Automatisiertes Fahren Das Auto sucht sich seinen Parkplatz selbst

Merzig · Die Forschungsinitiative Ikopa lud zu einer Demonstrations-Fahrt mit einem teil-automatisierten Auto durch die Merziger Innenstadt.

 Über ein Tablet kann SZ-Volontärin Teresa Bauer schon vor Beginn der Fahrt einen Parkplatz reservieren.

Über ein Tablet kann SZ-Volontärin Teresa Bauer schon vor Beginn der Fahrt einen Parkplatz reservieren.

Foto: Ruppenthal

Es hat nichts mit Science-Fiction zu tun und passiert schon gar nicht in einer weit entfernten Galaxis, sondern mitten in Merzig: teil-automatisiertes Fahren. Auf den ersten Blick erkenne ich allerdings nichts Außergewöhnliches an den zwei Autos, die auf dem Kretzschmarplatz parken. Ich schaue mir eines – eine graue Mercedes-Limousine – genauer an. Zwei kleine Sensoren auf dem Dach und ein Blick in den Kofferraum offenbaren aber, wie viel Technologie darin steckt. Unzählige Kabel machen möglich, was ich bei einer Probefahrt mit dem Prototyp erleben werde.

Die Forschungsinitiative Ikopa arbeitet an einem intelligenten Mobilitätskonzept für Elektrofahrzeuge, das Autofahren effizienter und bequemer machen soll. „Mein“ Forschungsfahrzeug hat allerdings noch einen klassischen Verbrennungsmotor, wie mir mein heutiger Chauffeur Bernd Schäufele erklärt. Er arbeitet für das Daimler-Center for Automative Information Technology Innovations, einem von acht Projektpartnern, die sich vor drei Jahren zu Ikopa zusammengeschlossen haben. „Der Prototyp mit Elektroantrieb steht in Berlin, das neben Merzig als weiteres Testfeld für die neue Technologie fungiert“, erklärt Schäufele.

Ich nehme auf der Rückbank Platz. Am Armaturenbrett fällt mir sofort ein Tablet auf. Ein Element, das für das Mobilitätskonzept eine bedeutende Rolle spielt, wie mir Beifahrer Oliver Sawade vom Frauenhofer Institut für offene Kommunikationssysteme (Fokus) – ebenfalls Projektpartner – erklärt. Über das Bedienfeld gibt er zunächst die Route ein, die wir nehmen werden. Prompt erscheinen verschiedene Symbole, die mich auf Verkehrsstörungen aufmerksam machen. Da das Auto über Internet und Funk mit anderen Autos und Meldesystemen verbunden ist, werden Störungen in Echtzeit angegeben. In einer realen Situation könnte der Fahrer nun auf eine andere Strecke ausweichen. Da es sich aber um fiktive Verkehrsstörungen handelt, fahren wir auf unserem geplanten Weg durch Merzig weiter.

Wir nähern uns einer roten Ampel. Das Auto ist über Sensoren mit dieser verbunden. Sofort erscheint auf dem Display die verbleibende Zeit, bis die Ampel auf grün umspringen wird. Schäufele passt die Geschwindigkeit an. Er geht nur kurz vom Gas, rollt auf die Ampel zu und zack! Es ist grün. Statt unnötig zum Stehen zu kommen und danach wieder anfahren zu müssen – was mehr Lärm und einen höheren Spritverbrauch bedeutet – können wir bequem in einem Rutsch weiterfahren.

Unser Ziel ist ein fiktives Parkhaus auf dem Kretzschmarplatz. Und wer kennt es nicht? Auf der Suche nach einem Parkplatz dreht man schon mal die eine oder andere Runde. Mit der neuen Technologie könnte das bald der Vergangenheit angehören. Das System zeigt schon zu Beginn der Fahrt an, wo ein freier Parkplatz ist. Diesen kann man auch zuvor reservieren. „Die Privatsphäre und der Datenschutz des Autofahrers haben oberste Priorität. Niemand, auch das Auto nicht, darf wissen, wie der Fahrer heißt, wie alt er ist und wo er wohnt“, sagt Sawade. Die Reservierung erfolgt über verschlüsselte Identifizierungs-Codes.

Als wir am Parkplatz ankommen stehen wir vor einer zur Demonstration aufgestellten Ampel – im Realfall würde es sich, wie in Parkhäusern üblich, um eine Schranke handeln. Schäufele drückt auf das Schlüssel-Symbol, das auf dem Tablet erscheint, und die Ampel schaltet auf grün. Das System hat den bei der Buchung erhaltenen Code der Ampel übermittelt. Diese erkennt, dass wir die Berechtigung haben, um einzufahren, und lässt uns durch. Die Karte auf dem Tablet leitet uns nun über den Parkplatz zu unserer reservierten Parkbucht, auf der sich auch eine Ladesäule befindet.

Wären wir mit dem Elektroauto unterwegs, könnten wir es induktiv – über Kontaktschwellen im Boden – während der Parkdauer aufladen. Die Ladesäule kann ebenfalls zuvor über eine verschlüsselte Registrierung gebucht werden. Genauso wie beim Einfahren auf den Parkplatz, wird die Station freigeschaltet, sobald das System den entsprechenden Code des Autos erkennt. Auch die Park- und Ladegebühren können bargeldlos und gesichert über das System bezahlt werden.

Zugegeben, die Technik würde mich bei der ersten Benutzung etwas überfordern. Während der Fahrt blinken mir viele Symbole und Anzeigen entgegen. Funktioniert das Konzept aber wie bei der Demofahrt auch in der Realität so reibungslos, würde es mir nach kurzer Eingewöhnung bei so mancher Fahrt zum Einkaufen Stress und Zeit ersparen. Bis das Konzept allerdings serienmäßig und flächendeckend an den Start gehen kann, ist es noch ein weiter Weg. Spannend war die Testfahrt aber alle mal.

 Unter anderem über zwei Sensoren auf dem Dach kommuniziert das Auto mit anderen Fahrzeugen und Meldesystemen.

Unter anderem über zwei Sensoren auf dem Dach kommuniziert das Auto mit anderen Fahrzeugen und Meldesystemen.

Foto: Ruppenthal

Die Projektbeteiligten wollen sogar noch einen Schritt weiter gehen. Ist man beispielsweise mit den Einkäufen fertig und merkt, dass die Tüten doch etwas schwerer geworden sind, soll man in Zukunft das Auto sogar „rufen“ können. Autonom, also fahrerlos, fährt das Fahrzeug zum gewünschten Zielort. Die technischen Voraussetzungen scheint Ikopa bereits geschaffen zu haben. Im Herbst, plant die Forschungsinitiative, das Szenario in Berlin vorzustellen. Und wer weiß, vielleicht fahren wir doch schneller als gedacht mit teil-automatisierten Autos durch die Gegend, oder lassen uns gar von unseren Autos chauffieren?

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