Bundestagskandidatin Konzert in der Altstadt und Plakate aufhängen in Eigenregie

Waldhölzbach · Wie die drei Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl aus unserem Landkreis die zurückliegenden Wahlkampfwochen erlebten.

 Marilyn Heib  beim Abschlusskonzert in der Merziger Altstadt.

Marilyn Heib  beim Abschlusskonzert in der Merziger Altstadt.

Foto: Ruppenthal

Gerade einmal 18 Jahre alt und schon zweimal Spitzenkandidatin des Wahlkreises Saarlouis und Merzig-Wadern: Im Frühjahr ging Lea Laux bei der saarländischen Landswahl für die Piraten ins Rennen, jetzt bei der Bundestagswahl. „Für diese Wahl mussten sich die einzelnen Landesverbände viel enger vernetzen und viel mit den Leuten absprechen, um mit einer Stimme sprechen zu können“, verrät die junge Frau aus Waldhölzbach. Die Konsequenz aus all den Vereinbarungen: „Man lernt viele neue Leute kennen.“ Sie nennt es unabdingbar, Grundrechte und Freiheit zu verteidigen. Denn die werden nach ihrer Auffassung beschnitten. Um sich dagegen zu wehren, reihte sie sich in die Demo ihrer Partei Mitte September in Karlsruhe ein. „Freiheit 4.0 – Rettet die Grundrechte“ war die Versammlung überschrieben.

Aber nicht nur für diese Grundwerte macht sich Lea Laux, seit 2013 Piratin, stark. Für sie ebenfalls wichtig: mehr Mitspracherecht für die Bürger. So lautet ihre Forderung: „direkte Bürgerentscheide, auch auf Bundesebene.“ Um auch den Menschen mehr Mitbestimmung zu garantieren, wollen die Piraten auch im Bundestag nach ihren Worten das Verfahren eines Open-Antrags einführen. Das Prozedere sei einfach: Ein Bürger lege sein Anliegen ihrer Partei vor. Dieses werde geprüft  und zu einem Antrag ausgearbeitet, anschließend  dann ins Parlament oder einen Ausschuss eingebracht, oder es werde eine Anfrage gestartet, erläutert die Politikerin, die seit Sommer dieses Jahres ihr Abiturzeugnis besitzt. „Ich habe das Hochwald-Gymnasium in Wadern besucht“, erzählt sie. Ihre Lieblingsfächer: Chemie und Politik.

Um einen Sitz im Bundestag zu ergattern, hat sie das Studium erst einmal hinten angestellt. „Ich will ein Mandat“, sagt sie. Sollte es nicht klappen, „gibt es immer noch Unis, bei denen ich mich einschreiben kann“ – wohl im Fach Chemie, wie sie verrät. Nach der Ochsentour im Frühjahr nimmt die 18-Jährige jetzt die gleiche Arbeit auf sich – mit Plakatekleben, an Infoständen präsent sein und vieles mehr. „30 bis 40 Stunden pro Woche sind schon drauf gegangen“, schätzt sie. Nicht eingerechnet hat sie nach Worten die Zeit, um die notwendigen Unterstützer-Unterschriften zusammen zu bekommen. Die verlangt der Gesetzgeber. „Das soll sicherstellen, dass nur ernsthafte Vorschläge zur Wahl stehen, die eine nennenswerte Zahl von Anhängern im Wahlvolk finden“, heißt es in der Begründung des Bundeswahlleiters. „Auf viele soziale Themen  bin ich im Wahlkampf angesprochen worden“, sagt sie. Die Angst, dass die Rente nicht ausreiche, bewege viele Menschen, ebenso wie die Pflege. „Es fehlen Pflegende.“ Für sie ein Grund: Die Politik lasse den Berufsstand im Regen stehen. Was sie bei ihrer Wahlkampf-Touren gefreut hat: „Viele junge Leute haben mich angesprochen und mir ihre Unterstützung zugesagt, da sie etwas verändern wollen.“ Ein Ärgernis: das Verhalten einiger AfD’ler: „Die haben uns als linkes Pack beschimpft und uns aufgefordert, abzuhauen.“ Nicht nur wegen des Affronts: „Wenn die in den Bundestag einziehen, bin ich traurig.“

