Früh „Das Projekt soll weiter alle Kinder erreichen“

Spielerisch an die Musik heranführen, ist nach Worten von Dieter Boden, Leiter der Musikschule, das Ziel des Projektes „Früh übt sich“.

 Der Präsident der Merziger Lions, Markus Kniesbeck (r.), überreicht zusammen mit der Schirmherrin des Benefizkonzerts und Staatssekretärin im Ministerium für Bildung und Kultur, Christine Streichert-Clivot die Spende an den Leiter der Merziger Musikschule, Dieter Boden.

Der Präsident der Merziger Lions, Markus Kniesbeck (r.), überreicht zusammen mit der Schirmherrin des Benefizkonzerts und Staatssekretärin im Ministerium für Bildung und Kultur, Christine Streichert-Clivot die Spende an den Leiter der Merziger Musikschule, Dieter Boden.

Foto: Tina Leistenschneider

Was hatte Sie dazu bewogen, für Kinder das Förderprogramm „Früh übt sich“ aufzulegen?

BODEN: Wir in der Musikschule im Landkreis Merzig-Wadern sind fest davon überzeugt, dass wir bei aller Wichtigkeit der M.I.N.T.-Fächer (Mathematik – Naturwissenschaften – Informatik und Technik) die emotionale Bildung – die Sprache des Gefühls – nicht vergessen dürfen. Es ist unsere Vision, dass wir alle Kinder und Jugendlichen im Landkreis Merzig-Wadern durch musikalische Bildung bereichern können. Hier geht es nicht darum, aus allen Kindern einen kleinen Mozart oder Beethoven zu machen. Vielmehr sollen die Kinder ihre Persönlichkeit entfalten und die Schlüsselqualifikationen erwerben, die zunehmend auch in den Personalabteilungen der Firmen auf Personalsuche Beachtung finden. Die aktuellen Brandbriefe aus allgemeinbildenden Schulen stützen uns in unserer Meinung. Hier wird auf die fehlende emotionale Bildung hingewiesen, bei der alle – unabhängig von Herkunft oder finanziellem Hintergrund – auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten und gemeinsam den Erfolg erleben.

Ab welchem Alter hat die Musikschule Merzig-Wadern Mädchen und Jungen die Möglichkeit geboten, mit Musik in Berührung zu kommen?

BODEN: Wir streben ein durchgängiges System von ganz früh bis zum hohen Alter an. Unsere frühkindliche Musikerziehung – die Musikraben – beginnt bereits im Alter von etwa 18 Monaten in Kursen für Eltern und Kind. Hier wird auch den Eltern das gemeinsame Singen in der Familie, das schon lange nicht mehr selbstverständlich ist, vermittelt und ein Grundstein für Hausmusik gelegt. Im Kindergarten bietet das kostenlose Angebot „Früh übt sich“ allen Kindern der Einrichtung unabhängig von Herkunft oder finanzieller Ausstattung die Möglichkeit einer allgemeinen Musikalisierung und damit einer umfassenden Entwicklung ihrer Persönlichkeit an. Beim Übergang in die Grundschule stehen den Kindern unsere ebenfalls kostenlosen Projekte mit Unterstützung des Landesprogrammes „Kreative Praxis“ wie z.B. Singen macht Schule, Trashdrumming, Bläserklassen, Streicherklassen u.v.m. offen. Danach steht das umfangreiche Unterrichtsangebot der Musikschule mit kostenlosen Ensembles und Orchestern bis ins hohe Alter zur Verfügung.

Wie ist so eine „Unterrichtsstunde“ abgelaufen?

BODEN: Im Projekt „Früh übt sich“ führen wir unsere Kinder spielerisch an die Musik heran. Hierbei spielen Singen, Tanzen und rhythmische Übungen, Bewegungsspiele, einfacher Instrumentenbau, Klanggeschichen und Musikhören eine wichtige Rolle. Natürlich lernen die Kinder im Rahmen des Projektes auch unsere bekannten Instrumente kennen.

Welches Ziel haben Sie mit dem Projekt verfolgt?

