„Kamera ab“ in der Girtenmühle

Britten · Landhaus Girtenmühle? Hören viele Einheimische den Namen der Gaststätte, fällt die Reaktion eher negativ aus. Skeptischer Blick, Kopfschütteln. Der Betrieb hat keinen guten Ruf. In den vergangenen Jahren haben immer wieder die Pächter gewechselt. Der neue Betreiber Jochen Becker hat sich Hilfe bei den RTL II-Kochprofis geholt. Die SZ durfte einen Blick hinter die Kulissen des Drehs werfen.

 Bei den Dreharbeiten (von rechts): Kameramann Stefan Pape mit Ole Plogstedt, Frank Oehler, Pächter Jochen Becker und Nils Egtermeyer.

Bei den Dreharbeiten (von rechts): Kameramann Stefan Pape mit Ole Plogstedt, Frank Oehler, Pächter Jochen Becker und Nils Egtermeyer.

Foto: Rolf Ruppenthal

Es ist heiß in der Küche des Landhauses Girtenmühle. Menschen stürmen rein, räumen, schneiden, putzen, stürmen wieder raus. Das Gewühl ebbt nicht ab. Mit einem Mal stehen hier knapp zehn Menschen, Köche, Kamerateam, Service- und Putzkräfte. Die Spülmaschine brummt monoton vor sich hin. "Okay, Kamera", ruft ein Autor. Die Kamerafrau geht in Position, richtet die Linse auf Koch Frank Oehler. Dieser räuspert sich und nimmt sein Gegenüber ins Visier. "Jochen, kannst du dir vorstellen, den Betrieb einmal zu übergeben?" Jochen Becker, der Pächter der Girtenmühle, sieht von dem Thymian-Strauch in seinen Händen auf.

Drei Tage lang war werkelten die drei "Kochprofis" Frank Oehler, Ole Plogstedt und Nils Egtermeyer mit einem zehn-köpfigen Fernsehteam in der Gaststätte. Das Ergebnis wird an einem Donnerstag um 20.15 Uhr bei RTL II über die Bildschirme flimmern - wann, steht noch nicht fest.

Frank Oehler gönnt sich eine Pause und verlässt die Küche. Mit einem voll beladenen Teller setzt er sich an einen Tisch im Gastraum. Hier werden wenige Stunden später 48 Testesser ihr Mahl verspeisen und bewerten. Vermutlich werden sie sich dafür mehr Zeit nehmen, als der Mann mit den zurückgekämmten grauen Haaren und dem markanten Spitzbart. Der Sender charakterisiert Oehler als humorvollen Profi, der mit harter Hand und scharfer Zunge vorgeht. "Jochen ist mit seinen 67 Jahren ein bisschen stur und starrsinnig, manchmal auch laut und tyrannisch", bringt Oehler es zwischen zwei Happen auf den Punkt. Der gelernte Koch habe sich beruflich nicht mehr weiterentwickelt. Die Kommunikation mit seinen Mitarbeitern funktioniere oft nicht. Mit das größte Problem sei, dass die Gäste zu lange auf ihr Essen warten müssten. Das strapaziere auch Beckers Nerven. "Er muss in eine Struktur finden", sagt Oehler. Zudem habe Becker durch einen Schicksalsschlag Geld verloren. "Wenn alle anderen in Rente gehen, muss er neu durchstarten", erklärt Oehler. "Aber er steht auf, er ist eine Maschine!" Der Teller ist leer, auch Oehler steht auf. Auf dem Weg zur Küche fängt ihn die Maskenbildnerin ab, tupft dem Koch Puder auf die Nase.

