Polit-Star zu Gast in Losheim Kraftvolles Bekenntnis zu Europa
Losheim · Beim Sparkassen-Forum war Bundesfinanz- minister a.D. Theo Waigel zu Gast. Er hielt eine flammende Rede für ein geeintes Europa.
„Bleiben Sie Europäer oder werden Sie Europäer. Etwas Besseres können Sie für sich und ihre Kinder nicht tun“, mit diesem kraftvollen Bekenntnis zu unserem politisch etwas ins Schlingern geratenen Kontinent beendete der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel am Mittwoch seine Visite in der Losheimer Eisenbahnhalle. Der Ehrenvorsitzende der CSU war Gast des 28. Sparkassen-Forums und sprach über Europa im 21. Jahrhundert.
Frank Jakobs, Vorstands-Vorsitzender der Sparkasse Merzig-Wadern, hob zur Begrüßung nicht nur den interessanten Lebenslauf des ehemaligen Finanzministers hervor, sondern auch den Menschen dahinter. Der Mann, der bekannt durch seine buschigen Augenbrauen ist, habe schon bei „Wetten, dass?“ für Lacher gesorgt, erinnerte sich Jakobs zurück. Moderator Thomas Gottschalk hatte 1997 im Rahmen der Saalwette die Aufgabe bekommen, 20 Finanzbeamte mit Augenbrauen à la Waigel zu finden. Gottschalk verlor die Saalwette. Aber dann geschah das:Theo Waigel, selbst Zuschauer der Sendung, rief beim ZDF an und wurde in die Liveshow durchgestellt - da war selbst Gottschlak kurz sprachlos.
Jakobs beschrieb die folgende Passage als einen der schlagfertigsten Momente der Sendung: „Herr Waigel, damit ich weiß, dass Sie es wirklich sind - rascheln Sie bitte mal mit ihren Augenbrauen!“ Mit dem spontanen Applaus im Publikum habe der Finanzminister einiges an Sympathiepunkten wettmachen können, erzählte der Sparkassen-Vorstand weiter. Und urteilte, neben seiner unbestrittenen Kompetenz und Führungsstärke zeichne Waigel, wie jene Episode zeige, eben auch geistvoll-hintersinniger Humor, große Menschlichkeit und hohe Glaubwürdigkeit aus.
In seiner Rede spannte der langjährige Finanzminister in der Regierung Kohl (siehe Infokasten) gekonnt den Bogen von der jüngsten Bundestagswahl über die gloabel Finanzpolitik bis hin zum großen Thema Europa.
Für die SPD und ihre Entscheidung die Oppositionsrolle einzunehmen, zeigte der CSU-Mann Verständnis: „Ich denke, dass wir damit in einer guten Streitkultur über die Dinge des Landes diskutieren, den äußerten Rändern links und rechts etwas wegnehmen und die Diskussion unter den großen, soliden Parteien durchführen können.“ Dennoch möchte der ehemalige Politiker, wie er selbst sagte, keine Ratschläge erteilen. Dass der Weg zur Bildung einer neuen Regierung kein leichter werde, sei ihm bewusst. Lobend erwähnte er an dieser Stelle das Saarland, welches dieses Thema nach der Wahl schnell und entschieden gelöst habe.
Bauchschmerzen bereite ihm aber der Rechtsruck, der zurzeit durch Europa geht, bekannte Waigel. Diesen erklärte er sich durch eine große Enttäuschung bei den Bürgern. „Die großen Projekte der letzten Jahre wurden nicht offensiv in der Debatte im Parlament dargestellt“, kritisierte der CSU-Politiker. Dies gelte nicht zuletzt für die Flüchtlingskrise, welche mit allen Konsequenzen im Bundestag, im Bundesrat und in allen Landesparlamenten diskutiert hätte werden müssen.
Etwas länger wurden Waigels Ausführungen, als es um die Finanzpolitik ging. „Die Welt ist ungerecht“, sagte er. „Ich wurde, Herr der Löcher, genannt und hatte einen Bundeshaushalt mit 80 Milliarden D-Mark Schulden. Ich musste 9,75 Prozent Zinsen während der Wiedervereinigung zahlen. Heute bekommen die Finanzminister das Geld nachgeworfen.“ Für ihn sei es ganz klar, dass nun Geld an die Sparer zurückgegeben werden müsse. Früher habe der Staat Sparer und Steuerzahler stark unterstützt, die hohe Zinsen nutzen konnten. Nach Waigels Überzeugung tragen Sparer schließlich dazu bei, dass die Finanzminister gute Zahlen schreiben. Für Investitionen und Steuersenkungen sei heute Spielraum da. Man müsse diesen nur nutzen, so Theo Waigel.
Trotz aller Klagen, Defizite und Probleme beschrieb Waigel, der früher als „Vater des Euro“ bezeichnet wurde, die jetzige Zeit als beste aller Zeiten: „Ich habe die Nachkriegszeit und damit auch Elend und Schrecklichkeiten erlebt. Heute leben wir in einer Zeit, um die uns unsere Vorfahren beneidet hätten und um die uns auch viele in der Welt beneiden.“ Deutschland könne und solle auf die letzten Jahrzehnte stolz sein. Alle Bundeskanzler hätten für Ehre für Deutschland in der Welt gesorgt und politische Stabilität geboten.
Diese Rolle soll Deutschland laut Theo Waigel auch in Europa spielen: „Europa braucht eine Führungsverantwortung Deutschlands wie nie zuvor in den letzten 150 Jahren. Noch nie hatten wir eine solche Verantwortung wie jetzt.“
Energisch warb der 78-Jährige in seiner Ansprache für die Europäische Union. Diese, als Friedensinstitution, sei das Beste, was in den letzten Jahrzehnten politisch erarbeitet wurde. Trotz Fehlern, die gemacht wurden, wie zum Beispiel die wiederholten Verletzungen des Stabilitätspaktes, sei es oberstes Gebot, die vereinbarten Regelungen und Verträge zukünftig einzuhalten. Nur dann könne das Vertrauen in die Europäische Union wachsen.
In Hinblick auf die Zukunft Europas wünschte sich der CSU-Mann eine stärkere Kooperation im Verteidigungsbereich, welche nach seiner Auffassung zu Einsparungen in der Waffenproduktion und einer Verbesserung bei der Bundeswehr führen würde. Auch solle Entwicklungshilfe dort angeboten werden, wo Probleme entstehen. Ein großes Anliegen war ihm zudem der verstärkte Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit.
Bevor Waigel die Bühne in der Eisenbahnhalle verließ, hatte er noch eine spezielle Ankedote parat und verriet wie der Euro zu seinem Namen gekommen ist: „Ich wollte die neue, europäische Währung ja eigentlich Franken nennen, aber der spanische Premierminister wies mich daraufhin, dass diese Währung in Spanien dann Franco heißen würde. Das ging natürlich nicht.“