Auf Schulversäumnis stand Gefängnis

Merzig · Josef Dewora hatte damit den Grundstein für die Lehrerbildungsanstalt St. Matthias in Trier gelegt, an der er bis 1824 als Lehrer und Direktor wirkte. Der erste Ausbildungskurs dauerte einen Monat und war wohl für amtierende Lehrer eingerichtet worden. Es durften von da an keine Lehrer mehr angestellt werden, die nicht entsprechend vorgebildet worden waren. Die bereits amtierenden Lehrer mussten Kurse besuchen, die sechs bis acht Wochen dauerten. Unter Dewora wurden etwa 800 Lehrer ausgebildet. Seinem Wirken ist es zu verdanken, dass die Leistungen der Volksschulen im Regierungsbezirk Trier und damit auch in der Merziger Region sehr schnell den Bildungsstand der älteren preußischen Landesteile erreichten.

 Das heutige Gymnasium am Stefansberg in Merzig war ursprünglich Lehrerseminar. Foto: Schule

Das heutige Gymnasium am Stefansberg in Merzig war ursprünglich Lehrerseminar. Foto: Schule

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Es lässt sich festhalten, dass Staat und Kirche in Preußen mehr als ein halbes Jahrhundert in der Schulaufsicht im Wesentlichen konfliktfrei zusammenarbeiteten. Zwar strebte eine große Zahl der Lehrerschaft in der Revolution von 1848/49, wenn auch vergeblich, das Recht zur Wahl der Schulinspektoren an. Dennoch zerbrachen erst im Kulturkampf die Grundlagen einer vertrauensvollen Beziehung vor allem zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche. Danach nahm der Staat durch das Schulaufsichtsgesetz von 1872 das Unterrichtswesen in seine Hände.

Eine weitere Grundvoraussetzung für eine deutliche Verbesserung des Niveaus des Schul- und Unterrichtswesens war neben einer Ausbildung der Lehrer die Einführung eines ganzjährigen Unterrichts. Bei ihrer Bestandsaufnahme im Jahr 1816 mussten die Behörden im Kreis Merzig nämlich feststellen, dass in den meisten der 29 Schulen der Unterricht nur im Winter stattfand.

Mit der Schulordnung vom 24. April 1817 versuchte die Regierung daraufhin, die Winterschulen abzuschaffen und einen durchgehenden Unterricht einzurichten. Allerdings leisteten dieser Aufforderung nicht alle Gemeinden Folge. Die Landräte wurden angehalten, die Verordnung ab dem Sommer unnachsichtig in Vollzug zu setzen und Verstöße zu ahnden. In vielen Gemeinden wurde gegen diese Regelung verstoßen. Den Gemeinden wurde dadurch das bisher geübte Recht genommen, einen Lehrer nur über den Winter anzustellen und im Frühjahr wieder entlassen zu können.

Schule nur im Winter

Gleichzeitig hatte die Neuregelung zur Folge, dass die Kinder den Bauern bei den sommerlichen Feldarbeiten entzogen wurden. Besonders hart wurden die Bestimmungen vor allem deshalb empfunden, da bei der Weidewirtschaft die Hütejungen im Sommer kaum entbehrt werden konnten. Die Winterschulen mussten daher noch Jahrzehnte hindurch geduldet werden; die letzte wurde sogar erst 1853 in Hargarten aufgelöst.

Überhaupt stieß die Schulpflicht , die für alle Kinder vom beginnenden 7. bis zum vollendeten 13. Lebensjahr galt, bei den Eltern vielfach auf harten Widerstand. Noch in den Jahren 1858 bis 1861 wurden im Kreis Merzig durchschnittlich jährlich 176 Tage Gefängnis und 273 Taler Geldstrafe für unentschuldigte Schulversäumnisse verhängt.

Der Katalog der Unterrichtsfächer beschränkte sich anfänglich auf Lesen, Schreiben, Rechnen und religiöse Unterweisung. Im Laufe der Zeit traten Erdkunde, Natur- und Vaterlandskunde, in Preußen ab 1860, auch das Turnen hinzu.

Die Schulklassen waren im 19. Jahrhundert nach heutigem Maßstab, unverantwortlich groß. In der Stadt Merzig gab es 1816 eine Knabenklasse mit 187 und eine Mädchenklasse mit 167 Kindern. Eine preußische Bestimmung aus dem Jahr 1818 gab einen Richtwert von 60 Kindern vor, gestattete jedoch "einstweilen" eine Überschreitung bis zu einer Klassenstärke von 120. In Merzig wurden daraufhin 1819 eine weitere Mädchenklasse und 1823 beziehungsweise 1824 weitere Knabenklassen eingerichtet.

Wenn es von der Schülerzahl her möglich war, besaßen Knaben und Mädchen jeweils eigene Klassen. Die Trennung nach Geschlecht war dabei für die meisten Schulen im Kreisgebiet keineswegs die Regel. Als Beispiel hierfür kann die Volksschule Haustadt angeführt werden. Noch bis zum 1. August 1881 wurde die Haustadter Schule mit lediglich einer Klasse geführt. Erst nachdem die Schülerzahl auf 120 angestiegen war, entschloss sich die Gemeinde zu einer zweiten Lehrerstelle. Eine Lehrerin übernahm die daraufhin eingerichtete Mädchenklasse. Nun erst konnte die schon 1818 von der Regierung vorgegebene Empfehlung über die Trennung der Geschlechter beachtet werden. Danach sollten die Knaben von den Mädchen getrennt und einer Lehrerin übergeben werden, die "nebst dem angemessenen Elementar-Unterricht, ihnen zugleich Anleitung zu den weiblichen Arbeiten erteile. Es fordert dieses, auch abgesehen von der nicht berücksichtigten Wohlanständigkeit, der gegenwärtige Standpunkt der Kultur, die frühere Entwicklung, die Eigentümlichkeit und die Verschiedenheit der Bestimmung des weiblichen Geschlechts".

