„Wir haben die gleiche Angst wie jeder andere“

1975 als Schülerband gegründet, gilt die Band „Pur“ inzwischen als Urgestein der deutschen Musikszene. Am 6. August 2016 kommen Hartmut Engler & Co. auf ihrer Open-Air-Tour an den Stausee Losheim. SZ-Mitarbeiter Marko Völke sprach vorab mit dem „Pur“-Frontmann.

 Hartmut Engler ist mit seiner Band „Pur“ derzeit auf Deutschlandtournee – hier ein Bild aus Magdeburg.

Hartmut Engler ist mit seiner Band „Pur“ derzeit auf Deutschlandtournee – hier ein Bild aus Magdeburg.

Foto: Jens Wolf/dpa

2016 kommen Sie auf Ihrer Open-Air-Tour in die Region und spielen in Losheim am See. Stimmt es, dass das Konzert für die Band etwas Besonderes ist?

Engler: Ja, es ist eines der größten Open-Airs. Wir haben uns bei den Open-Airs immer ganz kuschelig eingerichtet, zum Beispiel auf Rathausplätzen. Also dort, wo es schön ist, wo man ein wenig eingekastelt wird. Die Wahl ist damals auf Losheim gefallen, weil es kaum andere Möglichkeiten im Saarland gab. Das hat uns schon beim ersten Mal richtig gut gefallen. Das ist ein wunderbares Ambiente am See. Und es war bereits beim ersten Mal richtig gut besucht. Darauf freuen wir uns jetzt schon.

Waren Sie in Ihrer Tätigkeit als Schirmherr der Kinder-Hilfs-Aktion "Herzenssache" auch schon im Saarland unterwegs?

Engler: Ehrlich gesagt, war ich jetzt einige Male unterwegs, auch in der Pfalz. Ich habe einige Einrichtungen besucht, was zum einen für mich lehrreich ist. Es gibt so viele Probleme, die ich so noch nicht gesehen habe. Ich habe zum Beispiel nicht gewusst, dass es in Mannheim und in Ludwigshafen Kids gibt, die auf der Straße leben müssen. Ich dachte immer, bei uns ist das mit dem sozialen Netz abgefedert. Ich habe mich darüber gewundert und vor Ort Gespräche geführt. Ich wusste auch nicht, dass bei uns einige Kinder kein Frühstück bekommen. Also haben wir sie zu uns in den Probenraum eingeladen - damit sie mal etwas anderes sehen. Es geht dabei aber mehr um die Leute, die dahinter stehen. Es wird unheimlich viel ehrenamtlich getan. Es wird vielen Kids und Jugendlichen geholfen, aber vor allem ist es beeindruckend, dass sich wirklich viele Leute engagieren, auf den unterschiedlichsten Ebenen.

In Liedern wie "Brüder" und "Kein Krieg" hat die Band schon vor vielen Jahren Themen wie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aufgegriffen. Die müssten doch eigentlich bei der nächsten "Pur"-Tour wieder auf dem Programm stehen, oder?

Engler: Ja, diese Songs stehen fast alle auf der Setliste - so oder so. Wir haben schon ein bisschen an die Zeiten gedacht, die wir gerade durchleben. Man muss sich davon aber auch ein wenig freimachen und eine lustige Party feiern. Das soll natürlich auch so sein. Die Besucher sollen mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Aber zwischendurch sind solche Titel für uns wichtig. Es sind ja viele Solidaritätssongs dabei. Und da kann ein Lied mitunter auch gegen die vorherrschende Angst helfen. Geteilte Angst ist manchmal nur noch halbe Angst. In diesem Sinne passen einige Titel wirklich gut ins Programm - auch vom neuen Album. Als ob wir es geahnt hätten. Es sind ein paar Sachen dabei, die damit zu tun haben.

Haben Sie nach den Terror-Anschlägen und -Drohungen Angst, in großen Hallen zu spielen?

Engler: Ich muss ganz ehrlich sagen, nicht nach dem Anschlag in Paris, aber nach dem abgesagten Fußball-Länderspiel in Hannover packt einen natürlich sofort die Situation. Aber das Schlimmste wäre nun, aus Angst klein beizugeben und Konzerte abzusagen. Ich kann nur sagen: Wir sind auf dem neuesten Stand, arbeiten mit der Polizei zusammen. Wir tun alles, was getan werden muss. Und wir stehen mitten im Saal und können nicht den schnellen Weg nach hinten raus antreten. Insofern haben wir die gleiche Angst wie jeder andere, ein mulmiges Gefühl eben. Aber wir Menschen haben einen eingebauten Selbstschutz namens "Vergessen". Wir können solche Sachen sehr schnell wieder vergessen.

Wie musikalisch sind Ihre Kinder? Wollen sie in Ihre Fußstapfen treten?

Engler: Nein, zum Glück gibt es keine Ambitionen, berufsmäßig etwas mit Musik zu machen. Eine musikalische Begabung ist bei meinen beiden Kindern vorhanden. Der Kleine ist ja jetzt schon groß: 17. Er war dabei, ein sehr guter Schlagzeuger zu werden, hat es dann aber sein lassen. Diese Bandstruktur war nicht gegeben. Und der Große ist ein ganz guter Sänger. Aber ich bin sehr froh, dass ich mich mit dem Gedanken nicht auseinandersetzen muss, wie ich ihnen unter die Arme greifen könnte, wenn sie in diese Richtung unterwegs wären. Ich glaube, das wäre keine gute Idee.

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