Als ein Gefühl nationaler Geschlossenheit an der Saar aufkam

Merzig · Kein Thema bewegt seit längerer Zeit die Gemüter im Land so sehr wie die durch die Flüchtlingskrise bedingte Masseneinwanderung nach Deutschland. In unserer Serie wird die Zuwanderung in die Merziger Region während der vergangenen 200 Jahre auch als Geschichte der auf vielfache Weise stattgefundenen Begegnung mit dem Fremden dargestellt.

Am 20. und 21. Juni 1925, fanden in allen größeren Städten des Rheinlandes Feierlichkeiten statt. Die Deutschen auf der linken Rheinseite wollten damit die tausendjährige Zugehörigkeit der linksrheinischen Gebiete, der sogenannten "Rheinlande", zum Deutschen Reich dokumentieren. Bedingt durch die Zeitumstände fanden vor allem die Festlichkeiten im Saargebiet einen für die damaligen Verhältnisse ungeheuren Widerhall. Selbst in den kleinsten Dörfern bildeten sich lokale Festausschüsse, die sich mit der Planung, Organisation und Durchführung der Feierlichkeiten befassten.

Den Menschen an der Saar wurde das Gefühl großer nationaler Geschlossenheit vermittelt. Auf diese Weise wurde die nationale Begeisterung in Schulen, Verbänden und Vereinen erst richtig in Schwung gebracht. Immer wieder wurde in den Jahren danach an die Saarbevölkerung appelliert, dem "deutschen Vaterland bis zur Volksabstimmung im Jahre 1935 die nationale Treue zu wahren".

Durch die Jahrtausendfeier wurde die Bevölkerung sozusagen bereits im Jahr 1925 auf eine ganz bestimmte Entscheidung bei der für das Jahr 1935 vorgesehenen Volksabstimmung festgelegt. Die Nationalsozialisten konnten ihre Propaganda später ohne Mühen auf dem durch die Jahrtausendfeier in hohem Maße angestachelten Nationalgefühl der Saarbevölkerung aufbauen und nahtlos fortsetzen.

An dieser Stelle sollte klargeworden sein, dass die Deutschen ganz allgemein, ebenso wie die Menschen hier in der Merziger Region, im Verlauf der Geschichte seit langem schon auf verschiedenste Art und Weise eine Begegnung mit fremden Menschen und Kulturen erfahren haben.

Deshalb könnte der Umgang mit Fragen von Zuwanderung nach Deutschland und Eingliederung in die deutsche Gesellschaft im Grunde genommen sehr pragmatisch oder sogar gelassen erfolgen.

Aber die Begegnung zwischen Mehrheit und zugewanderten Minderheiten wird gerade bei uns in Deutschland in besonderem Maß von der historischen Erinnerung bestimmt: Zur Geschichte der Deutschen gehören nämlich nicht nur friedliche transnationale Bewegungen und interkulturelle Begegnungen. Unsere Geschichte umfasst, wie bereits deutlich geworden ist, vielmehr vor allem auch aggressive Grenzüberschreitungen und die Ausgrenzung von Minderheiten innerhalb Deutschlands.

So führte der Weg der Begegnung mit dem Fremden von der völkisch-romantisch verklärten Abgrenzung vom "Fremden" im frühen 19. Jahrhundert über die ethnisch-nationalistische Agitation gegen das "Fremdartige" im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zum rassistischen Vernichtungskampf gegen das "Artfremde" in der Zeit der nationalsozialistischen Barbarei.

In dieser Zeit kommt es nach der gewaltsamen "Entgrenzung" nicht nur des eigenen Raumes im Sinne des Staatsgebietes, sondern auch aller moralischen und ethischen Werte, zu einer weiteren Begegnung mit fremden Menschen und Kulturen in anderen europäischen Räumen, die zu unglaublichen Verbrechen geführt haben. Das grauenhafte Ende dieses von einem schrecklichen Rassismus gekennzeichneten Weges war das millionenfache Verbrechen an ethnischen, kulturellen, religiösen und anderen Minderheiten in Deutschland und mehr noch in dem von den Deutschen besetzten Europa. Juden, Sinti und Roma sind die bekanntesten Beispiele hierfür. Aber auch eine Vielzahl weiterer Menschen in Polen, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion, aber auch auf dem Balkan, in Griechenland, Italien oder Frankreich, Belgien und den Niederlanden, quasi in allen Ländern, die von Deutschland besetzt waren, wurden Opfer von Verbrechen, wie Massenerschießungen, die von SS-Einheiten, aber auch von Einheiten der Wehrmacht in deutschem Namen begangen wurden.

Es ist bereits an anderer Stelle ausgeführt worden, dass die Erlebnisse der Soldaten an der Ostfront im 1. Weltkrieg und hier vor allem die Begegnung mit fremden Völkern und Kulturen sowie vor allem das, was hiervon in die Heimat übermittelt wurde, viel dazu beigetragen hatten, dass sich die Deutschen den Völkern im Osten kulturell überlegen fühlten. Große Teile der Bevölkerung zeigten sich wenige Jahre später hierdurch auch empfänglich für die von den nationalsozialistischen Volkstumspolitikern entwickelte Rassenlehre. Nicht wenige folgten dieser unsinnigen und pseudowissenschaftlichen Lehre und fühlten sich einer "Herrenrasse" zugehörig, der die "Untermenschen" aus dem Osten zu dienen hatten. < wird fortgesetzt.

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