Die Qualifikationsanforderungen an die Lehrerschaft wurden durch Gesetze und Verordnungen immer weiter angehoben. Erst im späten 19. Jahrhundert erfuhr die Volksschule ihre volle Ausbildung und erhielt durch die "Allgemeinen Bestimmungen" von 1872 ihre endgültige Gestalt, die sie, natürlich durch fortwährende Reformen und Verbesserungen immer wieder reformiert, über viele Jahrzehnte hindurch behielt.

In den 1870er Jahren erfuhr die Lehrerausbildung in Preußen und auch in unserer Region eine wesentliche Erneuerung. Jetzt erst entstanden eigenständige, staatlich normierte Präparanden-Anstalten, die auch als Präparandien bezeichnet wurden. Diese nahmen Anwärter auf, die einen mit Erfolg genossenen Volksschulunterricht hinter sich gebracht hatten. Die Präparandie stellte die untere Stufe der Volksschullehrerausbildung dar und bereitete die Absolventen auf den Besuch der Lehrerseminare vor.

Präparandenanstalt in Merzig

Bis 1905 waren die am Beruf des Volksschullehrers interessierten jungen Leute gezwungen, ihren Vorbereitungsdienst in Anstalten in Trier oder sonstigen Orten zu absolvieren. Ab dem Jahr 1905 war dies dann zumindest für die männlichen Bewerber auch in Merzig möglich, nachdem dort die Königliche Präparandenanstalt ins Leben gerufen worden war. Zunächst konnte sie in den Räumen der Volksschule untergebracht werden, schließlich 1906 einen Neubau beziehen. 1907 wurde sie voll ausgebaut. 1907 wurde schließlich in Merzig auch noch ein Lehrerseminar, allerdings ebenfalls nur für männliche Bewerber, eingerichtet, das 1910 ein eigens hierfür errichtetes Gebäude beziehen konnte. 1922 wurde das Lehrerseminar in die Landesstudienanstalt Merzig umgewandelt. Diese vermittelte die allgemeine wissenschaftliche Vorbildung des Volksschullehrers.

Die Ausbildung im Lehrerseminar unterschied sich nur wenig vom Unterricht in einer Mittelschule. Es gab keine systematische theoretische Vorbereitung auf den Lehrerberuf, wenn auch durch die Seminarlehrer der Bezug zur Praxis hergestellt wurde, indem sie aus der eigenen Berufserfahrung erzählten. Der praktische Teil der Ausbildung fand erst nach Abschluss des Lehrerseminars statt. Die frisch gebackenen Lehrerinnen und Lehrer - für die Mädchenbildung gab es eigene Lehrerinnenseminare - die in der Regel zwischen 18 und 20 Jahre alt waren, erhielten nun den Status eines "Junglehrers", was zum normalen Volksschullehrer allerdings, sowohl der Hierarchie nach als auch einkommensmäßig, einen Unterschied bedeutete. In den 1930er Jahren wurde die Lehrerausbildung in Merzig schließlich eingestellt.

Die Masse der Kinder in der Merziger Region besuchte auch nach dem Übergang an Preußen, ja sogar bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, lediglich die Volksschule. Die im Grunde genommen einzige Möglichkeit für die Schüler, eine höhere Bildung zu erlangen, war der Besuch des Lehrerseminars. Die allerwenigsten waren dagegen in der Lage höhere Schulen , die es durchaus gab, zu besuchen. Dem stand zum einen die Tatsache entgegen, dass für höhere Schulen auch ein für die Masse der Eltern unerschwingliches Schulgeld zu bezahlen war. Zum anderen waren die höheren Schulen aufgrund der Verkehrsverhältnisse vor allem für die Kinder aus den Dörfern so gut wie nicht zu erreichen.

1828 gab es in der gesamten Rheinprovinz erst 17 Gymnasien, davon befanden sich von der Merziger Region aus gesehen die nächsten beiden in Saarbrücken und in Trier. Ein sogenanntes Progymnasium gab es noch in Saarlouis, wobei es sich bei dieser Schulform um ein allgemeinbildendes Gymnasium handelte, das jedoch nicht voll ausgebaut war, also nicht alle Klassenstufen umfasste. Der Unterricht im Progymnasium endete mit dem Erreichen der mittleren Reife. Dieser Abschluss hatte für die männlichen Absolventen den Vorteil, dass er sie zu einem einjährigen freiwilligen Militärdienst statt eines dreijährigen Pflichtdienstes berechtigte. Daher hieß die mittlere Reife auch das "Einjährige".

Von der Gründerzeit an wuchs die Zahl der weiterbildenden Schulen in der Rheinprovinz beträchtlich. So gab es immer mehr städtische Initiativen mit dem Ziel, "Höhere Töchter- und Knabenschulen" zu gründen. Bemühungen dieser Art gab es auch in Merzig, wo 1882 zunächst eine private "Höhere Knabenschule" gegründet wurde.

Nachdem der Stadtrat unter Bürgermeister Ernst Thiel viele administrative und finanzielle Hürden genommen hatte, nahm am 1. Oktober 1888 die "Höhere Schule Merzig" mit 45 Schülern in drei Klassen den Schulbetrieb als Progymnasium auf. < Wird fortgesetzt.

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