„Der Schaden wird in Kauf genommen“

Merzig · Der Geschäftsführer der Hochwald-Touristik GmbH, Michael Diversy, spricht über seine Absetzung und die aktuelle Situation

 Michael Diversy, Geschäftsführer der Hochwald-Touristik. Foto: Rolf Ruppenthal

Michael Diversy, Geschäftsführer der Hochwald-Touristik. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Welche Gründe gibt es Ihrer Meinung nach für die Mehrheit im Weiskircher Gemeinderat, Ihren Vertrag nicht mehr auf fünf Jahre zu verlängern?

Michael Diversy: Eine klare Begründung gab es nicht. Es lässt sich aber vermuten, dass es darum geht, den starken und erfolgreichen Weiskircher Tourismus komplett umzubauen, oder auch in der bisherigen Form abzuschaffen, weil man den wahren Wert des Tourismus nicht erkennt. Man hat wohl gefürchtet, dass ich diesen Weg dann über weitere fünf Jahre blockieren könnte. Irgendeine nachvollziehbare Kritik an meiner Tourismuspolitik oder an meiner Leistung gab es nicht.

Es war die Rede, dass man Ihnen in der Aufsichtsratssitzung einen Zwei-Jahresvertrag angeboten hat. Wer hat diesen Vorstoß gemacht? Und wie haben sich die übrigen Parteien verhalten?

Diversy: Ein konkretes Angebot für einen Zwei-Jahresvertrag gab es nicht. Es wurde lediglich als Möglichkeit lose darüber diskutiert. Die Mehrheit der Aufsichtsräte hat es jedoch abgelehnt und stattdessen die Verlängerung über fünf Jahre beschlossen. Genauso hat dann der Hauptausschuss die Verlängerung mehrheitlich bestätigt. Zur allgemeinen Verwunderung hat dann im Gemeinderat die SPD-Fraktion eine Kehrtwende vollzogen, ihre vorherige Enthaltung aufgegeben und für meine Kündigung gestimmt. Das nicht nur ich selbst, sondern vor allem der Tourismus im ganzen daran Schaden nimmt, hat man billigend in Kauf genommen.

Warum war es Ihnen nicht möglich, diesen Zwei-Jahres-Vertrag anzunehmen?

Diversy: Wie schon gesagt, stand ein Zwei-Jahresvertrag gar nicht zur Debatte und wurde mir auch nicht konkret angeboten. Mein Vertrag, der auch mehrfach von der Kommunalaufsicht geprüft und für richtig befunden wurde, sieht nun mal fünf Jahre vor. Kürzere Laufzeiten bietet man jungen Leuten beim Berufseinstieg an oder älteren Arbeitnehmern kurz vor der Rente. In einem Fall wie meinem, mit 25 Jahren Berufserfahrung, und erfolgreicher Arbeit sind solche kurzen Laufzeiten weder üblich noch angemessen.

Seit wann arbeiten Sie im Tourismus der Gemeinde Weiskirchen?

Diversy: Ich habe in Saarbrücken Betriebswirtschaft studiert, arbeite als Diplom-Betriebswirt seit 1992 in Weiskirchen. Zunächst, war ich bei den Hochwald-Kliniken beschäftigt, später habe ich das Parkhotel Weiskirchen mit eröffnet und erfolgreich an den Markt gebracht. Seit rund zehn Jahren bin ich nun Geschäftsführer der kommunalen Hochwald- Touristik GmbH. Ich kenne das touristische Geschäft also aus allen wichtigen Blickwinkeln und konnte schon von daher einiges bewegen.

Sie haben das Amt vor rund zehn Jahren von Kurdirektor Kurt Meyer übernommen. Wie haben sich im Laufe der Zeit die Übernachtungszahlen entwickelt?

Diversy: Mein Vorgänger hat gute Arbeit geleistet. In seiner Zeit wurden aber die klassischen Kuren gesetzlich abgeschafft und durch Rehabilitation ersetzt, was etwas völlig anderes ist. Das führte zu starken Einbrüchen. Als ich vor zehn Jahren als Geschäftsführer begonnen habe, hatten wir noch grade 170 000 Übernachtungen. Heute haben wir weit über 200 000 und sind damit einer der stärksten Tourismusorte im Saarland. Wir konnten uns in der Vergangenheit durch eine kluge und moderne Tourismuspolitik jährlich um circa vier Prozent steigern, mit einer deutlichen Tendenz nach oben auch in den nächsten Jahren.

Was haben Sie im Laufe der Zeit weiter auf den Weg gebracht?

