Auf der Suche nach dem perfekten Reim
Schwemlingen · Schwemlinger Grundschüler waren beeindruckt vom Rap-Workshop mit Markus Trennheuser.
"Ich glaube an meine Träume, so hoch wie Bäume" schreibt Emily auf ihren Block. Dann setzt sie den Stift kurz ab, überlegt und fügt hinzu "ich glaube an dich und an den Fisch". 19 Mitschüler sitzen neben der Neunjährigen, alle grübeln über einen Songtext. Grund für das angestrengte Nachdenken: Für einen Rap-Workshop in der Klasse 3a ist der Rapper Markus Trennheuser an die Grundschule Saargau in Schwemlingen gekommen. Der Workshop ist Teil des Projekts "Rap goes Grundschule", also "Rap an Grundschulen", das vom Pop-Rat Saarland ins Leben gerufen wurde.
"Ich möchte den Kindern zeigen, woher Hip Hop kommt. Denn Raptexte bestehen nicht nur aus Drogen und Gewalt, wie es in den Medien häufig dargestellt wird", erzählt Trennheuser. "Ursprünglich kommt Hip-Hop aus der Bronx, einem Stadtteil von New York. Die Jugendlichen dort haben versucht, ihre Frustration auf kreative Art und Weise zu verarbeiten." Auch Trennheuser ist Rapper und veröffentlicht unter dem Künstlernamen "Drehmoment" eigene Alben.
Bei seinen Workshops sucht der gebürtige Freiburger, der im Saarland aufgewchsen ist, mit den Kindern eine Melodie aus, zu der gerappt wird. Dafür schaltet er seinen Laptop ein, auf den er einige Songs geladen hat und spielt sie den Kindern vor. Die haben schnell gewählt. "Bei dem Lied, für das wir uns entschieden haben, gingen sofort alle Finger nach oben", sagt Grundschulleherin Bianca Blum. Danach geht's an das Thema, mit dem sich ihre Songtexte befassen. Zur Auswahl stehen unter anderem Weltraum, Einsamkeit, Gerechtigkeit oder Glaube, für den sich die Kinder entscheiden. "Glaube nicht nur im religiösen Sinne, sondern auch Glaube an sich selbst, an die Liebe oder die Freundschaft", sagt Trennheuser. Beim Texten mit den Schülern geht es dem Musiker vor allem um die Formulierungen: Wie baue ich eine Metapher in meinen Text ein? Wie bleibe ich authentisch? Dadurch, dass Fragen wie diese beantwortet werden, sei der Workshop auch ein gutes Sprachtraining für die Grundschüler, sagt er. Nach der Themenfindung überlegen sich alle Schüler einen eigenen Songtext. Dem achtjährigen Tyron fällt das am Anfang nicht leicht, wie er erzählt. Vor allem einen passenden Reim zu finden, sei schwer. "Aber es ist auch nicht schlimm, wenn man mal bei anderen guckt. Wir können uns gegenseitig helfen", verrät der Grundschüler. Nach ein paar Versuchen ist sein Text fertig, und er zeigt ihn stolz Markus Trennheuser. "Markus findet meinen Text cool, und Rappen ist sowieso viel besser als normaler Unterricht", sagt Tyron. Die beiden Schüler Jamie und Anna arbeiteten gemeinsam an ihren Texten. "Ich glaube an Freundschaft, und ich glaube an Gott. Ich glaube an Gerechtigkeit und an meinen Job" steht auf ihren Blättern. Für die Neunjährige ist es kompliziert, Reime zu finden, aber Spaß mache es ihr trotzdem, wie Anna erzählt. Während die Kinder in ihre Texte vertieft sind, geht Leherin Bianca Blum durch die Reihen. Braucht ein Kind Hilfe, springt sie ihm zur Seite. Zwei Wörter, die sich reimen, findet sie oft in den Texten der Kinder. Doch beide in einem Satz zusammen zu fügen, sei schwierig. Einige Stunden wird an den Texten gefeilt, bis alle zufrieden sind. Dann stellt sich jedes Kind vor die Klasse und trägt seinen Text auf die ausgesuchte Melodie vor. "Das ist vor allem für Kinder mit wenig Selbstbewusstsein eine enorm wichtige Erfahrung. Viele von ihnen kommen dann richtig aus sich raus", sagt Trennheuser. Bianca Blum stimmt zu: "Es ist wie ein sozialer Rollenwechsel. In der Klasse sind sowohl harte Jungs als auch zarte Mädchen, wenn sie vor der Klasse stehen und ihre Texte rappen, wachsen alle über sich hinaus". Besonders wichtig sei das für Kinder, die eine leise Stimme haben und deshalb oft nicht zu Gehör kommen, sagt die Lehrerin der Klasse 3a. Trennheuser zeichnet die Lieder auf, einige Tage nach dem Workshop wird jedes Kind sein Lied erhalten.
Bianca Blum kennt den Rapper und wurde so auf das Projekt aufmerksam. Die Schulleitung und die Elternvertretung waren sofort begeistert, als Blum den Workshop vorschlug. Da der Pop-Rat die Hälfte der Kosten übernahm, sei auch die Finanzierung kein Problem gewesen, berichtet sie.
Vorab hat sie mit den Schülern im Musikunterricht Hip-Hop und Lieder von Drehmoment, von Markus Trennheuser, besprochen. Die Kinder seien begeistert davon gewesen, wie Markus sich den ganzen Text merken kann, erzählt Blum. "Dass sich die Texte reimen, hat meine Racker zusätzlich beeindruckt."
Zum Thema:
Moderne Poesie aus der Subkultur Das Rappen beinhaltet im Wesentlichen das Sprechen oder Singen von gereimten Texten, die mit einem bestimmten Takt vorgetragen werden. Das Reimen von Rappern wird von vielen als eine der anspruchvollsten Stile der Poesie bezeichnet. Zuerst in den 70er Jahren gewann das Rappen in den USA an Popularität als eine Art von "Street Art", die von afroamerikanischen Jugendlichen praktiziert wurde, doch erst im Jahr 1979, als die Sugarhill Gang ihren ersten Hit "Rapper´s Delight" veröffentlichte, nahmen Plattenproduzenten zum ersten Mal richtig Notiz von dieser Musikrichtung. In den 90er Jahren wuchs der Rap aus den Kinderschuhen heraus, in denen sich die Künstler mit relativ einfachen Texten beschäftigten und stieg in eine anspruchsvollere Dimension auf, die etwas lauter war und auf komplexeren Texten beruhte. Künstler wie The Notorious B.I.G., Snoop Dogg und Tupac regierten die Charts in dieser Zeit, ebenso wie Eminem - einer der beliebtesten weißen Rapper unserer Zeit.