Die starken Frauen auf der Ell

Merzig. Dass Nadja Kring an diesem windigen Märztag auf der Plattform des Sprungturms der Kaserne "Auf der Ell" steht, wäre vor acht Jahren noch unmöglich gewesen. Die 25-Jährige ist Absetzerin bei den Merziger Fallschirmjägern - genauer gesagt: beim Luftlandeunterstützungs-Bataillon 262

Merzig. Dass Nadja Kring an diesem windigen Märztag auf der Plattform des Sprungturms der Kaserne "Auf der Ell" steht, wäre vor acht Jahren noch unmöglich gewesen. Die 25-Jährige ist Absetzerin bei den Merziger Fallschirmjägern - genauer gesagt: beim Luftlandeunterstützungs-Bataillon 262. Als Absetzerin überprüft Kring bei Einsätzen oder bei Übungen, ob die Gurte der Fallschirmspringer sitzen, ob sie richtig eingehakt sind, sie gibt ihren Kameraden das Zeichen zum Absprung. Eine verantwortungsvolle Aufgabe. Frauen bei der Bundeswehr - eine Geschichte mit kurzer Vergangenheit: Über 40 Jahre ließ die Bundeswehr Frauen nur im Sanitäts- und Militärmusikdienst zu. Doch eine junge Elektronikerin namens Tanja Keil klagte erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof und so öffnete 2001 die Bundeswehr alle Bereiche auch für Frauen. Seit der Öffnung hat sich die Zahl der Soldatinnen bundesweit verdreifacht: Gab es im Jahr 2000 nur 4252 weibliche Berufs- und Zeitsoldaten, waren es im Januar 2007 bereits 13884. Ein Trend, der sich - wenn auch in deutlich kleinerem Umfang - auch am Standort Merzig zeigt: Haben vor 2001 nicht mehr als drei Soldatinnen im Jahr ihren Dienst versehen, sind es inzwischen 30 Frauen. Am östlichen Ende der Kaserne liegt die große lichte Halle der Fallschirmpacker. Bis zu 17 Soldaten stehen hier an den so genannten Packeinheiten, hellbraunen Holztische, die wie aneinander gereihte Werkbänke die Halle durchziehen. An einer der Packeinheiten steht Melanie Draeger, die mit konzentriertem Blick die Fallschirmseide glattstreicht. Mit geübten Griffen legt die 23-Jährige die einzelnen Bahnen, fasst jeweils 15 auf jeder Seite zusammen, kontrolliert das Basisnetz und legt so den 15 Meter langen Fallschirm Schritt für Schritt in rund 20 Minuten zusammen. Insgesamt fünfmal ruft sie die Aufsicht, um jeden Schritt und das Endergebnis kontrollieren zu lassen. Die Veranwortung, die auf den Schultern aller Fallschirmpacker liegt, ist groß - denn ein Fehler könnte im Extremfall ein Soldatenleben kosten. "Wir müssen dann auch mit einem selbst gepackten Fallschirm springen, den die Aufsicht zuvor willkürlich aussucht", erklärt die Saarländerin. Eine weitere Sicherheitsmaßnahme. Eigentlich ist Melanie Draeger in Saarlouis stationiert, doch in Stoßzeiten - wenn unter anderem bei Übungen viele Fallschirme in kurzer Zeit gepackt werden müssen - sind die schnellen und sorgfältigen Hände von Melanie Draeger bei den Merziger Fallschirmjägern sehr gefragt. Warum wollen Frauen zur Bundeswehr? "Ich wollte nie einen klassischen Frauenberuf", sagt zum Beispiel die 25-jährige Nicole Hirner, die den Standort-Feldwebel im Büro unterstützt. "Ich will nicht den ganzen Tag im Büro sitzen", betont andererseits Absetzerin Kring, die sich vor ihrer Zeit beim Bund erst einmal zur Arzthelferin ausbilden ließ und inzwischen in der Sanitätskompanie arbeitet. Und sie schwärmt von der Kameradschaft unter den Soldaten, die "nicht mit einer normalen Freundschaft zu vergleichen ist". Schon ihr Opa - ein ehemaliger Soldat - habe ihr von diesem besonderen Zusammenhalt der Soldaten untereinander erzählt. Auf acht Jahre hat sich die 25-Jährige verpflichtet und sich seit Beginn kontinuierlich weitergebildet: zur Kraftfahrerin, zur Rettungssanitäterin, zur Fallschirmspringerin und zur Absetzerin. Attraktiv bei der Bundeswehr finden viele Soldatinnen genau diese vielfältigen beruflichen Möglichkeiten. Insgesamt bietet die Bundeswehr am Standort Merzig über 20 verschiedene Ausbildungen und viele Fortbildungen an. Dies nützt auch die 18-jährige Marielle Degener, die gleich nach der Realschule zur Bundeswehr ging und sich nun zur Fachkraft für Lagerlogistik und zur Berufskraftfahrerin ausbilden lässt. Auch die 23-jährige Alicja Szwagiel entschied sich für acht Jahre Bund und absolvierte eine dreijährige Ausbildung zur Arzthelferin."Mir gefallen die Abwechslung und die Sportmöglichkeiten", sagt sie. "Und die Ordnung und Disziplin, die ich hier lerne, kann ich auch im normalen Leben brauchen". Doch Entscheidungsgründe hin oder her - wie ist der Alltag als Frau neben all den männlichen Kameraden? "Hier in Merzig sind die Soldaten Frauen gewöhnt", sagt Melanie Draeger. "Aber ich habe auch schon Lehrgänge erlebt, da haben die Soldaten nicht mit mir gesprochen." Auch von ihren Kameradinnen ist durch die Reihe zu hören: Es gebe keine Probleme mit ihren männlichen Kollegen. Ganz im Gegenteil: "Als Frau wird man automatisch von den Männern bevorzugt, das ist wohl der normale Beschützerinstinkt", sagt Absetzerin Nadja Kring. "Aber wir wollen gar keine Bevorzugung." "Als Frau wird man von den Männern automatisch bevorzugt. Das wollen wir aber gar nicht."Nadja Kring"Die Ordnung und Disziplin, die ich hier lerne, kann ich auch im normalen Leben brauchen." Alicja Szwagiel

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