Diversy: Am wichtigsten war wohl der kontinuierliche Umbau des Ortes vom althergebrachten, etwas angestaubten Kurort zu einem modernen Premium-Wanderer- und Wellness-Reiseziel. Wir haben alle Qualitäten des Kurortes beibehalten, aber um neue Angebote ergänzt. Damit konnten wir ganz neue Zielgruppen erreichen und langfristige Trends bedienen. Das war eine Riesenaufgabe, aber wie unsere Zahlen beweisen, hat sehr gut funktioniert.

Es ist natürlich nicht mein alleiniger Verdienst. So etwas kann nur gelingen, wenn viele Menschen mit ziehen. Meine touristischen Kollegen in den anderen Kommunen und im Landkreis sind hier extrem wichtig. Wir sind ein kreisweites Team, das nur gemeinsam erfolgreich sein kann. Aber auch in Weiskirchen sind und waren es viele Personen, die aktiv und mit viel Einsatz an diesem Prozess mitgewirkt haben. Dazu zählt natürlich auch der Bürgermeister und die stärkste Ratsfraktion, die jetzt leider von einer merkwürdigen Koalition überstimmt wurde. Ich hoffe wirklich, dass dieser eingeschlagene Weg in die Zukunft der Gemeinde jetzt nicht leichtfertig wegen parteipolitischer Spielchen blockiert wird. Dafür ist das Thema zu ernst und auch zu wichtig.

Sie sprachen einmal davon, dass der Tourismus in Weiskirchen Ihr Baby ist. Was bedeutet dies?

Diversy: Wenn man 25 Jahre mit Herzblut in einem Ort und an einem Thema arbeitet, so schafft das eine intensive Verbindung. Für mich ist Tourismus in Weiskirchen und im Hochwald mehr als ein Job. Es ist auch nicht bloß Beruf; es ist Berufung! Meine ganze Energie, meine ganze Kreativität und meine ganze Schaffenskraft stecken darin. Irgendwann zählen dann auch keine Wochenenden oder Überstunden mehr, man tut es einfach und freut sich gemeinsam mit anderen, wenn es klappt.

Was hat sich im Laufe der zehn Jahre in der Tourismusbranche verändert?

Diversy: Es ist alles viel schneller und professioneller geworden als früher. Die Zielgruppen haben sich total verändert. Das Internet hat viel dazu beigetragen. Heute braucht man neue Strategien und vor allem Kooperationen. Der Gast sucht und bucht heute mehr themenorientierte Angebote. Insbesondere wird heute auch mehr nach der Region entschieden, nicht so sehr nach dem einzelnen Ort. Daher ist eine längst geplante Bündelung aller touristischen Kräfte im Hochwald unter der Führung des Landkreis so wichtig. Die Pläne und Vorschläge dazu sind von mir und meinen Kollegen schon seit über zwei Jahren in Arbeit. Ich hätte mich gefreut, die Gemeinde Weiskirchen in einer solchen schlagkräftigen Organisation touristisch noch weiter stärken zu können. Leider wurde es nun anders entschieden. Wer allerdings glaubt, dass man damit das Rad in Weiskirchen zurückdrehen kann, der irrt. Moderne Zeiten lassen sich nicht aufhalten.

Welche Vorteile hat nach Ihrer Ansicht eine solche Institution wie die Hochwald-Touristik gegenüber einer Arbeit aus der Verwaltung heraus? Wo liegen die Vorteile, die die Hochwald-Touristik hat?

Diversy: Nicht nur die Hochwald-Touristik, sondern eigentlich alle modernen Touristikgesellschaften sind heute GmbHs. Eine GmbH kann wesentlich schneller und flexibler handeln als eine klassische Verwaltungsabteilung. Man ist weniger an Verwaltungsvorschriften gebunden, kann das Personal flexibler einsetzten und unterm Strich auch deutlich kostengünstiger arbeiten. Für kleine Orte mag eine in die Verwaltung integrierte Tourist-Info angehen. Ein touristisches Schwergewicht wie Weiskirchen ist mit einer GmbH besser bedient. Dabei ist eine GmbH mindestens genau so gut, wenn nicht gar besser zu kontrollieren. Neben den kommunalrechtlichen Gremien und Kontrollen kommen alle Verpflichtungen aus dem Handelsgesetzbuch noch dazu. Allerdings kann diese Kontrolle leider auch zu parteitaktischem Geplänkel benutzt werden.

Sie sprachen davon, dass Weiskirchen keine Insel ist, sondern mit den übrigen Touristikern vernetzt ist. Was bedeutet dies?

