Spürayer am Bahnhof Der City-Bahnhof nimmt Farbe an

Merzig · Für einen Workshop mit Jugendlichen kam der bekannte Graffiti-Künstler Tasso in die Kreisstadt Merzig.

Roter Hut mit hellblauem Streifen, grünes Hemd, rotes Nickituch: Jetzt braucht das lustige Männchen eine saubere Kante. Und die gibt’s nur mit einer Schablone. Mit schlafwandlerischer Sicherheit legt Hannes Brosisus sie an das Hemd. Dann kommt wieder die Spraydose zum Einsatz. Wertvolle Tipps von Mama Sabine Brosius  hat der 13-Jährige längst verinnerlicht: Abstand von Bild zur Dose etwa 30  Zentimeter, immer in Bewegung bleiben, auf keinen Fall an einer Stelle stehen bleiben, da sonst zu viel Farbe darauf kommt. Bei dem Workshop mit dem bekannten Sprüher Tasso greift die Künstlerin aus Mettlach zur Dose, damit die Unterführung zum Bahnhof „City“ und der Aufgang zum Stadtpark sich von Tristesse pur in ein fantasievolles Bunt verwandelt.  Den Star unter den Sprühern  haben  Nicole Müller aus Merzig und Sabine Brosius  angeheuert, um die Kreisstadt bunter zu machen. „Mit der Stadt Merzig, ihrem Beigeordneten Dieter Ernst, Heike Wagner und Franziska Barth vom Jugendhaus haben wir den coolen Workshop organisiert“, verrät Müller. „Ob junge Leute oder eine ältere Dame mit Rollator: Sie waren sich einig, dass die Graffiti gut aussehen“, so Sabine Brosius. Ein paar Meter von Hannes entfernt nimmt sich ein weiterer Sprayer ein weiteres Stück Grau vor. Seine Farben: Pink, Grün und sattes Blau. Auch die  Unterführung nimmt Farbe an.  Eine  Gestalt in Lila  scheint alle Zeit der Welt zu haben. In der einen Hand trägt er einen Koffer, mit der anderen Hand hält er seinen Zylinder fest  und lustwandelt  unter einer Riesenbiene. Dem Mann stürzt ein Passagier in Grün entgegen, der dringend den Zug erreichen will. Dass er seine Taschenuhr verliert, scheint der Eilende nicht zu merken.

Die Graffiti-Legende Tasso entscheidet sich für ein Gerippe in weinrotem Kapuzen-Bademantel  mit Herzen. In der Hand hält es eine Eieruhr – ein Symbol, dass das Leben wie Sand verrinnt. Gegenüber: ein lustiges Ferkel, das den Fußgängern entgegenspringt, ein Radfahrer in Meerblau, ein Punk in Schwarz mit Irokesenschnitt in Lila, eine tanzende Suleika und, und, und. „Es ist Wahnsinn, dass es nur positive Resonanz auf unsere Aktion gab“, freut sich Tasso über den Erfolg der zehnköpfigen Crew – eine Feststellung, die Merzigs erster Beigeordneter Dieter Ernst bestätigt. „Mich haben jede Menge  E-Mails erreicht, alle waren positiv. Eine Mitarbeiterin des Rathauses hat beobachtet, wie eine ältere Dame stehen geblieben ist eine Kamera aus der Tasche nahm und die Graffiti fotografiert hat.“

Auch Ernst gerät über die gelungene Aktion ins Schwärmen, ebenso wie über die Fantasie, mit denen die jungen Leute ans Werk gegangen sind. „Passend zum  Bahnhof haben  sie sich für das Thema Bewegung entschieden und die Motive grandios umgesetzt.“  Eine Wiedeholung  schließt er nicht aus, zumal Tasso zugesichert hat, für einen weiteren Workshop zurück zu kehren. Denn in einem sind sich Ernst, Tasso, Nicole Müller und Sabine Brosius einig: Merzig hat noch jede Menge grauer Stellen. Um denen Farbe verleihen, ist es gut, auf einen solchen Lehrmeister zurückgreifen zu können.  Denn der Sprayer aus Meerane, einer Stadt bei  Zwickau, ist einer der besten seines Fachs und hat sich weltweit einen Ruf erworben.

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