Deutschland wird zur Kolonialmacht – und der Rassismus blüht auf

Kein Thema bewegt seit längerer Zeit die Gemüter im Land so sehr wie die durch die Flüchtlingskrise bedingte Masseneinwanderung nach Deutschland. In diesem Beitrag soll die Zuwanderung in die Merziger Region während der vergangenen 200 Jahre auch als eine Geschichte der auf vielfache Weise stattgefundenen Begegnung mit dem Fremden dargestellt werden.

 Schon 1913 beschäftigte sich eine Ausstellung in Saarbrücken mit den Kolonien. Foto: Archiv

Schon 1913 beschäftigte sich eine Ausstellung in Saarbrücken mit den Kolonien. Foto: Archiv

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Bereits lange vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren rassistische Vorstellungen, das heißt, Lehren von der Überlegenheit der "weißen Rasse" und Ressentiments gegenüber fremden Völkern und Kulturen, in Deutschland vorhanden. Diese Vorstellungen beriefen sich vor allem auf Charles Darwins Lehre von der natürlichen Auslese und dem "Überleben des Stärksten". Darwin war im Rahmen seiner Forschungen zu dem Ergebnis genommen, dass die Entwicklung der Arten von den Prinzipien Variation, Vererbung und Überproduktion an Nachkommen abhänge, dass der "Kampf ums Dasein" zur Auslese führe, wodurch das "Überleben der Tüchtigsten" begünstigt werde.

Darwins Lehre bezog sich allerdings lediglich auf die Entwicklungen des Tierreichs. In unzulässiger Übertragung auf die Geschichte der Völker wurden Darwins Thesen als Ergebnis eines ewigen Kampfes von höher- und minderwertigen Rassen interpretiert und so berief sich alle Welt auf Darwin und deutete seine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in banalisierter Form auf die Gesellschaft um. Man hat diese Auffassung als "Sozialdarwinismus" bezeichnet. Die angebliche "Überlegenheit der weißen Rasse" wurde zu einem zen-tralen Argument bei der Eroberung von Kolonien in Afrika und Asien sowie der Unterdrückung der "Schwarzen", wie auch der Chinesen und anderer nicht europäischer Völker.
Die Welt war aufgeteilt

Deutschland war sozusagen ein kolonialer Spätzünder und bis 1871 in viele Einzelstaaten zersplittert. Die Großmächte Spanien, Portugal, England und Frankreich hatten zu diesem Zeitpunkt die Welt längst unter sich aufgeteilt. Und wäre es nach Otto von Bismarck gegangen, hätte sich daran auch nach der Reichsgründung von 1871 nicht viel geändert. Der Reichskanzler wollte nicht das fragile europäische Machtgleichgewicht mit kolonialem Muskelspiel gefährden.

Sozialdarwinistische Ansichten, die sich vor allem in außenpolitischen Forderungen und dem Streben nach Kolonialbesitz äußerten, wurden dann allerdings besonders enthusiastisch im wilhelminischen Deutschland vertreten. Hier hatte daneben weiteres, sogenanntes deutschnationales Gedankengut Konjunktur. In den Köpfen vieler Zeitgenossen, die diesem Gedankengut anhingen und auch als "Alldeutsche" bezeichnet wurden, geisterte der Wahn vom Überlebenskampf deutscher Kultur gegen "angelsächsischen Handelsgeist", "lateinische Dekadenz" oder "slawische Barbarei". Rassismus und Antisemitismus waren in diesen Kreisen ebenfalls stark verbreitet.

So begann dann ab 1884 doch die deutsche Kolonialzeit, als das Deutsche Reich Kolonien in Afrika, China und im Pazifik in Besitz nahm. Die bekannteste war Deutsch-Südwestafrika, das heutige Namibia. Im gleichen Jahr kamen Kamerun und Togo in Westafrika und ein Jahr später mit Deutsch-Ostafrika Besitzungen in Tansania, Burundi und Ruanda hinzu. Inseln im Pazifik und Kiautschou im Nordosten Chinas zählten ebenfalls zum deutschen Kolonialreich.

Der in Deutschland sich mehr und mehr manifestierende Rassismus war deshalb nicht zuletzt auf die Begegnungen mit fremden Völkern und Kulturen in den deutschen Kolonien zurückzuführen.

Ein ganz besonders dunkles Kapitel in der deutschen Kolonialgeschichte stellt die Tatsache dar, dass in Deutsch-Südwestafrika zwischen 1903 und 1908 Tausende Angehörige der Stämme der Herero und Nama, die von den Deutschen als "Hottentotten" bezeichnet wurden, bei Kämpfen, in Gefangenenlagern und auf der Flucht ums Leben kamen. Dabei trieben die Deutschen mitnter auch Frauen und Kinder in die Wüste und überließen sie dort ihrem Schicksal. Die Deutschen werden zudem für Vernichtungsfeldzüge in Ostafrika verantwortlich gemacht, wo 150 000 Menschen beim "Maji-Maji-Aufstand" zwischen 1905 und 1907 getötet worden sein sollen. Mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg ging die kurze deutsche Kolonialzeit, die im Grunde nur rund 30 Jahre andauerte, schon wieder zu Ende, in Afrika ebenso wie in Asien und im Pazifik. < Wird fortgesetzt.

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