Integration im Kreis Syrische Mütter lernen im Sprachtreff Deutsch

Losheim · Seit gut zwei Jahren bewegt der Zustrom von Kriegsflüchtlingen die Nation. Wie aber gestalten sich der Alltag und die Bemühungen zur Integration der Flüchtlinge in unserer Region? Die SZ greift diese Fragen in einer Serie auf. Heute Teil 5.

 Ehrenamtliche bieten in der Losheimer Ganztagsschule Sprachunterricht an. Foto: Drokur

Ehrenamtliche bieten in der Losheimer Ganztagsschule Sprachunterricht an. Foto: Drokur

Foto: Drokur

Der kleine Tiem flitzt gut gelaunt durch den großen Kreativraum der Ganztagsschule in Losheim. Mit einem lauten "Heija" springt er in Kung-Fu-Haltung. Seine Mutter Hasna hebt ihn auf ihren Schoß. Zwar lädt der bunte Raum voller Spielzeuge zum Toben und Spielen ein, der Grund für ihren Besuch ist aber ein ernsterer. Mutter Hasna will Deutsch lernen. Sie ist aus Syrien nach Deutschland gekommen und wohnt in der Gemeinde Losheim.

"Da viele Mütter mit Kindern nicht in den normalen Sprachkurs gehen können, weil sie ihre Kinder nicht unterbringen können, kommen sie lieber zu uns", erklärt Gertrud Engel. Die pensionierte Lehrerin für Mathematik und Erdkunde unterrichtet seit einem Jahr freitags und dienstags von neun bis elf Uhr Menschen aus unterschiedlichen Nationen . Das Projekt wurde im Januar 2015 von Sieglinde Krämer ins Leben gerufen: "Es sollte als Vorbereitungskurs oder als Überbrückung dienen, bis Platz in den normalen Sprachkursen bei der VHS oder der CEB ist", erklärt die 69-Jährige. "Unser offener Sprechtreff ist für alle offen, nicht nur für Flüchtlinge . Wir haben hier Menschen mit den unterschiedlichsten Muttersprachen." Unterdessen stößt ein weiterer ehrenamtlicher Helfer dazu. Auch er ist pensionierter Lehrer - für Mathematik und Physik. Seit über einem Jahr ist er am Projekt beteiligt. Um zwei kleine Tische verteilen sich insgesamt sieben Lernwillige. "Es kommen mal mehr mal weniger viele", sagt Engel, während sie die Lehrbücher verteilt und beginnt mit einer kleinen Vorstellungsrunde.

Langsam und sehr deutlich sagt sie: "Ich heiße Gertrud, ich bin 69 Jahre alt." "Ich heiße Hasna, ich wohne in Losheim", sagt die Syrerin schon recht geübt. So geht es im Kreis, bis alle einmal an der Reihe waren. Dann wiederholen sie den Stoff der letzten Stunde. Das Thema: "Wichtig für die Schule". Engel breitet einige Gegenstände auf dem Tisch aus und fragt: "Was ist das?" "Pencil", antwortet die elfjährige Irma Imamovic aus Bosnien-Herzegovina. "Ja, auf Englisch heißt es ‚pencil'. Und auf Deutsch?", hakt Engel geduldig nach. "Kugel… Kugel…" versucht sich Fata Imamovic, Irmas Mutter, zu erinnern. "Kugelschreiber", hilft die Tochter aufgeweckt. Tiem kritzelt mit dem Schreiber auf die Unterlagen seiner Mutter. Alle helfen sich gegenseitig, auch Tiem scheint das Lernklima der bunt gemischten Gruppe nicht zu stören. "Früher hatten wir mal eine Kindergärtnerin, die auf die Kinder aufgepasst hat", sagt Engel. Die gebe es leider nicht mehr. Aber die Ehrenamtliche hat einen Korb voller Spielsachen mitgebracht, die die Kinder bei Laune halten sollen.

Gertrud Engel ist nur eine von rund 60 Ehrenamtlichen in Losheim, die in der Flüchtlingshilfe tätig sind. Bei einem runden Tisch im Schlösschen in Losheim treffen sie sich alle drei Monate, um sich gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen: "Wir haben hier ein Gruppensystem", erklärt Judith Laux, das Mädchen für alles, wie sie sich nennt, "es gibt Paten, einen Fahrdienst, eine Gruppe für Behördengänge, die Ehrenamtlichen für den Sprachkurs und so weiter." Im vergangenen Jahr hatte die Gemeinde zum ersten runden Tisch dieser Art eingeladen und das Projekt zur Flüchtlingshilfe vorgestellt. "Wir wurden ins eiskalte Wasser geworfen", sagt Edith Strass-Gill, eine der vielen engagierten Paten. Die Truppe sei aber gut vernetzt. "Unser Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe. Mittlerweile finden sich die Flüchtlinge immer besser zurecht. Wir werden nicht mehr so oft gebraucht", berichtet sie.

Bei der Zusammenkunft werden auch Probleme besprochen. Schnell wird klar, dass der Job auch mit Frustration verbunden ist. Da geht es um Flüchtlinge , die vom Leben in Deutschland enttäuscht sind, da sie keinen Ausbildungsplatz bekommen. Um Flüchtlinge , die bei schlechtem Wetter nicht zur Arbeitsmaßnahme erscheinen oder nicht zum Sprachkurs kommen. "Man kann aber nicht verallgemeinern", betont Ruth Staudt von der Losheimer Arbeitsinitiative (LAI). Insgesamt sei das Verhältnis in Losheim ein sehr gutes. "Wir gehen jetzt zusammen Flieten essen und kegeln", beschließt Judith Laux am Ende des Treffens.

Frau Godenow, Frau Staudt, wie viele Flüchtlinge leben zurzeit in Losheim?

Godenow: Zurzeit wohnen 267 Flüchtlinge in der Gemeinde.

Sind die Flüchtlingszahlen in diesem Jahr im Vergleich zum vergangenen Jahr rückläufig?

Staudt: Im Jahr 2015 kamen insgesamt 235 Flüchtlinge , in diesem Jahr 66.

Wo sind sie untergebracht? Gibt es genügend Wohnraum in der Gemeinde oder stehen sogar einige eingeplante Unterkünfte leer?

Godenow: Die Gemeinde Losheim hat momentan Wohnraum genug. Die Situation ist entspannt. Dies kann sich nochmals ändern, wenn Familiennachzug kommt.

Welche Kosten fallen pro Jahr an?

Staudt: 2015 fielen 264 000 Euro für Miete und Erstausstattung, 355 000 Euro für Personal an.

Gibt es konkrete Maßnahmen zur Integration?

 Die zuständigen Sachbearbeiterinnen. Foto: privat

Die zuständigen Sachbearbeiterinnen. Foto: privat

Foto: privat

Godenow: Die kommunale Arbeitsmarktinitiative hat mittlerweile 26 Flüchtlinge in ihren Arbeitsgelegenheiten beschäftigt. Zudem gibt es einen Sprachkurs von der CEB in Losheim und einen Sprachkurs von Ehrenamtlichen. Mittlerweile sind viele Flüchtlinge in Integrationskursen der CEB oder der VHS. Monatlich gibt's ein Begegnungsfest.

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