Schlamm drüber!

Losheim · Mein linkes Knie blutet, meine Hände sind aufgeschürft, ich habe mittlerweile zwei Mal geduscht und noch immer Dreck in der Nase – in den Ohren habe ich vorsichtshalber nicht nachgesehen. Am Samstag sind etwa 1600 Läufer rund um den Losheimer Stausee zum „Mission Mudder“-Abenteuerparcours gestartet: 18 Kilometer, 46 Hindernisse, sehr viel Schlamm. Startnummer 116, das war ich. Und ja, ich hatte auch Spaß.

 Die Langstreckler brechen zu ihrem Rennen über Stock und Stein bei „Mission Mudder“ auf. Fotos: Rolf Ruppenthal

Die Langstreckler brechen zu ihrem Rennen über Stock und Stein bei „Mission Mudder“ auf. Fotos: Rolf Ruppenthal

 SZ-Mitarbeiterin Gianna Niewel.

SZ-Mitarbeiterin Gianna Niewel.

 Die Teilnehmer trafen teils auf natürliche, teils auf gebaute Hindernisse.

Die Teilnehmer trafen teils auf natürliche, teils auf gebaute Hindernisse.

 Die Strecke ging durch Schlamm und Wasser.

Die Strecke ging durch Schlamm und Wasser.

 Kostümierte Läufer waren dabei.

Kostümierte Läufer waren dabei.

Als mir zum ersten Mal schwant, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, sich anzumelden, hat dieser Geistesblitz nur einen Haken: Es hat gerade erst begonnen. Der Schlamm steht mir bis zur Hüfte, weil es schwer fällt zu waten, schwimme ich. Kurze Zeit später bleibt mir ohnehin nichts anderes übrig. Gerne würde ich verhindern, dass mir die Dreckbrühe in die Nase läuft. Vergebens, denn Holzstämme, die über den kleinen Fluss gelegt sind, zwingen mich zum Tauchen. Es ist warm an diesem Samstagnachmittag. Immerhin, dann trocknen die Klamotten rasch. Zumindest bis zum nächsten Hindernis.

Für "Mission Mudder ", donnert die Stimme des Veranstalters per Mikrofon über das Gelände, sind rund 1600 Männer und Frauen an den Stausee gekommen. Die meisten haben sich für die kurze Strecke über elf Kilometer angemeldet, sie erwarten mehr als 30 Hindernisse. Ein Blick auf den Parkplatz verrät, dass es nicht nur Saarländer sind, die diese Herausforderung annehmen. Autos mit französischen Kennzeichen parken neben Luxemburgern, Saarländern, Rheinland-Pfälzern, Läufern aus Koblenz. Die tapferen, rund 300 Teilnehmer, heizt der Mann von der Bühne aus auf, packten sicher auch die 18 Kilometer lange Strecke. Grölen von denen, die bereits im Startblock warten. Auch ich habe mich hierfür angemeldet. Die 46 Hindernisse sind teils natürlich, teils gebaut. Immer sind sie: dreckig, hoch, steil. Es ist Versprechen wie Drohung gleichermaßen, was auf den Shirts der Teilnehmer prangt: "Dein Lauf - keine Gnade".

Nachdem ich aus dem Schlammloch gekrabbelt bin, geht es an Tauen hangelnd einen Berg empor, oben mehrere Container. Gefühlt sind die zwei Mal so hoch wie ich - gemessen vermutlich anderthalb. Ein junger Mann joggt heran, auf seinem Shirt steht "Siggi sucht Karola". Vermutlich heißt er nicht Siggi und ich bin definitiv nicht die Gesuchte. Hilfe brauche ich trotzdem. Dass sein Name Markus ist, und er mit einem Lauftreff aus Zweibrücken angereist ist, erzählt er, während er mir per Räuberleiter hilft, meinen Körper auf den ersten der Container zu wuchten. Als ich ihm, oben angekommen, den Arm entgegen strecke, frage ich, ob ihm der Lauf noch Spaß macht. Ich hoffe, dass er mit "Nein" antwortet. Er lacht spitzbübisch und nickt. Verdammt. Nun ein langer Sprung über brennende Holzscheite, ich stakse über einen Berg Traktorenreifen.

Einige der Teilnehmer sagen, sie würden regelmäßig laufen und manchmal würden sie dabei gern an ihre Grenzen kommen. Andere gestehen, dass sie selten Sport machen, aber wenn schon, dann nicht nur zu einem Straßenlauf um den Block. Vor mir sind zwei Männer , der eine joggt langsam, der andere geht zügig. Nein, sagen sie, ob es Schweiß ist oder Matsch, der ihnen in Rinnsalen über die Stirn fließt, das wüssten sie nicht. Der Schnellere fragt jetzt, ob sein Laufpartner gewillt sei, wieder zu joggen. Der nölt erst ein lang gezogenes "Nää", hechelt Seitenstechen weg und willigt dann ein. Zu dritt traben wir weiter.

"Jetzt ist Halbzeit", schreit ein Helfer am Wegrand. Der Moment also, in dem es egal ist, ob ich weitermache oder abbreche, weil die Strecke zurück genauso lang ist wie die zum Ziel. Zugegeben, der Gedanke spornt mich an. Ich kippe einen Becher Wasser, stopfe eine halbe Banane. Ein Mann fragt nach Anti-Mückenspray, und ich freue mich, dass ich nicht die Einzige bin, die während der kurzen Pause über kleinere Blessuren jammert. Dass wir die Strecke gewandert besser genießen könnten: geschenkt. Nichtsdestoweniger ist sie sehr schön: Es geht über einen Teil des Saar-Hunsrück-Steigs, Trampelpfade, Waldwege, Pilze zwischen Moos und Wurzeln, Vogelgeschrei.

"Erntedank", so heißt das nächste Hindernis, danach sind meine Beine und die Hose voller Stroh, ich habe Zweige im Haar. Während ich mich vom letzten Heuballen plumpsen lasse, hechtet mir ein Mann in einem Schneewittchenkostüm entgegen, Startnummer 1168. Ich könnte mich wundern, denn er läuft in die falsche Richtung. Tue es aber nicht. Die Frage nach dem Sinn stelle ich seit schätzungsweise knapp zwei Stunden nicht mehr. Ich laufe schließlich. Das mittlerweile sehr gerne, ich freue mich auf neue Hindernisse, es ist wie ein Rausch.

Irgendwann ist das Ende in Sicht, die Gruppe, mit der ich jogge, jubelt. Als wir uns über die Ziellinie fallen lassen, zeigt die Uhr für mich 3:02:52. Der Schnellste ist bereits vor mehr als einer Stunde angekommen. Ich keuche. Bei jedem Schritt spritzt Matsch aus meinen Schuhen, unterwegs habe ich mitgenommen, was geht - Dreck, Blätter, kleinere Äste. Die Duschen sind mein einziges und letztes Ziel für heute. Auf einem der Schilder Richtung Parkplatz steht, dass Schmerz nur kurz andauert und Stolz bleibt. Ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen. Ein Zweifeln ebenso wenig. Schon in wenigen Stunden werde ich meine Beine nicht mehr spüren wollen.

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