Naturnahe Waldwirtschaft in Brotdorf Riesige Buchen, Totholz und viele seltene Tiere

Brotdorf · Auf 143 Hektar hat sich Klaus Borger im Jungenwäldchen bei Brotdorf der naturnahen Waldwirtschaft verpflichtet. Seine Devise: leben und leben lassen.

 Helmut Seiler vermisst eine mächtige Buche: Mehr Natur, gesünderer Wald und mehr Vielfalt sind das Konzept der Forstbetriebsgemeinschaft Hochwald zur Förderung der Biodiversität im Privatwald.

Helmut Seiler vermisst eine mächtige Buche: Mehr Natur, gesünderer Wald und mehr Vielfalt sind das Konzept der Forstbetriebsgemeinschaft Hochwald zur Förderung der Biodiversität im Privatwald.

Foto: Ruppenthal

Die Bewegung an einer Eiche erregt die Aufmerksamkeit von Helmut Seiler. Sofort greift das Mitglied der Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald (FBG) zu seinem Fernglas und richtet es auf diese Stelle aus: Für Minuten hat der Naturliebhaber nur noch Augen für einen Kleiber, der geschickt seine Bruthöhle auspolstert. Eine Hohltaube flattert auf – die Aufmerksamkeit von Naturschützern und Waldpächtern ist dem Vogel gewiss.

Klaus Borger führt die Gruppe durch ein Stück des Jungenwäldchens bei Brotdorf, in dem der Chef der FBG daran arbeitet, den Wald ökologisch aufzuwerten und Bäume langfristig zu sichern. Mit von der Partie ist auch Thomas Steinmetz. Der Referatsleiter im Umweltministerium hat mit Vertretern von Naturschutzbund Saar (Nabu) und Bund sowie mit Waldbesitzern den Handlungsleitfaden „Biodiversität im Wirtschaftswald“ erarbeitet, der die Grundlage des Förderprogramms „Öko-Wald“ ist – eine Methode, zu der sich Borger in Absprache mit den Waldbesitzern selbst verpflichtet hat.

Dass Bewirtschaftung und Naturschutz kein Widerspruch sein müssen, beweist der Mann aus Hilbringen an diesem sonnigen Morgen. Auf dem idyllischen Fleckchen Erde, rund 143 Hektar groß, wird seit Jahren naturnahe Waldwirtschaft betrieben. Auf zwei Modellflächen, wie Borger sie bezeichnet, dürfen alte Buchen in den Himmel wachsen. Ihr Alter: 135 bis 160 Jahre. „Wir haben beide Reste des ehemaligen Buchenmischwaldes aus der Nutzung genommen und unter Totalschutz gestellt“, verrät er. Diese Riesen sind laut Borger wertvolle Samenbänke und eindrucksvolle Zeitzeugen. Sie werden auch nicht gefällt. In absterbendem und totem Holz steckt nach seinen Worten viel Leben – Nahrungsparadiese für Tiere, Brutplätze für Vögel, Lebensraum für Moose und Flechten. „Zudem kann Totholz, das langsam verrottet, C02 über lange Zeit speichern“, sagt er und ergänzt: „Wälder mit alten Bäumen sind somit gut für das Klima.“

Bis in die 1980er Jahre haben laut FBG-Geschäftsführer auch auf diesem Terrain Douglasien, Fichten und Kiefern die älteren Buchenmischwälder verdrängt, die einst in der Region verbreitet waren. Die Stürme Wiebke und Vivian, die im Spätwinter 1990 über das Land fegten, traf die Monokultur bis ins Mark, die Bäume knickten wie Streichhölzer um. „Kahlflächen in einem Umfang von 15 Hektar wurden verzeichnet. Hinzu kamen Sekundärschäden, ausgelöst durch den Borkenkäfer“, erzählt Borger. Die Folge: Auf den Flächen, auf denen die Stürme gewütet hatten, wurden entweder heimische Baumarten gepflanzt, der Wald sich gezielt selbst überlassen oder eine Mischung aus beidem. „Sah der Wald früher aufgeräumt aus und lagen nur Nadeln auf Waldboden, so hat sich die Natur längst unter den Bäumen ausgebreitet. Und das ist auch so gewollt.“

So gibt er nach seinen Worten dem ökologischen Ertrag höheren Stellenwert als dem finanziellen. „Für jeden Baum ab 40 Zentimeter Stammdurchmesser erhalten wir 174 Euro aus der Förderung. Das entspricht allerdings bei Weitem nicht dem Holzwert. Den Obolus nennt er eine „kleine Motivationsförderung“, der bei weitem nicht den Betrag erreiche, den es im Handel gebe. Trotz Umwelt- und Naturschutz: „Es ist nicht so, dass im Jungenwäldchen keine Axt an die Bäume gelegt werde: „Ich hole hier sehr viel Holz heraus, jedes Jahr ungefähr 1000 Festmeter bei 143 Hektar Fläche. Das sieht man in der Regel dem Wald aber nicht an“, sagt er. Schwere Erntemaschinen, die den Boden verdichten und die Wurzeln schädigen, dürfen nicht in den Wald rein. Stattdessen erledigen die Arbeiten leichte Maschinen und die Rückpferde. Eine Faustregel hat er sich für die Arbeit im Wald gegeben. Die lautet: Geschafft wird von Oktober bis Februar. „Danach herrscht hier komplette Ruhe“, sagt er.

 Klaus Borger vor einer Buche im Jungenwäldchen

Klaus Borger vor einer Buche im Jungenwäldchen

Foto: Ruppenthal

Der Grundsatz „Leben und leben lassen“ gilt laut Borger nicht nur für den Wald, sondern auch die vielen Besucher aus der Kreisstadt, die in der grünen Lunge Erholung suchen. Ob Informationstafeln oder persönliche Gespräche: Die Spaziergänger werden auf die Besonderheiten von Flora und Fauna aufmerksam gemacht – etwa auf die Wildkatze, zu deren Schutz die Forstbetriebsgemeinschaft mit dem Bund Saar 2016 eine Vereinbarung geschlossen hat. Derweil setzt die FBG laut Borger mit dem Nabu in der Horstschutzvereinbarung alles daran, den Lebensraum von gefährdeten Waldvögeln zu verbessern – etwa Bussard, Spechtarten, Rotmilan und verschiedene Kauzarten.

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