Schwenker mit Kultstatus

Rissenthal · Vor neun Jahren hatte Gastwirtin Anja Backes die Idee zu einem regelmäßigen Schwenkerabend mit Musikbegleitung mitten in der Woche. Die Veranstaltung im Schatten der markanten Linde mitten im Ort zieht Besucher von weither an.

 Am ganz besonderen Schwenker: Anja Backes (links) mit Sohn Mirko Schuler (Zweiter von links) und Heinz Backes (rechts) mit Schwiegersohn Jan Heinbuch. Foto: Rolf Ruppenthal

Am ganz besonderen Schwenker: Anja Backes (links) mit Sohn Mirko Schuler (Zweiter von links) und Heinz Backes (rechts) mit Schwiegersohn Jan Heinbuch. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Als erstes sieht der Besucher diese Linde. Ein riesiger Baum, mit ausladender Krone direkt vor dem Haus. Sie spendet Schutz vor der Sonne und bietet ein Dach gegen den Regen. Dicht an dicht stehen die Tische unter dem Blätterdach, und noch ein wenig dichter sitzen die Menschen auf Bänken und Stühlen, essen Schwenker und trinken Bier. Im Hintergrund machen die Bläser des Musikvereins gerade eine Pause zwischen ihren Stücken. Das Geschäft vor dem Gasthaus zur Linde in Rissenthal brummt. Irgendwo zwischen Volksfest, Biergarten und Sommerlaube. Und das alles an einem Mittwochabend.

"Die Idee dazu hatte ich vor neun Jahren. An der Theke haben sich zwei Paare gestritten, auf welches Volksfest sie am Wochenende gehen, und sind sich darüber richtig in die Haare geraten", erinnert sich Anja Backes, die das Gasthaus zusammen mit ihrem Mann Heinz seit 23 Jahren betreibt: "Da habe ich gesagt, dass wir ein Fest unter der Woche feiern. Alle haben mich für verrückt erklärt - auch mein Mann. Aber ich habe mich nicht abbringen lassen."

Dabei lief gleich am ersten Abend einiges schief. Es kamen nämlich so viele Leute, dass zu wenige Bedienungen, zu wenig Schwenker und zu wenig Salate da waren. "Beim zweiten Mal hatten wir dann mehr Leute und mehr Essen, aber es hat immer noch nicht gereicht, weil diesmal doppelt so viele Leute kamen", sagt Anja Backes und lacht. Heute - neun Jahre später - eilen zehn Bedienungen zwischen den Tischen auf und ab, drei weitere arbeiten in der Küche. Und dann ist da ja noch der Grill. Und das ist nicht irgendein Grill. Wo sich sonst bei Schwenkern der Rost über das Feuer bewegt, bewegt sich hier das Feuer wie auf einer Wiege unter dem Rost. "Das ist natürlich ein ganz besonderer Grill", sagt Backes.

Erfunden und gebaut hat ihn ein Verwandter der Familie, Engelbert Klein, gelernter Schlosser. "Irgendwann hab ich gedacht, man könnte es ja mal versuchen, dass sich die Feuerschale bewegt. Und dann hab ich ihn gebaut." Vor ein paar Jahren sollen ein paar Orscholzer mal versucht haben, den Grill nachzubauen, sind aber dran gescheitert. Anfragen hatte Klein genug. Nur er wollte nicht: "Das war ja nur so für mich. Und jetzt bin ich auch zu alt."

Seit ein paar Jahren steht Kleins Erfindung nun unter der Linde in Rissenthal und ist Teil dieser ganz besonderen Stimmung. "So was gibt es ja sonst hier nicht, dass man mal unter der Woche was unternehmen kann. Deshalb kommen auch nicht nur Rissenthaler", sagt Thomas Müller . Daniel Wendels stimmt zu: "So was gibt es vielleicht in München, aber hier ist das was Besonderes."

Überhaupt ist das Publikum bunt gemischt. Familien, viele junge Leute, aber auch ältere Menschen aus dem Ort. Egon Weber aus Wadrill kommt gerade von einer längeren Wanderung, wie jeden Mittwoch: "Da bietet sich das hier ja wunderbar an, um danach noch was zu essen." Mitwanderer Ferdinand Gebel war vor drei Jahren zum ersten Mal unter der Linde: "Da haben sie irische Musik gespielt. Da musste man sich zwar dran gewöhnen, aber wir kommen immer wieder."

Vom Aussterben der klassischen Dorfkneipe ist in Rissenthal nichts zu spüren. Noch immer treffe sich hier Alt und Jung, sagt Anja Backes, die schon früher in der Kneipe ihrer Mutter gearbeitet hat: "Man muss den Leuten halt auch was bieten. Nur morgens auf- und abends zuzusperren, reicht nicht, um zu überleben."

Schwenkerfest Zur Linde in den Ferien immer mittwochs ab 18 Uhr.

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