Ganz, gleich, wie die Wähler entscheiden: Die 18-Jährige wird sich weiter für die Partei engagieren: „Arbeit gibt es genug.“ Auch wollen die stellvertretende Bundesvorsitzende der Nachwuchsorganisation und ihre Mitstreiter „das Raumschiff Junge Piraten von der Erdkugel Richtung Weltraum bewegen“.

Mit einem Frühstück in einem Merziger Bistro begann der Tag der Wahl für Marylin Heib, weiter ging es mit einer Stippvisite zur Saarschleife. Die 39 Jahre junge Spitzenkandidatin der Linkspartei im Wahlkreis Saarlouis/Merzig-Wadern ließ es am Sonntag eher geruhsam angehen. „Ich habe eine gute Freundin, die mir im Wahlkampf sehr geholfen hat, eingeladen, das Wochenende mit mir zu verbringen“, sagt die Haustadterin, die sich bewusst war, dass es gegen die beiden Bundesminister, die in ihrem Wahlkreis um die Stimmen der Wähler buhlen, für sie kaum eine Chance geben möge.

Dennoch habe sie sich reinghängt in den Wahlkampf, sagt Heib, die in wenigen Wochen Mutter wird. „Den Druck macht man sich ja doch selbst.“ Doch der falle nun von ihr ab. Am Tag davor hatte sich Marylin Heib noch etwas Besonderes einfallen lassen: Mit einem spontanen Straßenkonzert in der Merziger Altstadt ließ sie ihren Wahlkampf ausklingen, in dem sie nach eigenem Bekunden einerseits versucht hat, neue Wege zu gehen, zum anderen aber auch ganz klassisch mit Flugblättern, Plakaten und Infoständen den Kontakt zum Wähler gesucht hat. „Ein Team von rund 20 Helfern aus den Reihen der Partei hat mir dabei geholfen“, sagt Heib, zu jedem dieser Helfer habe sie vor Beginn des Wahlkampfes persönlich den Kontakt aufgenommen. „Auch mein Mann und meine Familie haben mich nach Kräften unterstützt.“

Sie wollte einen Wahlkampf machen, „um Menschen zu helfen“, bekundet die Links-Politikerin. Und sie habe gespürt, dass dies auch auf fruchtbaren Boden gefallen sei: „Ich habe festgestellt, dass es viele Dinge gibt, die nicht so gut laufen bei uns und wo die Politik sich sehr weit von den Bürgern entfernt hat.“ Zwei zentrale Themen bei ihren Gesprächen mit den Bürgern im Wahlkampf seien die Sicherheit der Renten sowie die Gesundheitsversorgung und Pflege gewesen – das habe sie nicht überrascht: „Ich hatte mir im Vorfeld des Wahlkampfes auch Gedanken gemacht, welche Themen für die Menschen zentral sein könnten. Und das waren genau diese beiden Komplexe.“ Dazugekommen sei auch die Flüchtlingspolitik, obwohl nach ihrer eigenen Einschätzung das Thema an Dringlichkeit verloren habe. „Aber viele Leute sind immer noch sauer, wie das vor ein, zwei Jahren gelaufen ist.“ Zudem würden jene, denen es nicht so gut gehe, gern einen Schuldigen für ihre Situation suchen. „Das erklärt ja auch ein bisschen die Erfolge der AfD“, meint Heib, die noch etwas anderes festgestellt hat: „Die Leute wünschen sich oft einfach nur, dass die Politiker ihnen mehr zuhören. Das ist offenbar in letzter Zeit mehr und mehr verlorengegangen.“ Dieser Respekt der Politiker gegenüber ihren Wählern sei etwas, was ihr ganz wichtig sei – nicht nur in diesem Wahlkampf, sondern auch in der Zeit danach. „Für mich war diese Kandidatur auch ein Test, ob ich so etwas wie Politik machen will, ob das der richtige Weg für mich ist und ob die Leute mich in dieser Rolle akzeptieren.“ Beides habe sich auch aus ihrer Sicht bestätigt, resümiert Marylin Heib, die bekundet, dass sie sich auch zukünftig politisch engagieren möchte. „Dabei möchte ich auf den Punkt kommen, aber nicht stur auf meiner Position beharren, wenn ich feststelle, dass ich in diesem Punkt vielleicht falsch gelegen habe.“ Denn auch das sei etwas, was die Bürger durchaus von ihren Politikern erwarten: „Viele haben in den Gesprächen mit mir kritisiert, dass Politiker keine klare Kante mehr zeigen, sondern es eher allen recht zu machen versuchen.“

