„Der Dicke muss weg!“ forderten Saarstatut-Gegner vor 60 Jahren

Merzig · Merzig-Wadern. Vor 60 Jahren – im Oktober 1955 – wurde nach einem heftig geführten Abstimmungskampf eine Volksbefragung über die Zukunft des Landes durchgeführt, wobei 67,7 Prozent der Saarländer mit „Nein“ stimmten und sich damit gegen das Saarstatut entschieden. Dieses war die Vision des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, der das Saarland zum ersten europäischen Territorium machen wollte. Mit einer Serie erinnert die Saarbrücker Zeitung daran, was sich rund um diese Abstimmung im Landkreis zugetragen hat.

 Die Karikatur Hoffmanns mit dem Spruch „Der Dicke muss weg!“ war markanteste Parole des Abstimmungskampfes. Foto: Archiv Schommer

Die Karikatur Hoffmanns mit dem Spruch „Der Dicke muss weg!“ war markanteste Parole des Abstimmungskampfes. Foto: Archiv Schommer

Foto: Archiv Schommer

Vor 25 Jahren, am 3. Oktober 1990, war wohl für die meisten Deutschen ein langersehnter Wunsch in Erfüllung gegangen. Die Teilung in zwei Staaten war aufgehoben worden, als die neuen Bundesländer im Osten der Bundesrepublik Deutschland beitraten. Die deutsche Wiedervereinigung war damit abgeschlossen. Nur die wenigsten erinnern sich heute jedoch noch daran, dass bereits am 1. Januar 1957 eine erste, "kleine" Wiedervereinigung im Westen stattgefunden hatte. Damals war das Saarland nämlich Teil der Bundesrepublik Deutschland geworden. Vor nunmehr 60 Jahren, am 23. Oktober 1955, hatten die Saarländer die Rückkehr ihres Landes zu Deutschland durch die Ablehnung des so genannten "Saarstatuts" in die Wege geleitet. "Der Dicke muss weg!" - Das war die Losung der so genannten "Heimatbundparteien" im Abstimmungskampf im Sommer und Herbst 1955. In diesem Beitrag sollen die Ereignisse während dieser Zeit speziell im Kreis Merzig-Wadern nachgezeichnet werden.

Da nach 60 Jahren wohl nur noch die wenigsten wissen, was genau das damals zur Abstimmung gestellte Saarstatut beinhaltet hat, ist es sinnvoll, zunächst eine kurze Rückschau zu halten: Nach der Zerschlagung des Dritten Reiches und der Besetzung Deutschlands durch die vier Siegermächte hatte Frankreich die Saar Zug um Zug aus seiner Besatzungszone herausgelöst und die Grenzen des 1919 im Rahmen des Versailler Friedensvertrages geschaffenen Saargebietes noch großzügig auf Kosten des Landes Rheinland-Pfalz erweitert.

Die Franzosen hatten den festen Willen, das Industrierevier an der Saar wirtschaftlich an Frankreich zu binden und politisch außerhalb des deutschen Staatsverbandes zu verselbständigen. Vor diesem Hintergrund vollzogen sich die Anfänge der saarländischen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Entwicklung und die Beweggründe der französischen Saarpolitik wurden dabei von dem Anspruch auf äußere Sicherheit und Wiedergutmachung der erlittenen Kriegsschäden bestimmt. Es galt, durch die Einbeziehung der Saar in das französische Wirtschaftssystem das deutsche Industriepotential zu schwächen, das französische gleichzeitig zu stärken und so für alle Zukunft eine wirtschaftliche und politische Vormachtstellung Deutschlands zu verhindern.

Zur Durchsetzung einer neuen politischen Ordnung an der Saar bedurfte Frankreich allerdings nicht zuletzt der Mitarbeit der Saarländer. Die französische Besatzungsmacht fand einen kooperationsbereiten Personenkreis in den zumeist aus dem Exil zurückkehrenden Führungsgarden der später tonangebenden Christlichen Volkspartei (CVP) unter dem ehemaligen Journalisten Johannes Hoffmann - im Saarland kurz "Joho" genannt - und der Sozialdemokratischen Partei Saar (SPS) unter Richard Kirn.

Am 15. Dezember 1947 schlug sozusagen die Geburtsstunde des "eigenständigen" Saarlandes. Der Landtag setzte die saarländische Verfassung in Kraft. Sie besaß viele Ähnlichkeiten mit den Verfassungen anderer westdeutscher Länder. Allerdings wies die saarländische Verfassung gegenüber den übrigen Verfassungen im Westen Deutschlands einen ganz entscheidenden Unterschied auf. In der Präambel der Saar-Verfassung hieß es nämlich programmatisch: "Das Volk an der Saar gründet seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an die französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr, die einschließen: die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom Deutschen Reich."

Diese Bestimmungen der Präambel waren die Bedingung Frankreichs für die Entlassung des Saarlandes aus dem Besatzungsstatus. Johannes Hoffmann machte sich neben anderen für die Annahme dieser Bestimmungen stark. Im wirtschaftlichen Anschluss konnte er, zu dieser Zeit übrigens sicherlich in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Saarländer, in der damaligen Situation nur einen Vorteil erkennen. Die unbestreitbaren Fortschritte in wirtschaftlicher Hinsicht während seiner Regierungszeit gaben ihm zumindest in dieser Beziehung Recht. Diese Erfolge bescherten ihm in den ersten Jahren seiner Amtszeit ein hohes Ansehen bei der überwiegenden Mehrheit der saarländischen Bevölkerung.

Seine Popularität beruhte neben den wirtschaftlichen Erfolgen und sozialen Errungenschaften nicht zuletzt auf seiner Leutseligkeit, seinem im Grunde einfachen Wesen, der rundlichen Statur, die Gemütlichkeit ausstrahlte, seinem väterlichen und darum auch landesväterlichen Typus. Auch der einprägsame Spitznamen "Joho", der von einer im Journalismus üblichen Abkürzung aus seiner Zeit als Chefredakteur stammte, kann als Beleg für eine gewisse Volkstümlichkeit Hoffmanns angeführt werden. < wird fortgesetzt.

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