Die Merziger Zeitung wurde für einige Tage verboten

Merzig · Kein Thema bewegt in diesen Tagen die Gemüter im Land so sehr wie die durch die Flüchtlingskrise bedingte Masseneinwanderung nach Deutschland. In unserer Serie wird die Zuwanderung in die Merziger Region während der vergangenen 200 Jahre auch als Geschichte der auf vielfache Weise stattgefundenen Begegnung mit dem Fremden dargestellt.

Dazu kamen die fremde Sprache und auch der ungewohnte Klang der französischen Militärmusik. Waren schon die Klänge der Clairons der französischen Militärkapellen den an deutsche Marschmusik gewohnten Ohren fremd, und kostete das Grüßen der Trikolore durch Abnehmen des Hutes jedes Mal Selbstüberwindung, so traf die Anwesenheit ostasiatischer und afrikanischer Soldaten in der Besatzungsarmee den europäischen Stolz der deutschen Bevölkerung. Die Bevölkerung in der Merziger Region, wie auch sonst überall im Saarland, sah dies geradezu als eine regelrechte "Schmach" an. Wenn zwar nur für kurze Zeit, so bekam die Bevölkerung in der Merziger Region sogar auch amerikanische Soldaten zu Gesicht. Ein kleines Kontingent hielt am 4. Dezember 1918 in Wadern Einzug, was die junge Chronistin Waldtraut Schulz, die diesem Trupp Amerikaner begegnete, zu folgender Bemerkung in ihrem Tagebuch veranlasste: "Der Eindruck ist nicht sehr hervorragend. Unsere zogen in tadelloser Ordnung mit Haltung und Festigkeit im Gang hier durch. Das fehlt ihnen aber auch alles."

Die hiesige Bevölkerung wusste natürlich nicht so recht, was sie von der französischen Besatzung zu erwarten hatte. Die Anordnungen, die von der Besatzungsmacht erlassen worden waren, verhießen nichts Gutes. Die beiden Merziger Zeitungen veröffentlichten am 4. Dezember 1918 die Bekanntmachung, in der unter anderem bestimmt wurde: "Niemand darf das Armeegebiet ohne Erlaubnis des kommandierenden Generals verlassen. Innerhalb der Gemeinde ist der Verkehr zu Fuß von 6 bis 20 Uhr frei, außerhalb der Gemeinde darf niemand ohne schriftliche Erlaubnis verkehren. Dasselbe gilt für den Verkehr mit Wagen, Rädern usw. Die öffentliche Zeit ist die französische Zeit. Ansammlungen sind verboten, Vereinigungen, Vorstellungen und Versammlungen nur nach Vorlegung des Programms und mit Erlaubnis der Ortsmilitärbehörde gestattet. Es darf nichts, auch keine Zeitung, ohne Erlaubnis des kommandierenden Generals gedruckt werden. Alle Briefe, Korrespondenzen, Botschaften und Telegramme sind auf dem Bürgermeisteramt abzugeben, um dem Platzkommandanten vorgelegt zu werden. Brieftauben sind anzumelden. Schnapsverkauf ist untersagt, die Wirtschaften bleiben von 8 Uhr abends bis 8 Uhr morgens geschlossen. Alle Zivilisten haben bei jeder Gelegenheit und an jedem Orte gegenüber den französischen und alliierten Offizieren eine achtungsvolle Haltung anzunehmen. Die Polizeidiener und Beamten der öffentlichen Gewalt sowie die Eisenbahnbeamten und Förster haben die Offiziere zu grüßen. Das Tragen und der Gebrauch photographischer Apparate ist ohne Erlaubnis der Ortsmilitärbehörde verboten. Die Preise der Waren sind in Mark und Franken anzugeben."

Es blieb nicht aus, dass es in der Folgezeit immer wieder zu Verstößen gegen die Anordnungen kam. Auch die Merziger Zeitung war hiervon betroffen. Für einige Tage wurde ihr Erscheinen untersagt, beziehungsweise wurde ihr nur erlaubt, die offiziellen Bekanntmachungen der Militärbehörde, des Landrates und der Bürgermeisterämter im reinen Wortlaut zu veröffentlichen. Der Grund für das Verbot könnte auf einem Verstoß gegen eine französische Verfügung beruhen, die es den Zeitungen untersagte, die alliierten Truppen weiterhin als "feindliche Truppen " zu bezeichnen. Daneben untersagte die Anordnung der Militärbehörde den Zeitungen , Propaganda für die Arbeiter- und Soldatenräte zu betreiben. Die französische Zensur bezeichnete diese als "Soviets". Da die Merziger Zeitung während der Zeit, als sich auch hier in der Region solche Räte gebildet hatten - deren Tätigkeit war von den Franzosen beendet worden - das offizielle Veröffentlichungsblatt des Arbeiter- und Soldatenrates Merzig darstellte, könnte sie auch gegen diese Bestimmung verstoßen haben und aus diesem Grund verboten worden sein. Obwohl es zu keinen Anschlägen auf die Besatzungstruppen kam, schienen die Franzosen dem Frieden zunächst dennoch keineswegs getraut zu haben. Vielmehr fürchteten sie in gewissem Maße um ihre Sicherheit. In der Festnahme von Geiseln Anfang Dezember 1918 äußerte sich diese Furcht. In erster Linie hatten einige Bergarbeitergemeinden im Saarbrücker und Neunkircher Raum Geiseln zu stellen. Doch war auch die Gemeinde Losheim von Maßnahmen dieser Art betroffen, wie der nachstehenden Notiz der Merziger Zeitung vom 18. Dezember 1918 zu entnehmen ist, in der es heißt: "Losheim hat sieben Geiseln zu stellen. Ausgesucht sind der Bürgermeister, der Arzt, der Apotheker usw. - jedoch niemand aus dem Gemeinderat."

Am 23. Dezember 1918 sah sich die Merziger Zeitung veranlasst, folgenden Appell an die Bevölkerung zu richten: "Hütet die Zunge! Die Bevölkerung wird dringend davor gewarnt, irgendwelche Gerüchte zu verbreiten, die geeignet sind, Unruhe in der Stadt oder bei den Besatzungstruppen zu verbreiten. Abgesehen davon, dass dadurch das hier bestehende gute Einvernehmen mit den Besatzungsbehörden zum Nachteil der Stadt beeinträchtigt werden muss, laufen derartige Schwätzer auch Gefahr, dem Kriegsgericht vorgeführt und streng bestraft zu werden."

< wird fortgesetzt.

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