Berichterstattung diente hauptsächlich als Propaganda-Instrument

Merzig-Wadern · Vor 60 Jahren – im Oktober 1955 – wurde nach einem heftig geführten Abstimmungskampf eine Volksbefragung über die Zukunft des Landes durchgeführt, wobei 67,7 Prozent der Saarländer mit „Nein“ stimmten und sich damit gegen das Saarstatut entschieden. Dieses war die Vision des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, der das Saarland zum ersten europäischen Territorium machen wollte. Mit einer Serie erinnert die Saarbrücker Zeitung daran, was sich rund um diese Abstimmung im Landkreis zugetragen hat.

 Karikatur zur Johannes Hoffmanns Politik. Foto: Archiv Schommer

Karikatur zur Johannes Hoffmanns Politik. Foto: Archiv Schommer

Foto: Archiv Schommer

Es muss an dieser Stelle unbedingt Erwähnung finden, dass den Presseerzeugnissen während des Abstimmungskampfes nur wenig an objektiver Information der Leser gelegen war. In erster Linie verstanden sie sich als Propagandainstrument des jeweiligen Lagers. Der Darstellung in den Berichten ist deshalb mit einem gewissen Vorbehalt zu begegnen.

In ihren grundsätzlichen Aussagen weichen die beiden Artikel über die Veranstaltung in Wadern kaum voneinander ab. Aber dennoch wird bei genauerem Hinsehen die unterschiedliche Strategie der beiden Zeitungen aus den Lagern der Befürworter und der Gegner des Statuts deutlich. Die Ja-Sager versuchten, dem Leser den Eindruck zu vermitteln, die breite Masse der Bevölkerung sei für Johannes Hoffmann und seine Argumente. Gestört werden nach dieser Darstellung die Veranstaltungen Hoffmanns lediglich von einigen Jugendlichen und bestellten Provokateuren.

Demgegenüber bemühten sich die Zeitungen der Nein-Sager dem Leser die Vorstellung nahe zu bringen, Hoffmanns Veranstaltungen würden an den jeweiligen Orten meist nur von wenigen Einheimischen und ansonsten nur von herbeitransportierten Parteigängern aus dem ganzen Land, sogenannten Transporteuropäern, wie es in manchen Artikeln heißt, besucht. Die große Masse der Bevölkerung dagegen sei gegen das Statut und würde dies auch lautstark bekunden. Diese Strategien werden an späteren Stellen noch deutlicher zu Tage treten. Dort wird dann auch das Vorgehen der Polizei als brutale Machtdemonstration der Regierung Johannes Hoffmanns dargestellt, das diesen vor dem "gerechten Volkszorn" schützen müsse. Am 2. September 1955 appellierte Bundeskanzler Adenauer in der sogenannten "Bochumer Erklärung" an die Saarbevölkerung, mit "Ja" für das zwischen Frankreich und der Bundesrepublik ausgehandelte Statut zu stimmen. Jedoch fruchtete diese eindeutige Intervention des Kanzlers ebenso wenig wie die zahlreichen Versuche, die einstweilige und vorläufige Bedeutung des Statuts und die politisch zunächst relativ gering erscheinende Tragweite der Volksabstimmung herauszustellen. Am Tag nach der Bochumer Rede Adenauers, am 3. September 1955, schlossen sich im Gegenteil sogar die prodeutschen Parteien zum "Deutschen Heimatbund" zusammen. Mit dieser Aktions- und Propagandagemeinschaft hofften sie, ihren Feldzug gegen das Saarstatut wirksamer aufeinander abstimmen zu können. An eben diesem Samstag, dem 3. September, sprach Johannes Hoffmann in Haustadt. Auch hier war ein riesiges Polizeiaufgebot zugegen. Die "Saarländische Volkszeitung", das der CVP und damit den Befürwortern des Statuts nahestehende Blatt, ging auf das Polizeiaufgebot allerdings mit keinem Wort ein. In ihr stand lediglich zu lesen: "Wie bei allen Kundgebungen, auf denen Ministerpräsident Hoffmann sprach, war am Samstag auch in Haustadt der Saal überfüllt. Ruhige und überlegende Bürger waren gekommen, denen es sichtlich um eine objektive Information ging, während draußen unter den zahlreichen Bürgern des Haustadter Tales wieder einige Halbwüchsige ihr bestelltes Pfeifkonzert zum Besten gaben. Seit sechs Wochen tobe jetzt der Abstimmungskampf um das Saarstatut, begann Hoffmann seine Ausführungen, nachdem er bei seiner Ankunft mit stürmischem Beifall empfangen worden war. < Wird fortgesetzt.

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