In einer Ecke des Gastraums tummeln sich weitere Mitglieder des Drehteams, strecken die Köpfe zusammen. Zwei Kamerateams, zwei Autoren, Maske, Ausstattung und eine Praktikantin begleiten die drei Kochprofis bei der Produktion. Aufnahmeleiter Gordon Wüst hat alles im Blick. Er taucht hier auf, taucht da auf und gibt Anweisungen. Unter der Kappe, die er lässig auf dem Kopf trägt, lugt ein dünner Pferdeschwanz hervor, der bis zum Becken reicht. "Wir müssen alles im Kasten haben", erklärt Wüst. Bei einem dreitätigen Dreh produziere das Team durchschnittlich 1665 Film-Minuten, davon werden 45 Minuten im Fernsehen gezeigt. Es gebe kein Drehbuch. Gewisse Szenen müssten gedreht werden, der Rest sei offen. Dabei sei jeder Fall anders. "Jochen hat langjährige Erfahrung in der Gastronomie. Er muss vor allem Verantwortung teilen können." Ein kräftiger Junge von vielleicht 14 Jahren betritt den Gastraum, bleibt mittendrin stehen, blickt verlegen. "Ich wollte fragen, ob die Kochprofis zum Weinfest kommen, und ob ich Autogramme bekommen kann". Wüst bleibt gelassen. Weinfest nein, schließlich müssen die Jungs arbeiten. Autogramme ja. "Das kommt öfter vor", winkt Wüst ab, als der Junge fort ist.

Jochen Becker stiehlt sich aus der Küche. Nur kurz, damit er nichts von dem verpasst, was die Kochprofis ihm beibringen wollen. "Das ist die Creme der deutschen Kochgilde", sagt Becker mit Anerkennung in der Stimme. Becker wirkt ruhig, redet besonnen. Der gebürtige Lebacher wusste von dem schlechten Ruf der Gaststätte, obwohl er 40 Jahre außerhalb des Saarlands lebte, unter anderem drei Hotels in Bayern hatte. "Ich habe mich bereits während der Entscheidungsphase, ob ich das Lokal übernehme, gefragt, wer helfen kann. Wer mit mir das Lokals nach vorne und in aller Munde bringt - diesmal im positiven Sinne." Er bewarb sich bei den Kochprofis, Mitte Mai sagten diese ihr Kommen zu. Als sie eintreffen, läuft der Betrieb seit acht Wochen, seit dem 1. April. Der Mann mit dem kurzen, weißen Vollbart, der das Lokal mit seiner Familie führt, schwärmt über die Vorteile des Objektes. "Die vielen Wanderer loben die Ausschilderung, die gepflegten Wege und die schöne Landschaft. Das färbt auf das Gasthaus ab." Das Konzept der Gaststätte solle alle ansprechen: Wanderer, Camper und Einheimische.

Zurück in der Küche. Frank Oehler schneidet im Akkord Sehnen von Schweinefilets ab. Diese werden später im Blätterteigmantel serviert. "Machst du den Blätterteig selbst?", fragt Becker, der auf der anderen Seite der Arbeitsfläche steht. Oehler verneint, das sei zu aufwendig. Dann hält er inne, scheint eine Idee zu haben. "Ich zeige dir mal, wie man Blätterteig faltet", sagt er und verlangt nach einem Blatt Papier. "Vielleicht zeige ich das in die Kamera, weil das wirklich spannend ist." Das Gewusel hält an. Im Hintergrund schwenkt Ole Plogstedt Croutons in der Pfanne. Und auch Nils Egtermeyer streckt den Kopf in die volle Küche.

 Das Landhaus Girtenmühle in Britten.

Das Landhaus Girtenmühle in Britten.

Foto: Rolf Ruppenthal

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Auf einen BlickFür das Testessen konnten die Gäste Speisen von einer Karte bestellen. Zur Auswahl standen als Vorspeisen: Spargelsuppe mit Croutons; gemischter Salat mit Cashew, Apfeltraubenkerndressing, Parmesan und Croutons; Roastbeef, Sauce Remoulade, gebackener Blumenkohl und Salatbouquet. Die Hauptgerichte waren: Szegediner Gulasch mit Rahmkraut und Salzkartoffeln; Schmortopf vom Weiderind mit Wurzelgemüse und Schnittlauch-Pommery-Kartoffeln; Züricher Geschnetzeltes mit Kräuterspätzle, Mischpilzen und Butterkohlrabi; Schweinefilet im Blätterteig mit glasiertem Gemüse. red

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