Diesel Unterschiedliche Gesetze verhindern Vergleich

Losheim am See · „Besser als sein Ruf – der Diesel?“, um dieses Thema drehte sich die Diskussion bei der KÜS in Losheim. Experten bezogen hierzu Stellung.

 Nüchterne Betrachtung von Grenzwertforderungen für Dieselfahrer: Es diskutierten Rüdiger Tiemann. Thomas Schuster, Oliver Groll, Thomas Heinze, Sarah Gillen, Alwin Mertes, Dieter Ackermann und Frank Kiefer (von links).

Nüchterne Betrachtung von Grenzwertforderungen für Dieselfahrer: Es diskutierten Rüdiger Tiemann. Thomas Schuster, Oliver Groll, Thomas Heinze, Sarah Gillen, Alwin Mertes, Dieter Ackermann und Frank Kiefer (von links).

Foto: Werner Krewer

(an) Der kleinste gemeinsame Nenner war schnell ausgemacht: Die Empörung über die Verweigerung von Schadensersatz für die getäuschten deutschen Autobesitzer im Zuge der Dieselaffäre durch den VW-Konzern stand allen Beteiligten ins Gesicht geschrieben. Darüber hinaus sorgte allerdings das weitergehende Thema „Besser als sein Ruf – der Diesel“ für ein volles Haus in der KÜS-Bundesgeschäftsstelle in Losheim am See. Im Rahmen ihrer Themenreihe „IHK Regional Merzig-Wadern“ hatte die Kammer gemeinsam mit der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) offenbar eine Thematik aufgegriffen, die den Menschen unter den Nägeln brennt.

Drei interessante Fachvorträge sorgten nach der Begrüßung der Gäste für die Basisinformationen, die anschließend die Grundlage für eine spannende Podiumsdiskussion bildeten. Als erster Referent räumte Professor Rüdiger Tiemann  nachhaltig mit dem Vorurteil auf, die deutsche Automobilindustrie habe die Entwicklung von Elektro- und Hybridantrieben verschlafen. Mit ersten Überlegungen dieser Art habe sich vielmehr Ferdinand Porsche schon ab 1998 beschäftigt. Und heute seien unter anderem Opel, BMW und VW bereits mit solchen alternativen Antrieben auf der Straße unterwegs.

Mit wissenschaftlich erarbeiteten Zahlen relativierte er außerdem die Schadstoffanteile von Diesel- und Benzinmotoren an unserer Luftverschmutzung. So seien im Jahr 2012 in Deutschland Dieselfahrzeuge nur zu etwa zehn Prozent für Stickstoffoxid-Emissionen verantwortlich gewesen. Außerdem seien im selben Jahr weltweit Benzin-betriebene Autos nur zu 0,5 Prozent an globalen CO2-Emissionen beteiligt gewesen. In diesem Zusammenhang wies Tiemann auch darauf hin, dass weltweit völlig unterschiedliche Abgas-Gesetze stichhaltige Vergleiche kaum zulassen. Interessant war ferner seine Grafik, wonach sich bei den Neuzulassungen von Pkw von 2007 bis 2016 die Leistungskurven am steilsten nach oben und die der CO2-Emissionen am stärksten nach unten orientierten. Zum Abschluss seines Vortrags zitierte der Referent noch Martin Kessel: „Bei Erfindungen ist der Erste immer der Dumme; den Ruhm kassiert der Zweite, und das Geschäft macht erst der Dritte.“

Mit der Behauptung „Der Dieselmotor gehört zu den effizientesten Fahrzeugantrieben, die bisher von der Menschheit entwickelt wurden“ startete dann Professor Thomas Heinze in seinen Vortrag, in dem er seine Einschätzung mit stichhaltigen Argumenten stützte. Die Behebung der Stickoxidproblematik sei jahrzehntelang ein Thema bei der dieselmotorischen Entwicklung gewesen. Mit den DeNOx-Verfahren (Entstickungsverfahren), der Abgasrückführung, NOx-Speicherkat und SCR, deren chemisch-physikalischen Funktionsweisen Heinze auch für den Laien plausibel erläuterte, sei es inzwischen gelungen, das NOx-Emissionsproblem als technisch gelöst zu betrachten.  Nach der Vorstellung von Abgasmess-Methoden beim fahrenden Auto sprach er noch die Kosten für ein System zur Verminderung der Stickstoffoxid-Emission an: „Bei einem Fahrzeug der oberen Mittelklasse dürften je nach Stückzahl und Einkaufskonditionen der Hersteller die Kosten bei ca. 1500 Euro liegen.“

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erklärte Ende Februar, dass Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind. Mit diesem Grundsatzurteil stieg Ingenieur Thomas Schuster in sein Referat ein.  Laut Enviromental Health Analytics aus Washington seien 11 400 (Hochrechnung) vorzeitige Todesfälle in Europa auf nicht eingehaltene Abgaswerte zurück zu führen. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags habe dagegen festgestellt: „Epidemiologisch ist ein Zusammenhang zwischen Todesfällen und bestimmten NO2-Expositionen im Sinne einer adäquaten Kausalität nicht erwiesen.“ In der Folge widmete sich der Referent den Emissionsgrenzwerten und ihrer Einordnung sowie den Tricks und Finten, wie sie im realen Betrieb angeblich höhere Emissionswerte verschleiern sollen.

Grundsätzlich hält Schuster die schrittweise Verschärfung der Emissionsgrenzwerte für einen sinnvollen Weg, um die Luftverhältnisse zu verbessern. Die Stickoxidproblematik beim Diesel könne durch die Überprüfung der Emissionswerte im realen Fahrbetrieb gebannt werden, was auch durch einen aktuellen Test des ADAC mit drei Diesel-Pkw bestätigt worden sei. Letztlich sei eine Reduzierung der NO2-Belastung um bis zu 50 Prozent durch die Ausgrenzung von Dieselautos in den Städten faktisch belegbar, wobei die Verhältnismäßigkeit für die betroffenen Autofahrer nicht aus den Augen verloren gehen dürfe. Letztlich rechne sich ein Diesel-Pkw für den Besitzer modellabhängig durchschnittlich ab etwa 15 000 Kilometern im Jahr.

Nach so einem kompakten Angebot von Fakten und Zahlen entlud sich in der anschließenden Podiumsdiskussion sofort wieder der Zorn auf die Weigerung des VW-Konzerns, getäuschte Autokäufer in Deutschland zu entschädigen. Als einer der ersten solidarisierte sich Stefan Thielen (MdL), der gleichfalls dafür plädierte, den Autohersteller aus Wolfsburg nicht aus seiner Verantwortung zu entlassen. Ansonsten wurde bei dieser Diskussion schnell aufgrund der gestellten technischen Fachfragen deutlich, dass die Veranstalter die richtigen Experten für ein brandaktuelles Thema eingeladen hatten, das IHK und MIT bei der KÜS – trotz des schönen Wetters draußen – einen vollen Vortragssaal bescherte. Und es herrschte weitgehende Übereinstimmung, dass der Dieselmotor nach wie vor eine Zukunft hat, dass er einfach besser ist als sein Ruf.

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