BODEN: Ich habe unser durchgängiges Angebot eben beschrieben. Es ist eine logische Folge unseres Traumes, dass wir jede Bürgerin und jeden Bürger im Landkreis Merzig- Wadern mit musikalischer Bildung unabhängig von Herkunft oder finanziellen Möglichkeiten erreichen wollen. Nur so können wir die so oft beschworene Bildungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft erreichen. Der Grundstein ist mit diesem Angebot gelegt. Wir sind fest davon überzeugt, dass musikalische Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder und Jugendlichen unverzichtbar ist. Beim gemeinsamen Musizieren wird Gemeinschaft erlebt und es werden Kommunikationsformen erlernt. Im geschützten Rahmen erfahren Kinder die Möglichkeit, einmal alleine aus der Gruppe hervorzutreten und vorzuspielen. Durch kleine Konzerte entwickeln sie Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl wächst, es geschafft zu haben vor Zuschauern vorzuspielen und Applaus zu ernten.
Die Kinder lernen aber auch, sich in diesem Sozialgefüge zurückzunehmen, zuzuhören und anderen Kindern den Vortritt zu gewähren.

Zusammengefasst bietet „Früh übt sich“ viele verschiedene Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten, die der ganzheitlichen Förderung dienen. Hierzu zählen insbesondere eigene Körpererfahrungen, Grob – und Feinmotorik, Stimmbildung, Sprachförderung, Förderung des Selbstwertgefühles und der Entwicklung der eigenen Persönlichkeitsstruktur.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

BODEN: Wir haben in der ersten Phase des Projektes überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Es spricht für sich, dass mehr als die Hälfte der beteiligten Kindergärten sich entschlossen haben, „Früh übt sich“ nach dem Ende der ersten Phase des Projektes im letzten Jahr mit Hilfe von Fördervereinen oder Sponsoren weiterzuführen. Die Stadt Merzig übernimmt 50 Prozent der Kosten der Projektfortsetzung, wenn die Kita die übrigen Kosten finanzieren kann. Die Gemeinde Beckingen hat sogar die Gesamtkosten der Fortsetzung für die beteiligten Kindergärten übernommen.

Was war Ihr schönstes Erlebnis mit dem Projekt?

BODEN: Mein schönstes Erlebnis war die Freude und die dauernden Nachfragen der Kinder, wenn sie wussten, dass unsere Lehrerin heute in die Einrichtung kommt. Viele konnten es einfach nicht erwarten. Ich habe das erlebt, wenn ich eine Unterrichtsstunde besucht habe und etwas früher angekommen bin.

Wir haben in jeder Kommune des Landkreises eine Abschlussveranstaltung unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Bürgermeisters durchgeführt. Die Spielfreude unserer Kinder und die zufriedenen und begeisterten Gesichter unserer Kinder entschädigten ohne Probleme für all die vielen Stunden, die uns das Projekt in der Musikschule beschäftigt hat.

Gab es auch Negativ-Erfahrungen?

BODEN: Natürlich kommt es auch zu negativen Erfahrungen. Gerade bei den bildungsbenachteiligen Kindern, die in unserem Fokus standen, ist Pünktlichkeit oft für uns und auch für die Kindergärten ein Problem, wegen der Eltern, die die Kinder bringen sollen. Hier wird auch oft der Wert einer solchen Maßnahme unterschätzt oder einfach nicht erkannt. Aber dadurch dürfen wir uns nicht entmutigen lassen.

Was wurde unterrichtet?

BODEN: Im Projekt „Früh übt sich“ werden Kinder allgemein und vor allem spielerisch mit Musik in Berührung gebracht. Sie lernen, sich mit Musik auszudrücken und sich in Musik selbst zu finden. Hierzu benutzen wir Lieder, Tanz, Rhythmik und alle anderen musikalischen Parameter.

Wie viele Kindergärten waren beteiligt?

BODEN: In der ersten Projektphase waren 19 Kindergärten beteiligt. Die Bundesregierung hat ein neues Projekt ausgeschrieben, in dem wir für 6 weitere Kindergärten einen Antrag auf Finanzierung gestellt haben.

Wie viele Kinder haben daran teilgenommen?

BODEN: In der ersten Phase haben wir die enorme Zahl von zirka 800 Kinder erreicht.

Wie wurde das Projekt finanziert?

