Junge Familie mit gehandicapten Söhnen Wie die Assistenzhündin Ella Familie Theobald schon vor einem Notfall hilft
Britten · Assistenzhündin Ella soll so früh wie möglich warnen, wenn das Wohlbefinden der gehandicapten Kinder der Familie Theobald aus Britten zu kippen droht.
Wenn Michele und Michael Theobald mit ihren Söhnen Jannes (6) und Elian (3) zum Einkaufen fahren wollen, müssen die Eltern dazu noch zwei Rollstühle, zwei Beatmungsgeräte, Wickeltasche, Sauerstoff, Herzmonitor und einen Notfallkoffer im Auto unterbringen. Neuerdings verlässt die Familie das eigene Heim in Britten zusätzlich nicht mehr ohne Ella, die ausgebildete Assistenzhündin.
Assistenzhund Ella warnt, bevor es die Maschinen tun
Wenn die junge Mutter schildert, mit welchen einschränkenden Gendefekten die beiden lebensfrohen aber schwerst mehrfach behinderten Jungs zeitlebens zu kämpfen haben, wechseln sich beim Zuhörer Mitleid und Bewunderung ständig ab: „Bei beiden haben die Ärzte unter anderem Herzfehler und eine schwere Epilepsie diagnostiziert. Mittlerweile ist der Hirnstamm geschädigt, sodass beide Kinder im Schlaf eine Beatmungsmaschine und Sauerstoff benötigen.“ Gerade die durch Gendefekte ausgelöste schwere Epilepsie schränke Jannes und Elian im Alltag stark ein. Für das tägliche Familienleben bedeute dies beispielsweise bei einer akuten epileptischen Attacke, dass sich der Körper des betroffenen Kindes manchmal gleich mehrere Tage lang völlig verkrampft. Davor warnt jetzt noch vor den Maschinen Ella, der Schutzengel auf vier Pfoten.
Wie ein Assistenzhund sein muss
Wie die Familie zum Hund gekommen ist, schilderte Michele Theobald: „Im Internet haben wir den Beitrag vom SR über einen Labrador gelesen, der bei seiner Besitzerin frühzeitig vor sich anbahnenden Epilepsie-Anfälle warnt.“ Mit dem Discovery-Dog-Team der gleichnamigen Hundeschule in Kirkel-Limbach habe sie dann erste Kontakte geknüpft. Schon bald habe man sich dann gemeinsam nach einem geeigneten Welpen umgeschaut, der zu einem Assistenzhund ausgebildet werden sollte. Dafür sei nach Einschätzung der Hundetrainer für die Familie nur der Welpe eines Labrador Retrievers in Frage gekommen. „Wenig später machten wir uns auf den langen Weg zu Marita Bittmann und Norman Markstahler, die sich in Gaggenau mit dem Zuchtzwinger Bernsteingucker bereits einen ausgezeichneten Ruf erworben haben.“
Nachdem die erfahrenen Ausbilder die Theobalds fachmännisch bei der Auswahl nach wichtigen Kriterien für die geplante Ausbildung beraten hatten, fiel letztlich die Wahl auf die sechs Wochen alte Ella. Der junge Hund musste unter anderem selbstbewusst sein, gern apportieren und über eine sensible Nase sowie einen hohen Arbeitswillen verfügen – und weil sie das alles mitbrachte, kam sie später Mitte April nach Britten. Unter fachkundiger Anleitung von Discovery Dog begann dann in Britten die eigentliche Ausbildung. Michele Theobald: „So wuchs unsere Familie mit dem vierbeinigen Zuwachs zusammen, und die gewünschte gegenseitige Bindung ergab sich dabei fast von selbst.“
Anschaffung und Ausbildung kosteten 17 500 Euro
Aber neben viel zusätzlicher Arbeit mussten die Theobalds für die Anschaffung und Ausbildung von Ella auch viel Geld aufbringen. Alles in allem hatten sie 17 500 Euro in das neue Familienmitglied zu investieren. Michele Theobald: „Einmal mehr mussten wir uns bei den Herzensengeln in Merzig bedanken, die uns diese Kosten mit einer Spende von 2000 Euro reduzierten.“ Dabei erinnerte sie zugleich noch an eine weitere Zuwendung der Herzensengel in Höhe von 3000 Euro, die von den Rotariern Lebach/Wadern, der Firma Regler Systems und der Lackiererei Wollmann sowie dem Musikverein Melodienkranz Hausbach und der Musikfreunde Hochwald auf einen Gesamtbetrag von rund 15 000 Euro aufgestockt wurde, womit die dringend erforderliche Zufahrtrampe vor dem Haus realisiert werden konnte.
