Was für ein eigenartiger Brauch!

Merzig · Am Mittwoch rief ein Kollege einen freien Fotografen an und fragte, ob der kurzfristig einen Termin übernehmen könne. Geht nicht, antwortete der Fotograf. Er sei gerade auf dem Weg in den Wald. Kalter Mittwoch.

Der Zugereiste horchte mit einem Fragezeichen im Gesicht. "Kalter Mittwoch", fragte er den Kollegen, "was ist denn das?" Da erfuhr er, dass mancher Saarländer am Buß- und Bettag in den Wald stiefelt, um dort ein Kotelett zu grillen. Was für ein eigenartiger Brauch! So völlig wahllos, irgendwo hinzugehen, um dort ein Stück Fleisch zu essen. "Klingt nach Ausrede, um mal unter der Woche schön einen schwenken zu können", dachte der Zugereiste und forschte ein bisschen. Der Brauch ist wohl auf die Köhler Anfang des vorigen Jahrhunderts zurückzuführen, die im Wald ihre Meiler bewachten und die Glut zum Fleischbraten nutzten. Und "Kalter Mittwoch", weil es im November eben kalt ist. Oder, je nach Quelle, weil die hiesigen Katholiken 1709 an einem Mittwoch eine Prozession einführten, um nicht wieder einen so strengen Winter zu bekommen. Kotelettessen als Opfergabe also, und das an einem Tag, der zum Bußetun gedacht ist. Das erfordert Chuzpe! Dem Zugereisten gefällt der Brauch trotzdem außerordentlich gut, er ist ein großer Freund von Traditionen. Im nächsten Jahr wäre er gerne dabei. Da er überzeugter Vegetarier ist, kommt ein Kotelett jedoch nicht in Frage. Ob über dem Feuer wohl auch Platz für ein Veggie-Steak ist?

Lars Reusch stammt aus Fachingen an der Lahn, an der Grenze von Rheinland-Pfalz nach Hessen. Zurzeit führt ihn sein Volontariat täglich nach Merzig.

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