BODEN: Das Projekt wurde über das Bundesprogramm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“ finanziert. Für ein Bündnis für Bildung braucht man drei Projektpartner, wobei die Musikschule, das Kreisjugendamt und der jeweilige Kindergarten als Projektpartner aufgetreten sind.

Warum ist die Förderung nach rund drei Jahren ausgelaufen?

BODEN: Das Programm war von Anfang an bis zum 31. Juli 2017 konzipiert. Eine längere Förderung war nicht möglich. Nun hat die Bundesregierung ein neues Programm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung 2“ aufgelegt, das aber nicht als einfache Fortsetzung verstanden werden darf. Kindergärten aus der ersten Phase dürfen nicht mehr teilnehmen. Es werden andere Anforderungen gestellt. Trotzdem sind wir nun für 6 weitere Kindergärten ins Rennen gegangen. Wir hoffen für unsere Kinder auf eine Zusage.

Wer muss jetzt die Kosten für das Projekt tragen?

BODEN: Das Ende der Förderung zum Schuljahr 2017/2018 war absehbar. Daher haben wir in der Musikschule uns frühzeitig um eine Lösung zur Nachhaltigkeit bemüht. Der Vorstand der Musikschule hat für solche Projekte mit Institutionen einen Pauschalpreis beschlossen, der unabhängig von der beteiligten Schülerzahl gültig ist. So gibt es die Möglichkeit, ganze Kindergärten im Rahmen des Projektes zu überschaubaren Kosten (die vom Kindergarten und nicht von den Eltern getragen werden) zu unterrichten.

Wie hoch sind die Kosten für eine Kita pro Jahr?

BODEN: Die Kosten belaufen sich auf 150 Euro pro Monat (1800 Euro pro Jahr) für 60 Minuten Unterricht pro Woche. Der Betrag deckt nicht die Kosten der Musikschule. Bei dieser Lösung finanziert die Musikschule zirka 50 Prozent der Kosten aus eigenen Mitteln. Es wird großer Wert darauf gelegt, dass zur Erreichung von Bildungsgerechtigkeit und Zugangsoffenheit keine Elternbeiträge erhoben werden. Die Anteile der Kindergärten werden zumeist durch Fördervereine oder Sponsoren finanziert.

Gibt es Sponsoren?

BODEN: Wie bereits erwähnt, übernimmt die Gemeinde Beckingen die Gesamtkosten der Maßnahme in drei Kindergärten in der Gemeinde, die Stadt Merzig übernimmt 50 Prozent der Kosten.

Hinzu kommt das Engagement von Sponsoren. Es freut uns sehr, dass der Lionsclub Merzig unsere Kinder im Landkreis Merzig -Wadern unterstützt und zugunsten des Projektes ein Benefizkonzert mit der Big Band der Bundeswehr veranstaltet. Der Gesamterlös kommt dem Projekt zu Gute und wird nach bisherigem Wissensstand großes Glück für fünf bis sieben Kindergärten bedeuten. Weitere Benefizkonzerte sind bereits geplant. Es ist ein großes öffentliches Interesse an dem Projekt festzustellen. Hierfür möchte ich im Namen unserer Kinder schon jetzt herzlich danken.

 In Perl zeigten die Schützlinge der Kitas mit Begeisterung, was sie in dem Projekt gelernt hatten.

In Perl zeigten die Schützlinge der Kitas mit Begeisterung, was sie in dem Projekt gelernt hatten.

Foto: ¬© Foto: Manfred Maºller/Manfred Maºller

Was wünschen Sie sich für das Projekt in Zukunft?

BODEN: Das Projekt ist ein Puzzlestein unserer Vision, allen Kindern musikalische Bildung zugänglich zu machen. Zurzeit erreichen wir in den Kindergärten zirka 800 Kinder und in den allgemeinbildenden Schulen und im Einzelunterricht rund 2400 Schüler. Wir sind mit dieser Schülerzahl bei weitem die größte Musikschule im Saarland. Diese Zahl verdeutlicht, dass wir unseren Weg ein Stück weit gegangen sind. Doch es ist noch weit. Wir werden dieses für uns hohe gesellschaftliche Ziel weiterverfolgen und hoffen für unsere Kinder auf das notwendige gesellschaftliche und vor allem politische Verständnis.

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