Vor Buschis eisigem Segen flüchten die Trauergäste

Waldhölzbach · Traditionell wird an Fastnachtdienstag in Waldhölzbach eine Strohpuppe verbrannt, um den Winter zu vertreiben. Dazu startet die Dorfgemeinschaft einen Zug, begleitet von Gebeten und gehaltvollen Tröstungen.

 Urig ging es bei der Fastnachts-Beerdigung in Waldhölzbach zu. Foto: Werner Krewer

Urig ging es bei der Fastnachts-Beerdigung in Waldhölzbach zu. Foto: Werner Krewer

Foto: Werner Krewer
 In Honzrath waren die Kannibalen los. Foto: Rolf Ruppenthal

In Honzrath waren die Kannibalen los. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal
 Invasion der Zwerge in Bethingen. Foto: Rolf Ruppenthal

Invasion der Zwerge in Bethingen. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal
 Die Panzerknacker brachen gestern in Mitlosheim mit Feuer jeden Tresor auf. FOTO : WERNER KREWER

Die Panzerknacker brachen gestern in Mitlosheim mit Feuer jeden Tresor auf. FOTO : WERNER KREWER

Der Segen des Messdieners ist gefürchtet. Kaum hebt Rainer Buschmann, von allen nur liebevoll Buschi genannt, die Klobürste, geht alles in Deckung. Zu eisig das Wasser, das er über die Trauergemeinde versprüht. Dass ein Auto die volle Dröhnung an Segen abgekommt, nimmt der Fahrer mit Humor, schmunzelt, schaltet die Scheibenwischer ein. Derweil liegt ein ganzer Pulk an Jungs auf Lazarus, jenem armen Teufel, den die Waldhölzbacher mit viel Wehgeschrei traditionell an Fastnachtsdienstag zu Grabe tragen. "Mit der Verbrennung vertreiben wir den Winter aus dem Hochwald, ähnlich wie die Wadriller mit ihrem Erbsenrad am kommenden Sonntag", sagt Paul Barth, der seit 35 Jahren in die Rolle des Pastors schlüpft. "Den Brauch pflegen wir seit 1947." Die Organisation der Beerdigung, das Basteln der Riesen-Strohpuppe Lazarus übernimmt nach seinen Worten die Dorfgemeinschaft.

Kurz vor 14 Uhr sind die Vorbereitungen für die Feuerbestattung im vollen Gange. Roman Bohlen, seit 30 Jahren mit von der Partie, und Benjamin Daeges schleppen den Himmel vor das Waldhölzbacher Wirtshaus, wo der Pastor, seine Messdiener und viele der Dorfjugend versammlt sind. Noch eimal wird die Sirene ausprobiert, mit der auf die Beerdigung aufmerksam gemacht wird. Ihr Heulen geht durch Mark und Bein - eine Lautstärke, die für gut befunden wird. Für einen Moment fährt Hochwürden, dem die Zeremonie längst in Fleisch und Blut übergegangen ist, der Schreck in die Glieder: "Wo ist mein Buch?" Franz-Josef Geus in Mönchskutte kann ihn beruhigen: "Buschi ist den Kopf von Lazarus holen und hat es mitgenommen." Tatsächlich: Buschmann kehrt mit dem vermissten Teil zurück, in der anderen Hand einen Sack, auf dem ein Gesicht gemalt ist, stülpt es auf das Haupt der Strohfigur in Maxi-Format. Doch bevor es ans Beerdigen geht, werden die Gäste eingeladen. Jan, Michael, Justin, Sascha und all die anderen springen auf die Ladefläche des Lasters, starten ihre Tour durchs Dorf: "Haut Mittich um drei wird die Fösend begröf. . . " - eine Ankündigung, die Marco Burgard noch am Morgen verfasst hat. Kurz nach 15 Uhr wird es ernst. Längst haben Ortsvorsteher Manfred Feetzki und seine Helfer die Schilder aufgestellt, die Autofahrer vor dem Zug warnen. Wirtin Monika Künnen reicht noch ein paar gehaltvolle Trösterchen - los geht's: "Als Lazarus gestorben war, da weinte seine Schwester Anna Katharina Philippina um ihren Bruder Lazarus." In die Litanei, vorgetragen mit Grabesstimme von Hochwürden Pauli, fallen alle Trauergäste mit ein. Neun Mann hieven den "Verblichenen", schleppen ihn durch die Hauptstraße. "Der wird immer schwerer", stöhnt einer der Träger.

Fösend-Pastor Paul Barth findet immer wieder tröstende Worte, fordert die Gemeinde zum Mitbeten und Singen auf. Welchen Psalm er auch immer anstimmt: "Alles nix für uns", antwortet im Chor die Trauergemeinde. "Bis Lazarus in Flammen aufgeht, kann es dauern", weiß Barbara Dewald, die als DRK-Mitglied den Zug begleitet, aus Erfahrung. "Am Forellenhof wird gejammert, am Bürgerhaus und auch am Altenheim." Während die rund 50 "Hinterbliebenen" ihren Kummer mit Likör, Schnaps und Bier ertränken, zwischen den einzelnen Stationen singen und beten, sichert Feetzki den Verkehr. Der Zug biegt zur Wiese am Kunengarten ein, wo Lazarus den Flammen übergeben wird - wohl wissend, dass im kommenden Jahr sein Nachfolger das gleiche Schicksal ereilt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort