Arbeiter aus dem Osten bekamen weniger Lohn

Merzig · Kein Thema bewegt seit längerer Zeit die Gemüter im Land so sehr wie die durch die Flüchtlingskrise bedingte Masseneinwanderung nach Deutschland. In unserer Serie wird die Zuwanderung in die Merziger Region während der vergangenen 200 Jahre auch als Geschichte der auf vielfache Weise stattgefundenen Begegnung mit dem Fremden dargestellt.

Auch hinsichtlich der Bezahlung gab es zwischen den Arbeitern aus dem Westen und aus dem Osten bedeutende Unterschiede. Unter der Maßgabe, dass der Lebensstandard der Polen von jeher unter dem der Deutschen gelegen habe, wurde den polnischen Arbeitern eine so bezeichnete Sozialausgleichsabgabe in Höhe von 15 Prozent des Verdienstes vom Lohn abgezogen.

Auch Ost-Arbeiter bei Karcher

Die sowjetischen Zivilarbeiter hatten eine "Ostarbeiterabgabe" zu leisten und mussten daneben von ihrem Verdienst ihre Unterkunft und die ihnen zugeteilte Verpflegung bezahlen. Dabei mussten sie als Arbeiter in Industriebetrieben, wie es z.B. auch bei der Firma Karcher der Fall war, in der Regel mit Massenunterkünften und Gemeinschaftsverpflegung vorlieb nehmen.

Im Gegensatz zu den Zivilarbeitern aus den westlichen Staaten, deren Löhne und Gehälter etwa denen deutscher Arbeitnehmer mit gleicher Arbeit entsprachen, verblieb den Arbeitern aus dem Osten aufgrund der Sonderabgaben nur ein geringfügiger Nettolohn.

Fremdarbeiter im Haustadter Tal

So kamen im Sommer 1942 in einer ersten Welle rund 50 Männer und Frauen aus der Ukraine als Fremdarbeiter ins Haustadter Tal. Da sie in erster Linie Arbeit in der Landwirtschaft, bei den Bäckern und Metzgern, in den Mühlenbetrieben, in Sägewerken, bei kleineren Handwerksbetrieben und Bauunternehmungen fanden, hatten sie noch relativ Glück. Sie wurden nämlich nicht in Lagern untergebracht, sondern lebten in den Haushalten ihrer Arbeitgeber. In aller Regel wurden sie dort, zumindest was ihre Verpflegung betraf, nicht schlechter als deutsche Arbeitskräfte behandelt.

Zivilarbeiter im "Schlösschen"

Im Sommer 1942 traf allerdings auch noch eine erste Welle von Arbeitskräften aus dem Osten für die Firma Karcher in Beckingen ein. Hier handelte es sich zunächst um Männer und Frauen, bei denen als Nationalität "russisch" angegeben wurde. Am 20. Juli 1942 wurden 19 Russen unter der Adresse Adolf-Hitler-Straße 1, so hieß damals die Talstraße in Beckingen, einquartiert.

Es handelte sich dabei um das sogenannte "Schlösschen", das in der Folgezeit bis zum Kriegsende ausschließlich den männlichen russischen Zivilarbeitern der Firma Karcher als Unterkunft diente. Laut Melderegister erhöhte sich ihre Zahl im Lauf der Zeit auf insgesamt 28. Ob sich diese Zahl nicht noch weiter erhöht hat, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, könnte jedoch durchaus möglich sein.

Vereinzelt kamen im Sommer 1942 auch die ersten Frauen aus Russland in Beckingen an. Sie wurden im Deutschherrenpfad in der Villa Knebel untergebracht. Am 9. Dezember 1942 traf ein größerer Transport von 17 russischen Frauen in Beckingen ein. Im weiteren Verlauf des Monats Dezember 1942 kamen noch fünf hinzu.

41 Frauen aus Russland

Insgesamt erhöhte sich ihre Zahl laut Melderegister auf 41. Ob es nicht auch hier noch mehr waren, lässt sich ebenfalls nicht genau feststellen. In einer auch in dem erwähnten Buch des Verfassers zitierten Veröffentlichung wird die Zahl der russischen Zwangsarbeiterinnen in der Villa Knebel mit 100 angegeben.

Allerdings erscheint diese Zahl doch wesentlich zu hoch gegriffen. Eine solch große Differenz zwischen den Aufzeichnungen des offiziellen Melderegisters und der tatsächlichen Zahl der Arbeiterinnen dürfte eher unwahrscheinlich sein. Auch mehrere Zeitzeugen haben diese Zahl als zu hoch angesehen. < Wird fortgesetzt.

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