Kinder können mit Hilfe von Ella ganz normal ihre Kindheit erleben
Im SZ-Gespräch ergab sich dann fast zwangsläufig die Frage, was Ella denn inzwischen als Assistenzhündin für die Familie alles zu leisten vermag. Und es ist wirklich erstaunlich, welche wertvolle Unterstützung die dunkelblonde Hündin mit den braunen Augen für diese vom Schicksal alles andere als verwöhnte Familie bereits bieten kann. Zum Beispiel beim Globus-Einkauf, wo andere Hunde nicht zugelassen sind, weicht die Assistenzhündin nicht von der Seite der Jungs. Michele Theobald: „Mit diesem ruhigen, fast bedächtigen Vierbeiner an der Seite haben wir zum Beispiel auch schon einen stationären Hospizaufenthalt, Krankenhaustermine, einen Freizeitpark und eine Theatervorstellung besucht.“ Der Schutzengel auf vier Pfoten habe dabei stets nur seine ganze Aufmerksamkeit auf die Kinder gerichtet, die in seiner Nähe deutlich ruhiger auf alle Einflüsse der sich wechselnden Umgebung reagierten. Die Mutter: „Wenn Ella dabei ist, haben beide Kinder die Möglichkeit, ganz normal ihre Kindheit zu erleben. Sie können selbst auf Spieltürme klettern, denn Ella warnt uns eine ganze Zeit bevor es zu einer gefährlichen Situation kommt. Die Kinder beruhigen sich nach Anfällen durch Körperkontakt mit ihr wesentlich schneller.“
Mehr Zeit zum Leben
Für die Eltern der beiden schwerkranken Kinder ist das bei ihrem ohnehin unvergleichlich schweren Alltag – der Informatiker Michael kann nur in Teilzeit arbeiten und Michele Theobald kümmert sich rund um die Uhr um die beiden – eine wertvolle Entlastung. Bei den palliativ-medizinisch betreuten Kindern stehe nun mal nicht im Vordergrund, dem Leben mehr Zeit zu geben. Stattdessen drehe sich alles darum, ihnen mehr Zeit zum Leben zu geben. Die Mutter räumt ganz offen ein, dass die Familie mit den schwerstkranken Kindern ganz klar in einer Nische der Gesellschaft lebt.
Selbst in heiklen Situation bleibt die Hündin ruhig und verlässlich
Umso dankbar seien sie und ihr Mann für die großartige Unterstützung durch Ella. Es sei einfach toll, wenn einer der beiden Jungen nachts wach und unruhig werde, und der Vierbeiner, noch bevor die angeschlossenen Warninstrumente Alarm schlagen, von sich aus zum Beispiel einen der Lichtschalter einschaltet, Notfallmedikamente bringt, den Hausnotruf betätigt und zu dem von einem Epilepsieanfall bedrohten Kind geht. Darüber hinaus eröffneten sich durch den Hund ganz andere Möglichkeiten, Unternehmungen zu machen, da Ella auch die Kinder vor Straßenübergängen oder Treppen blockiert sowie das Weglaufen verhindert. Beide Kinder seien nun mal geistig behindert und würden andernfalls einfach auf die Straße rennen. Gerade Jannes habe auch als Autist Schwierigkeiten im Alltag. Die Labradorhündin sei stets an seiner Seite und gebe ihm somit Sicherheit. Sie nehme ihm einen Teil seiner Angst, wodurch es ihm möglich sei, die Welt um ihn herum weitgehend angstfrei zu entdecken. Und selbst in heiklen Situation bleibe die Hündin einfach ruhig und verlässlich – ein Schutzengel auf vier Pfoten eben.