Diversy: Der Gast von heute denkt etwas anders als früher: Er sucht nach einem Reise-Thema wie etwa unserem gemeinsam auf die Beine gestellten Saar-Hunsrück-Steig. Damit interessiert er sich für die ganze Region. Wenn diese Region jetzt gemeinsam auftritt und Hundertausende von Gästen anspricht, hat jeder Ort mehr davon, als wenn er einzeln auftritt. Daher ist diese Vernetzung und die intensive Zusammenarbeit bis hin zur Fusion so extrem wichtig. Wir haben dafür die Grundlagen bereits gelegt. Unsere gemeinsamen Reise-Themen und unser gemeinsamer Auftritt als Region stehen bereits und werden ständig verbessert und intensiviert.

Wenn nun ein Ort ausschert, weil politisch fragwürdige Entscheidungen getroffen wurden, ist das ein Schaden für den Ort selbst, der um so schlimmer wird, eben weil die ganze Region miteinander vernetzt ist. Ich bin allerdings nicht so sicher, ob diese vernetzte moderne Denkweise und die daraus resultierende Verantwortung überall begriffen wurde.

Finanziell gesehen, wie profitiert Weiskirchen vom Tourismus? Wie viele Arbeitsplätze hängen am Tourismus in Weiskirchen?

Diversy: Der Tourismus ist die wichtigste und stärkste Einzelbranche, die Weiskirchen hat. Im Gegensatz zu früher sind die "neuen" Touristen, wie etwa Wanderer oder Wellnessgäste nicht den ganzen Tag auf der Straße zu sehen, trotzdem sind sie da und machen enorme Umsätze. Es gab schon mehrere unabhängige Untersuchungen zum Kosten-/Nutzen-Verhältnis in Weiskirchen, die alle zum gleichen Ergebnis kamen. Ganz neutrale und aktuelle Zahlen sagen: Weiskirchen macht einen touristischen Gesamtumsatz von etwa 40 Millionen Euro.

Ungefähr 800 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt vom Tourismus ab. Die Gemeinde-Kasse bekommt mittelbare Steuern aus dem Tourismus von zirka 880 000 Euro. Diese Zahlen sind nicht schöngerechnet, sondern sehr real, auch wenn einige Menschen das nicht sehen wollen und deshalb die Bedeutung des Themas falsch einschätzen.

Sie sprachen davon, dass die HTG Kosten von anfangs 800 000 Euro auf rund 500 000 Euro runterdrücken konnte. Wie ist dies gelungen?

Diversy: Auch bei unseren Einsparungen hieß das Zauberwort "Zentralisierung". Man hat 2008 alle touristischen Angelegenheiten der Gemeinde und damit auch alle Kosten bei der Hochwald-Touristik zentralisiert. Vorher waren die eher im Gemeindehaushalt verstreut. Damit war es mir möglich, ein intelligentes Kostenmanagement zu betreiben. Ergänzt um den Vorteil der GmbH, konnte ich so viele Synergien nutzen. Personal konnte flexibler eingesetzt werden, und viele kleine und große Positionen in diesem Gesamtbudget konnten optimiert werden. Heute haben mein kleines, aber schlagkräftiges Team und ich es geschafft, dass wir höhere Leistung zu geringeren Kosten erbringen können als je zuvor.

Welches Fazit ziehen Sie?

Diversy: Mein Fazit: Weiskirchen war und ist auf einem touristisch guten Weg, gemeinsam mit anderen Kommunen. Nie war der Weiskircher Tourismus effektiver und kostengünstiger als in den letzten Jahren. Ich bin zutiefst besorgt, dass nun ein Weg eingeschlagen wird, der dem Ort selbst, aber auch der Hochwald-Region, dem Landkreis und dem ganzen Saarland schadet.

Zum Thema:

Neuordnung für den Tourismus? Einen ersten Konzeptentwurf zur Bündelung der Tourismusarbeit im Grünen Kreis liegt vor. Das teilte Peter Klein, Geschäftsführer der Saarschleifenland-Tourismus GmbH, auf SZ-Anfrage mit. Bei der Diskussion um den Mehrheitsbeschluss, den Vertrag von Michael Diversy, dem Geschäftsführer der Hochwald-Touristik, nicht mehr zu verlängern, hatten Henry Selzer von der GAL und Wolfgang Sauer, CDU-Fraktionschef im Weiskircher Gemeinderat, eine mögliche Tourismusgesellschaft für den Kreis und eine interkommunale Zusammenarbeit angesprochen. Der Plan wird laut Klein noch kontrovers diskutiert, viele Fragen sind noch offen. Zurzeit würden Details geklärt und das Konzept ausgesarbeit. "Eine konkrete Ausgestaltung und der Zeitplan der Umsetzung sind noch offen."

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