil ist. "Wir sind geschneckelt", sagt sie zu dem Netz auf dem Kopf, das die Haare verdeckt. "Da hält die Perücke besser." Wolfgang Schwingler, der in dem Musical in die Rolle von Dick schlüpft, holt sich einen Nachschlag, ebenso wie der musikalische Leiter, Hans Christian Petzoldt und Choreograf Danny Costello.

"Andreas ist eigens aus Düsseldorf angereist, um mir die Tricks mit dem 1200 Kilo schwerem Geschoss zu zeigen", verrät Arnold und gibt ein paar Geheimnisse aus der Küche preis, die von den USA ihren Siegeszug um den ganzen Globus antrat. "Das Fleisch für das Pulled Pork ist 20 Stunden lang vorgegart worden. Und der Lachs wurde auf feuchten Holzbrettern in den Smoker gestellt, der mit saarländischem Holz befeuert wird, das lange gelagert wurde."

In Zukunft will er nach seinem Bekunden auch die Besucher des Zeltpalastes "zum Grillfest" bitten. "Wir spielen Musicals. Dazu gehört auch ein Barbecue - mit Pulled Pork, Spareribs und Beef Brisket." Für Violet Newstead alias Edda Petri ist die Premierenfeier früh vorbei. Wenige Stunden nach dem ersten Vorhang für "9 to 5" steht die Schauspielerin vor der Kamera - beim ersten Drehtag für den Film Gleichgewicht. "Darin spiele ich eine böse Mutter, die ihre Tochter zum Ballett zwingt", verrät sie. Das ein oder andere Mal wird die aparte Brünette den Spagat zwischen Filmset und Bühne schaffen müssen.

Schneller Rollenwechsel

Denn die Arbeiten an den Hauptszenen für den Streifen überschneiden sich mit der Zeit, in der sie als Violet Newstead auf der Bühne im Merziger Zeltpalast steht. Bis 27. August sind Aufnahmen in Neunkirchen, Ottweiler und in Saarbrücken angesetzt. Noch bis 18. September grübeln Petri und ihre Kolleginnen vom Büro über die Frage: "Warum eigentlich bringen wir den Chef nicht um?". Die deutsche Erstaufführung des Stückes mit Liedtexten und Musik, für die Country-Sängerin Dolly Parton verantwortlich zeichnet, läuft seit Freitag. Dass sie an manchen Tagen morgens die Mama und abends die Chefsekretärin gibt, nennt sie kein Problem: "Das ist halt so." Über die Vielseitigkeit als Violet gerät Edda Petri ins Schwärmen. "Bei Morticia Addams ist die Vorlage vorgegeben - eine vampiristische Frau, die nur lange schwarze Gewänder trägt, für ihre dunkle Schönheit bekannt ist und Gomez verführt, indem sie Französisch spricht", sagt die Schauspielerin, die in dem Stück über die Gruselsippe neben Uwe Kröger die Hauptrolle spielt. Anders bei Violet: "Für sie musste ich mir meinen Part suchen." Sie habe ein großes Herz. Die alleinerziehende Mutter, seit drei Jahren Witwe lasse niemanden an sich heran - zunächst auch nicht jenen jungen Mann aus der Firma, der ihr den Hof mache. Ob der Verehrer am Schluss doch noch Chancen hat, lässt sie offen. Die Frage nach einer Traumrolle beantwortet sie: "Was nutzt eine Traumrolle, wenn man einen Regisseur hat, mit dem man sich nicht versteht." Zu einer tollen Rolle gehört nach ihrem Bekunden auch ein Team, mit dem man sich versteht. "Das ist bei uns der Fall." Was sie nach ihren Worten fasziniert sind die unterschiedlichen Qualitäten, die das internationale Ensemble mitbringt und die zu einer Einheit verschmelzen. Was sie freut: Sohn Gustav, der für das bestandene Abi mit einer Reise nach Brasilien belohnt wurde, drückt bei der Premiere die Daumen. Und Emil, der Jüngere, hilft im Zeltpalast in der Gastronomie. Es ist erst wenige Wochen her, dass ihr in Hollywood die Fans zu Füßen gelegen haben. In der legendären Freilichtarena "Hollywood Bowl" begeisterte Sarah Bowden vor ausverkauftem Haus - als Cassie in "A Chorus Line ". "Es war einfach toll, auf der gleichen Bühne zu stehen, auf der auch Megastars wie Elton John , Frank Sinatra oder die Beatles gesungen haben", sagt die gebürtige Australierin, die sich als Tripple Treat bezeichnet. "Ich mache alles, tanze, singe und spiele", verrät sie.

Und noch ein Geheimnis lüftet die 32-Jährige: "Ich würde gerne eine Rolle am Broadway übernehmen." Ein Projekt, so gesteht sie, gibt es noch nicht. "Aber ich fahre einfach mal hin und schmeiße mich rein. Natürlich gibt es da Hunderte von Schauspielern, die vielleicht noch mehr Talent haben als ich. Aber probieren kann man es ja mal", kommentiert sie ihre Pläne.

Doch zunächst will sie die Atmosphäre im Merziger Zeltpalast genießen, einschließlich der Sonne. "Mit den Arnolds ist das hier wie Ferien in einer großen Familie." Für ihre Rolle als Doralee verwandelte sich die zierliche Blondine in einen Dolly-Parton-Verschnitt mit dickem Busen und Kurven auf den Hüften. "Eine Frau mit viel Sex-Appeal und einer Western-Country-Pistole. Darauf freue ich mich", sagt Bowden, die vor drei Jahren in den Saarwiesen die Hauptrolle im Musical "Cabaret" übernommen hat. In diese Rolle schlüpft sie nach ihrem Bekunden öfter: "Ich bin auch privat ein bisschen wie Sally Bowles", gesteht die Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin, die nach ihren Worten Deutsch mit ihren Rollen gelernt und perfektioniert hat.

Seltenes Treffen mit der Familie

In Merzig gibt ein Wiedersehen zumindest mit einem Teil ihrer Familie: "Haben meine Eltern und mein Bruder in den USA die Aufführung ‚A Chorus Line ' besucht, kommen meine Mutter und mein Bruder zur Premiere im Zeltpalast". "Ich bin viel unterwegs und sehr selten zu Hause." Von einer Rolle träumt sie: als Roxy in dem Musical "Chicago" auf der Bühne zu stehen. Am Freitag war Premiere des Dolly-Parton-Stücks "9 to 5" - Drei Aufführungen sind seitdem mit Erfolg gelaufen -

Die Saarbrücker Zeitung hat bei der Premiere hinter die Kulissen der Aufführung geschaut - Die Spielzeit dauert noch bis zum 18. September.

Produktion dieser Seite:

wolf porz, mcg,

 Als Doralee begeistert Sarah Bowden das Publikum im Zeltpalast.

Als Doralee begeistert Sarah Bowden das Publikum im Zeltpalast.

 Edda Petri in der Rolle der Violet Newstead. Fotos: Rolf Ruppenthal

Edda Petri in der Rolle der Violet Newstead. Fotos: Rolf Ruppenthal

Christine Maack

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