Ein ganz wichtiges Ziel dieses Wahlkampfes hat Michael Bienek schon vor dem Wahltag erreicht: „Mir ging es darum, für die Partei Werbung zu machen und unsere Ideen bekannter zu machen“, sagt der Spitzenkandidat der Partei der Vernunft (PDV) am Sonntagnachmittag gegenüber der SZ. Und seine Kandidatur war auch aus einem anderen Grund bedeutsam, erzählt der 39-jährige Waderner: „Ursprünglich wollte die PDV in vier Bundesländern zur Bundestagswahl antreten, aber nur im Saarland haben wir die erforderliche Zahl an Unterstützerunterschriften zusammenbekommen.“ Und so war Bienek, der im März den Landesverband der PDV wiederbelebt hatte, am Sonntag tatsächlich der einzige Bundestags-Kandidat seiner Partei in ganz Deutschland. Und das mit einem Landesverband, der, wie er gegenüber der SZ einräumt, aus gerade einmal sechs Mitgliedern besteht. Aber das dürften schon bald ein paar mehr werden, sagt Bienek: „Ich habe im Wahlkampf schon ein paar Interessenten gefunden, die der Partei beitreten oder sich für die Partei engagieren wollen.“ Die PDV verstehe sich als libertäre Partei, die sich dafür einsetzt, dass staatliches Handeln auf den Schutz des Lebens, der Freiheit und des Eigentums der Bürger beschränkt werden solle. Das sei für ihn auch der Anstoß gewesen, sich für diese Partei zu engagieren, bekundet Bienek: Als Bundesjustizminister Heiko Maas im Frühjahr das so genannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf den Weg brachte, das sich unter anderem gegen Hasskommentare im Internet wendete, war das für ihn zu viel des Guten: „Die darin enthaltene Einschränkung der Meinungsfreiheit ist nicht akzeptabel.“

Michael Bienek.

Michael Bienek.

Foto: Bärbel Röder
 Lea Laux.

Lea Laux.

Foto: Lea Laux/CC0

Und knapp ein halbes Jahr später war er nun Bundestagskandidat und dabei weitgehend auf sich allein gestellt: „Die Plakate von mir habe ich am vergangenen Wochenende selbst aufgehängt“, sagt Bienek, etwas über 100 Plakate seien das gewesen. Dazu kam noch ein Infostand in Saarlouis, an dem er, begleitet von den Fernsehkameras des Saarländischen Rundfunks, den Kontakt zu den Bürgern suchte. Rund 250 bis 300 Stunden habe er für seinen Wahlkampf aufgewendet, bilanziert der Maschinenbaumechaniker. Doch für ihn habe sich der Einsatz gelohnt, findet Bienek: „Eines meiner politischen Vorbilder ist der US-Politiker Ron Paul, der für die libertäre Partei in den USA mehrfach ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur gegangen war. Der hat einmal sinngemäß gesagt: Wahlen sind Kurzzeitprojekte, Revolutionen sind Langzeitaufgaben.“ Den ersten Schritt dazu habe er getan, sagt Bienek.

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